# taz.de -- Debatte um Pressekodex: Eine Frage der Ethik
       
       > Der Presserat diskutiert die Berichte über die Gewalt zu Silvester in
       > Köln. Es geht darum, ob Medien die Nationalität von Tätern nennen sollen.
       
 (IMG) Bild: Auslöser der Debatte: die Gewalt in der Silvesternacht am Kölner Dom.
       
       Knickt der Journalismus ein und gibt er dem Druck „auf der Straße“ nach?
       Diese Frage beschäftigt an diesem Mittwoch den Presserat, die von Verlagen
       und Gewerkschaften getragene Selbstkontrolle der Branche. Auf seiner
       Sitzung in Berlin will das Gremium die Berichterstattung nach der
       Silvesternacht mit seinen [1][hässlichen Übergriffen auf Frauen]
       reflektieren.
       
       Konkret geht es darum, ob die [2][Richtlinie 12.1 des Pressekodex]
       überarbeitet wird. Hier heißt es zur Berichterstattung über Straftaten,
       „die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen
       oder anderen Minderheiten [wird] nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis
       des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht“.
       
       Klingt logisch, zumal die Benennung vor allem ausländischer Tatverdächtiger
       leicht Stimmen aus dem ganz rechten Spektrum provozieren kann. Seit den
       Vorfällen in Köln ist der Paragraf aber umstritten.
       
       Bild-Chefredakteurin Tanit Koch zum Beispiel positioniert sich als
       12.1-Gegnerin. Die Richtlinie stehe für „ungerechtfertigte Selbstzensur“
       und belege, „wie unmündig Leser in den Augen des Presserats“ seien, sagte
       Koch dem Medium Magazin. Außerdem schüre 12.1 das Misstrauen gegenüber der
       journalistischen Arbeit: „Menschen merken, wenn ihnen relevante
       Informationen vorenthalten werden.“
       
       ## Mehrheit der Chefredakteure will überarbeiten
       
       Gut, könnte man sagten, Tanit Koch [3][ist Boulevardjournalistin]. Als
       solche würde sie sich sicher über laxere Standards freuen. Doch sie ist mit
       ihrer Position nicht allein. Auf einer Konferenz, zu der Ende Februar die
       Nachrichtenagentur dpa die Chefredakteure ihrer Abonnenten geladen hatte
       und auf der auch die Lehren aus der Silvesternacht Thema waren, war laut
       Teilnehmern sogar die Mehrheit dafür, 12.1 mindestens zu überarbeiten, wenn
       nicht sogar komplett abzuschaffen. Der Chefredakteur der Nordwest-Zeitung,
       Rolf Seelheim, soll gesagt haben, der Kodex sei ein „regelrechter
       Verhaltenskatalog“, den er „für übel“ halte.
       
       Dem Fachdienst epd Medien sagte Seelheim vor der anstehenden Diskussion
       zudem: „Das Schlimmste ist doch, wenn Leser, die für ihre Zeitungen und
       Illustrierten Geld bezahlen, sich im kostenlosen Internet besser informiert
       fühlen, weil die Presse Ross und Reiter nicht nennt.“
       
       Genau das ist das Dilemma der Journalisten: Pressemitteilungen der Polizei
       mit teils detaillierten Angaben zu dem Hintergrund von Tätern kursieren
       heute im Netz. So war das – nach dem anfänglichen PR-GAU – auch nach Köln.
       Fast unisono heißt es dazu von Journalisten: Das Geschehen auf der
       Domplatte und im Hauptbahnhof sei ein gesellschaftliches Phänomen gewesen
       und die Benennung der Herkunftsregionen der mutmaßlichen Täter daher okay.
       „Den nationalen beziehungsweise ethnischen Hintergrund der Tatverdächtigen
       danach nicht zu nennen, wäre Nachrichtenunterdrückung gewesen“, sagte
       Bild-Chefin Koch.
       
       ## Kein Verbot, sondern vage
       
       Gleichwohl hat die Pressekodex-Richtlinie 12.1 auch ihre Fans, denn: Der
       Passus ist kein Verbot, sondern vage gehalten. Er ruft zum Abwägen auf –
       und zur permanenten Reflexion. Kölner Medienmacher etwa wollen an 12.1
       festhalten.
       
       Kritiker fürchten die Richtlinie allerdings auch, eben weil sie vage
       gehalten ist. Für sie ist die Unverbindlichkeit der Passage ein Problem.
       Sie haben Angst davor, sich falsch zu entscheiden und dann – nach
       Beschwerden der Leser und der Einzelfallprüfung durch den Presserat – eine
       Rüge zu kassieren und als Idioten dazustehen.
       
       Der Presserat wird am Mittwoch unter anderem mit einem Medienpsychologen,
       mit Medienkritikern und ausgewählten Chefredakteuren diskutieren. Dazu hat
       das Selbstkontrollgremium [4][etwa 30 Beschwerden] zu Köln auf dem Tisch:
       Hinweise von Lesern, denen die Berichterstattung zu weit ging. Messen wird
       sie der Presserat zuletzt an der Richtlinie 12.1 – vielleicht ja ein
       letztes Mal.
       
       8 Mar 2016
       
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