# taz.de -- Die Wahrheit: Das Slipmuseum von Brüssel
       
       > Eine Exkursion nach Brüssel, um meinem Europaabgeordneten auf die Finger
       > zu schauen, führte mich in die Bierhalle „À la Mort Subite“.
       
       Als ich im letzten Winter in Brüssel weilte, um meinem Europaabgeordneten
       auf die Finger zu schauen, führte dieser unsere Reisegruppe abends in die
       vielversprechend benannte Bierhalle „À la Mort Subite“. Hier wurde eine
       unvorstellbare Menge belgischer Biersorten ausgeschenkt, für die aber
       exorbitante Preise abzudrücken waren – zwischen 10 und 18 Euro pro halben
       Liter.
       
       Der Europaabgeordnete hat natürlich ein ganz anderes Verhältnis zu Geld,
       weshalb er die anfänglich langen Gesichter seiner Besucher nicht verstand.
       Diese hellten sich jedoch mit jedem Schluck vom köstlichen Gebräu auf, bis
       schließlich eine ordnungsgemäß todesmutige Zecherei in Gang kam. Einzig ich
       starrte verdrossen ins Glas, denn ich hatte fatalerweise das Hausbier
       „Morte Subite“ bestellt, ein extrem säuerliches „Geuze“, das ich bereits
       aus Belgien mitgebracht bekommen und für schmackhaft befunden hatte.
       
       Hier aber wurde die vergorene Plörre zimmerwarm serviert und schmeckte
       restlos widerlich. Leider kann ich vom Charakter her kein angebrochenes
       Bier zurückgehen lassen, schon gar nicht, wenn es 14 Euro gekostet hat.
       Also würgte ich anderthalb Stunden an dem „Mort Subite“ herum, was dessen
       Namen vollends Hohn spricht, und konnte mich erst dann den restlichen
       „Blancs“, „Bruins“ und „Lambics“ widmen.
       
       Es ist ein verrücktes, beinahe todesähnliches Gefühl, am Ende eines Abends
       für sechs Bier etwa 80 Euro hinzublättern. Ich hoffe, ich muss so was nie
       wieder erleben. Gedämpft wurde der Schmerz dadurch, dass der
       Europaabgeordnete anderntags Umschläge mit Bargeld verteilte, für das der
       europäische Steuerzahler hart hatte arbeiten müssen. Weil er sich, anders
       als wir, nicht um Kontakt mit der großen Politik bemühte, die Pflaume!
       
       Trotzdem war klar, dass man sich nach Sightseeing, Shopping und Anbruch der
       Dunkelheit in die Punkkneipe mit dem billigen Bier verfügen würde, die
       Mitreisende mit dem Hinweis empfohlen hatten, das Stockwerk darüber
       beherberge ein „Slipmuseum“. Tatsächlich stellte sich das „Dolle Mol“ als
       sensationell gute Gaststätte in der touristischen Altstadt heraus, mit rot
       gestrichenen Wänden, karger Einrichtung, lauter Musik und Bier für 2 Euro
       50.
       
       Das vor allem von jüngeren männlichen Mitreisenden sehnlichst erwartete
       Slipmuseum enttäuschte dagegen stark. Die ausgestellten Schlüpfer hatten
       einen trashigen Kunstanspruch, waren Politikerbildern über den Kopf gezogen
       und wirkten alles in allem wie eine vorzeitig gealterte
       Pop-Art-Installation. Zufällig war ihr Schöpfer, der Anarchist,
       Pornocomiczeichner und Regisseur Jan Bucquoy an jenem Abend Gast in seiner
       eigenen Kneipe, und so wurde es noch ein herrlicher Abend, an den ich mich
       nur noch in Bruchstücken erinnere, und auch nur dann, wenn ich mir wieder
       einen Slip über den Kopf ziehe.
       
       Wiederholen lässt sich das Erlebnis aber leider nicht – jüngst erreichte
       mich die traurige Nachricht, dass das „Dolle Mol“ endgültig zugemacht habe.
       
       17 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mark-Stefan Tietze
       
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