# taz.de -- Debatte Parlamentswahl im Iran: Rohanis Schicksalswahl
       
       > Das Atomabkommen macht es den Reformern der Islamischen Republik Iran
       > enorm schwer, an der Wahlurne zu bestehen.
       
 (IMG) Bild: Steht vor neuen Herausforderungen: der iranische Präsident Hassan Rohani.
       
       Der iranische Präsident Hassan Rohani hätte sicher viel lieber seine
       Einkaufstour in Rom und Paris ausgedehnt, als nach Teheran zurückzukehren.
       Zwar hat das erfolgreich abgeschlossene Atomabkommen seine Popularität in
       der Bevölkerung enorm gesteigert. Doch damit sind gleichzeitig auch die
       Erwartungen, dass er für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgt und das
       Land öffnet, ins Unermessliche gewachsen.
       
       Diese Erwartungen wird Rohani, wenn überhaupt, nicht so rasch erfüllen
       können. Eine spürbare wirtschaftliche Erholung setzt eine
       Verwaltungsreform, freien Wettbewerb, weniger staatliche Kontrollen und
       nicht zuletzt den Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption voraus – ein
       Mammutprojekt. Nicht weniger schwierig umzusetzen ist eine Liberalisierung
       der Gesellschaft, denn sie kann nur dann stattfinden, wenn die
       Erzkonservativen entmachtet würden. Doch die sitzen in jeder Hinsicht am
       längeren Hebel.
       
       Die aus dem Atomabkommen resultierenden Hoffnungen der Iraner werden es
       deshalb den Reformern bei den Parlamentswahlen am 26. Februar sehr schwer
       machen. Gleichzeitig mit den Abgeordneten werden auch die Mitglieder des
       sogenannten Expertenrats gewählt.
       
       Dieser Rat ist deshalb so wichtig, weil er den „Revolutionsführers“ –
       derzeit den erzkonservative Ali Chamenei – bestimmt und überwacht. Der
       Machtkampf um die Mehrheit in den beiden Häusern tobt schon seit Monaten.
       Denn der kommende Urnengang ist eine Schicksalswahl – für die Zukunft der
       Regierung von Präsident Rohani ebenso wie für die der Islamischen Republik.
       
       ## Erfolg provoziert Hardliner
       
       Die Reformer haben einen schweren Stand. Sämtliche Instrumente der Macht
       sind in der Hand der Konservativen und Hardliner: vom Militär über die
       Revolutionsgarden und die Geheimdienste bis hin zum Justizapparat, dem
       Wächterrat und nahezu die gesamten Medien. Und an ihrer Spitze steht auch
       noch der Revolutionsführer, der in allen Angelegenheiten das letzte Wort
       hat. Gegen diese Ballung der Macht kann sich der Präsident kaum behaupten.
       
       Rohani hatte die Mission, den Atomkonflikt zu beenden. Daran waren alle im
       Iran interessiert. Denn die schon seit Jahren bestehende Krise der
       Wirtschaft hatte durch die gegen das Land verhängten Sanktionen ein
       bedrohliches Ausmaß angenommen. So bedrohlich, dass soziale Unruhen
       befürchtet wurden.
       
       Der reformorientierte Präsident kann das Ende des Atomkonflikts und die
       wichtige Rolle, die der Iran inzwischen als Regionalmacht spielt, als
       klaren Sieg für sich verbuchen. Doch je größer die Erfolge der Regierung
       sind, desto härter und zügelloser reagiert die um ihre eigene Machtfülle
       besorgte Gegenseite. Die Justiz wütet gegen Andersdenkende, gegen
       Schriftsteller, Künstler, Musiker, Filmemacher, Journalisten. Die Zahl der
       Hinrichtungen nimmt zu. Die Sittenwächter verschärfen die
       Straßenkontrollen, die Zensur der Presse, der Buchverlage, des Internets
       wird immer rigoroser.
       
       ## Angst vor westlichen Firmen
       
       Dabei geht es den Hardlinern nicht allein darum, wer das Sagen hat, sondern
       es geht um eine islamistische Ideologie, die das alte Denken bewahren und
       jede Veränderung, jede Reform als Angriff gegen die Substanz des
       islamischen Staates ablehnt. Dass die Erzkonservativen und Radikalen sich
       mit ihrem ideologisch verbrämten Gesellschaftskonzept Tag für Tag von der
       Mehrheit des Volkes entfernen, kümmert sie kaum. Je größer die Entfremdung,
       desto schärfer werde die Repressionen.
       
       Von allen Übeln des Westens fürchten die Islamisten am meisten eine
       kulturelle Unterwanderung, die sie als „samtene Revolution“ bezeichnen. Mit
       der wirtschaftlichen Öffnung kommen ausländische Unternehmen auch aus
       Europa und den USA und werden zwangsläufig auch mit ihrer „dekadenten“
       Kultur das iranische Volk beeinflussen. Wenn die Islamische Republik die
       Feindschaft gegen den Westen aufgäbe, würde sie ihre Legitimation
       verlieren, argumentieren die Hardliner.
       
       Um eines klarzustellen: Die Islamisten sind nicht gegen technische
       Modernisierung, im Gegenteil. Sie haben aber immer noch nicht begriffen,
       dass technischer Fortschritt ohne gesellschaftliche und kulturelle
       Veränderungen, ohne Freiheit, nicht möglich ist. In der islamistischen
       Ideologie des Iran haben freie Wahlen keinen Platz. Zum Leidwesen der
       Hardliner sieht die iranische Verfassung aber freie Wahlen vor. Deshalb
       schränkt der erzkonservative Wächterrat in der Praxis schon bei der Vorwahl
       den Kreis der zugelassenen Kandidaten sehr stark ein. Denn der Wächterrat
       entscheidet darüber, wer für einen Sitz im Parlament und im Expertenrat
       oder auch für das Amt des Präsidenten „geeignet“ ist.
       
       Dieses Mal hat der Wächterrat noch rigoroser als sonst die Kandidaten
       ausgesiebt. Mehr als 90 Prozent der Reformer wurden als „unqualifiziert“
       abgelehnt. Der Rat folgte damit dem Standpunkt von Revolutionsführer
       Chamenei, der kürzlich vor den Amerikanern warnte, die in Iran einen Wandel
       herbeiführen wollten. „Sollten Eingeschleuste ins Parlament oder in den
       Expertenrat eindringen, werden sie wie Würmer an den Säulen der Islamischen
       Republik nagen“, sagte er. „Uns steht eine breite Front von Feinden
       gegenüber.“
       
       ## Nur 30 von 2.000 Reformern
       
       Gerade mal 30 von nicht weniger als 2.000 Reformkandidaten wurden als
       Kandidaten zugelassen, hat der Reformpolitiker Hossein Maraschi errechnet.
       Unter den 760 Politikern, die in der Hauptstadt Teheran antreten dürfen,
       sind nur vier kaum bekannte Reformer. „Nirgends in der Welt werden Leute,
       die gegen das Staatssystem sind, zu entscheidenden Gremien zugelassen“,
       rechtfertigte Chamenei die Ablehnungen.
       
       Rohani wird nicht müde zu fordern, dass die Wahlen in freier Atmosphäre und
       in einem fairen Wettbewerb stattzufinden hätten. Doch der Präsident weiß,
       dass seine Appelle abprallen werden. Wären die Wahlen tatsächlich frei,
       würden die Reformer wohl im Parlament die absolute Mehrheit erringen. Das
       ist allerdings jenseits der Realität. Die Wahlen in Iran sind und bleiben
       eine Farce.
       
       17 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bahman Nirumand
       
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