# taz.de -- Bandenmorde in Irland: Vor dem Boxkampf erschossen
       
       > In Dublin tobt ein Drogenkrieg, dem schon mehrere Menschen zum Opfer
       > gefallen sind. Die zwei größten Banden Europas sind darin verwickelt.
       
 (IMG) Bild: Polizisten stehen am Dienstagmorgen vor dem Haus des bislang letzten Mordopfers Eddie Hutch.
       
       Dublin taz | Die Rache ließ nicht lange auf sich warten. In der Nacht zum
       Dienstag wurde Eddie Hutch in seinem Reihenhaus in Dublin erschossen. Er
       war der Bruder von Gerry Hutch, Spitzname „der Mönch“, Chef einer
       Drogenbande im Nordteil Dublins. Dessen Leute hatten am Freitag im
       Regency-Flughafenhotel ein Blutbad angerichtet.
       
       Sie stürmten in den Hotelsaal, wo zwei Männer vor 300 Zuschauern gerade
       gewogen wurden. Jamie Kavanagh und Antonio Jao Bento sollten am nächsten
       Tag um die WBO-Europameisterschaft im Leichtgewicht boxen. Die fünf Männer
       von Hutchs Bande, einer davon als Frau verkleidet, eröffneten das Feuer aus
       Kalaschnikows. Der 34-jährige David Byrne starb durch drei Schüsse, zwei
       andere Gäste wurden schwer verletzt.
       
       Am Montag bekannte sich die Continuity IRA, eine Abspaltung der
       Irisch-Republikanischen Armee (IRA), zum Mord an Byrne. In einem Anruf bei
       der BBC kündigte ein Sprecher weitere Angriffe „auf Drogenhändler und
       Kriminelle“ an. Doch die Polizei hält das für ein Ablenkungsmanöver. Sie
       glaubt, die Tat sei eine Eskalation des Krieges zwischen zwei der
       gewalttätigsten Drogenbanden Europas, dem bereits 17 Männer zum Opfer
       gefallen sind.
       
       Einer davon war Gerard „das Beil“ Kavanagh, der Vater des Boxers, der als
       Geldeintreiber für den Drogenzar Christy Kinahan gearbeitet hatte. Als er
       seinen Auftrag, eine Million Euro von Kleindealern in Dublin einzutreiben,
       nicht erfüllte, wurde er erschossen. Auch Byrne hatte für Kinahan
       gearbeitet. Der lenkt seinen lukrativen Drogengroßhandel vom südspanischen
       Marbella aus.
       
       ## Boss Kinahan ist hochintelligent
       
       Das Geschäft funktioniert überall nach dem gleichen Muster: Kinahans Leute
       gründen kleine Firmen und exportieren billige Lebensmittel aus Spanien.
       Wenn diese Lieferungen nach einigen Monaten etabliert sind und keine
       Aufmerksamkeit des Zolls mehr erregen, beginnt der Schmuggel mit Kokain und
       Cannabis.
       
       Der 57-jährige Kinahan, der in Irland, Belgien und den Niederlanden
       Gefängnisstrafen verbüßt hat, ist hoch intelligent und spricht vier
       Sprachen. Im Gefängnis hat er einen Universitätsabschluss gemacht. Seit 15
       Jahren residiert er in Marbella in einer Villa im Wert von sechs Millionen
       Euro.
       
       Der Grund hierfür war eine Gesetzesänderung in Irland. Nach dem Mord an der
       Journalistin Veronica Guerin vor 20 Jahren schufen die Behörden das
       Criminal Assets Bureau, das die Vermögenswerte von Kriminellen
       beschlagnahmen kann – aber nur in Irland.
       
       Nachdem Kinahan 2010 einen Mord in Spanien in Auftrag gegeben haben soll,
       war aber das Interesse der Polizei in mehreren Ländern an ihm geweckt. Im
       Mai jenen Jahres führten 700 Polizisten in verschiedenen europäischen
       Ländern koordinierte Razzien durch.
       
       ## Schottische Bande kommt ins Spiel
       
       Auch bei Kinahan traten sie die Tür ein und verhafteten ihn. Er und seine
       Bande besitzen Immobilien in Irland, Spanien, Belgien, Dubai, Südafrika,
       Brasilien und auf Zypern im Wert von über 150 Millionen Euro. Während die
       Polizei ihren Erfolg feierte, ließ das Gericht Kinahan aus Mangel an
       Beweisen wieder laufen.
       
       Das Angriffsziel am Freitag waren seine Bandenmitglieder, darunter sein
       Sohn Daniel, der aber entkommen konnte. Auch die Täter konnten entkommen,
       aber nicht unerkannt. Mehrere Zeitungen hatten Reporter zu dem Vorgeplänkel
       des Boxkampfes geschickt. Ihre Videos und Fotos von den unmaskierten Tätern
       beschlagnahmte die Polizei. Die hatte früher die Drogenhändler routinemäßig
       observiert, das aber aus Geldmangel eingestellt.
       
       Der Anschlag im Regency-Hotel war ebenfalls ein Racheakt. Der Neffe von
       Gerry Hutch, Gary Hutch, gehörte früher zu Kinahans Bande, zerstritt sich
       jedoch mit dem Boss und wurde vorigen September in Marbella erschossen. Es
       wird gemunkelt, dass Hutch sich mit einer schottischen Drogenbande in
       Spanien verbündet habe, um Kinahan auszuschalten.
       
       Die Polizei rechnet damit, dass der Krieg vor allem in Dublin ausgetragen
       wird. Sie hat vorläufig auf sämtlichen Ausfallstraßen Kontrollpunkte
       errichtet. Der Boxkampf wurde übrigens abgesagt.
       
       9 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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