# taz.de -- Konservative Bildung: Kein Sport in der Bibel
       
       > Die Pfingstlergemeinde im Landkreis Cloppenburg hat eine Schule ohne
       > Sexualkunde und Sport beantragt. Manche deuten das als
       > Abschottungsversuch
       
 (IMG) Bild: Aus der Sicht der Pfingstler nichts für eine Bekenntnischule: Unterricht in Basketball.
       
       HAMBURG taz | Molbergens Stadtväter sind müde. Sie wollen weder zitiert
       noch mit Namen genannt werden, wenn die Rede auf diese neue Schule kommt.
       Schlechte Erfahrungen hätten sie gemacht, sagen sie verhuscht am Telefon,
       die Presse sehe immer nur das Negative, wolle den Landkreis Cloppenburg, zu
       dem Molbergen gehört, schlecht machen. Kein Mensch wisse, warum.
       
       Schlecht machen? Eigentlich geht es um eine formaljuristisch unscheinbare,
       fast unspektakuläre Geschichte: Die evangelikale Freie
       Evangeliums-Christengemeinde Molbergen hat im September 2015 bei der
       niedersächsischen Landesschulbehörde einen Antrag auf Genehmigung einer
       Grundschule in freier Trägerschaft eingereicht. Träger sollte ein eigens
       gegründeter Verein sein, Start zum Schuljahr 2016/17.
       
       Das Delikate an der Sache: Es soll dort weder Sexualkunde- noch
       Sportunterricht geben, den viele Pfingstler ihren Kinder übrigens schon
       jetzt verbieten. Denn die evangelikale Pfingstlerbewegung, Anfang des 20.
       Jahrhunderts aus den USA nach Deutschland gewandert, lebt die Bibel sehr
       wortgetreu. Sie besteht auf Röcke für Frauen, verbietet Sex vor der Ehe und
       Verhütung.
       
       Die Evolutionstheorie gilt als Teufelswerk. Wunder, Prophetie, Zungenreden,
       Heilungen zählen zu den emotionalen Konstanten dieser Gemeinden; Alkohol
       und Fernsehen dagegen nicht. Die Toleranz anderen Konfessionen und
       Religionen gegenüber ist oft unterentwickelt.
       
       Die Mitgliederzahlen sind es nicht: Weltweit haben die Evangelikalen
       immensen Zulauf; allein in Hannover kommen bis zu 3.000 Menschen
       wöchentlich zum Gottesdienst. Auch ein Großteil der 20.000
       Russlanddeutschen im Landkreis Cloppenburg – 20 Prozent der
       Gesamtbevölkerung – zählt dazu.
       
       Gründeten sie jetzt ihre eigene Grundschule, hätte das auch
       gesamtgesellschaftlich Konsequenzen. Das hat jedenfalls Antonius Lamping
       (CDU), stellvertretender Bürgermeister von Molbergen gesagt, als er noch
       mit der Presse sprach: „Wer seine eigene Schule gründet, will unter sich
       bleiben“, hat er der Hannoveschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) anvertraut. Das
       deckt sich mit dem Bericht einer Pfingstler-Aussteigerin, die der Zeit vor
       Jahren von erheblichem internem Druck auch auf Abweichler berichtete –
       sowie davon, dass Kontakte zu Nicht-Pfingstlern unerwünscht seien.
       
       Abgesehen vom Weltanschaulichen geht es in Molbergen aber auch ums Geld:
       „Wir haben Millionen in unsere Grundschulen gesteckt, und die sind alle top
       in Ordnung“, sagte Lamping der HAZ. Gingen die vielen Kinder der Pfingstler
       jetzt auf eine eigene Schule, könnte das zu Leerständen führen. Zudem ließe
       eine eigene Pfingstlerschule nicht nur auf deren mangelnden
       Integrationswillen schließen. Sie zeugte auch vom Scheitern der
       Integrationsversuche der Mehrheitsgesellschaft.
       
       So weit ist es noch nicht. Denn erstens sei der Antrag unvollständig und
       könne derzeit nicht bearbeitet werden, sagt Susanne Schrammar, Sprecherin
       des niedersächsischen Kultusministeriums. Zweitens werde eine freie Schule
       nur genehmigt, wenn ihr Unterricht dem öffentlicher Schulen gleichwertig
       sei.
       
       Und eine Schule, die weder Sport- noch Sexualkundeunterricht plane, „würde
       die für öffentliche Schulen vorgegebenen Lernziele in diesen Fächern
       grundsätzlich nicht erreichen und demnach auch nicht den
       Genehmigungsvoraussetzungen entsprechen“, sagt Schrammar.
       
       Warum die Antragsteller das nicht wussten, ist indes nicht zu erfahren,
       denn auch sie meiden die Presse: Der Molbergener Pfingstler-Bischof Viktor
       Volz hat sich auf taz-Anfrage nicht zurückgemeldet.
       
       29 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Petra Schellen
       
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