# taz.de -- Die Wahrheit: Leben als Schrippe
       
       > Transzendenz: Kommt Ihnen die Wiedergeburt 2016 bekannt vor? Ist alles
       > schon mal da gewesen – aber in einer anderen Form.
       
 (IMG) Bild: Dinkelbrötchen essen kein Fleisch und unternehmen aus eigenem Antrieb keine Flugreisen.
       
       Gute Nachrichten für alle, denen Umweltbewusstsein eine
       Herzensangelegenheit ist. Wer mit einem ökologischen Fußabdruck in der
       Größe 35 oder kleiner aus dem Leben scheidet, hat gute Chancen, als
       Dinkelbrötchen wiedergeboren zu werden. Davon geht zumindest der Verein
       „Lebbe geht weider e. V.“ aus, der gestern auf seiner wie jedes Mal leicht
       verspäteten Jahrespressekonferenz in Berlin seine große Trendprognose für
       2016 vorgestellt hat. Es dauert eben immer ein wenig, bis sich alle
       Mitglieder darauf geeinigt haben, was passieren wird.
       
       Gregor Samsara ist der Pressesprecher dieser größten Organisation für
       Wiedergeburt im deutschsprachigen Raum. Er erklärt: „Ein Dinkelbrötchen ist
       schon beinahe der vollkommene Zustand, wenn es darum geht, das kosmische
       Gleichgewicht nicht zu zerstören. Dinkelbrötchen essen kein Fleisch. Sie
       unternehmen aus eigenem Antrieb keine Flugreisen. Außerdem benutzen sie
       niemals Quadbikes und werfen nicht mit abgereichertem Uran herum. Wenn sich
       alle Menschen vom Dinkelbrötchen eine Scheibe abschneiden würden, wären
       zwar nur noch ein Krümel übrig, aber der Planet wäre gerettet. Und viel
       mehr als das.“
       
       Dinkel, das ist das jahrtausendealte Akronym für „Dort im Nirwana Karma
       erleuchtet Leben“. Wer bereit ist, den Weg des Dinkels zu gehen, und auf
       Zehenspitzen durchs Leben trippelt, um die empfindliche Haut von Mutter
       Erde nicht zu beschädigen, der kann gleich ein paar Entitäten minderer
       Klarheit überspringen.
       
       „Von Mensch auf Dinkelbrötchen in nur einem Lebenszyklus, das ist ein
       riesiger Ansporn für alle, die vom alten Raus-Reinkarnations-Spiel ein für
       alle mal genug haben. Als Dinkelbrötchen kann man die Erleuchtung quasi
       schon sehen.“
       
       ## Sternbild Rettich, Aszendent Topinambur
       
       Bis jetzt wird eine zielgerichtet nachhaltige Lebensweise nur von der Karma
       Ersatzkasse mit einer Beitragsrückerstattung belohnt. Dort ist man
       insgesamt sehr aufgeschlossen. Mitglieder können kostenlos zum
       Wiedergeburtsvorbereitungskurs, Seelenwanderwochenenden sorgen für
       Geselligkeit und Entspannung. Die meisten anderen Krankenkassen zögern
       allerdings noch. „Weiß die Gaia, warum sie das tun“, sagt Samsara. „Eine
       Seele, die ins Nirwana eingegangen ist, ist der beste Weg, die
       Kostendämpfung im Gesundheitswesen voranzutreiben.“
       
       Es gibt viele Wege, seinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, zum
       Beispiel einfach mal das Auto stehen lassen und mit der Rikscha fahren.
       Aber vegetarisch und vegan, das sind die großen, langfristigen Trends,
       deren Höhepunkt auch 2016 noch nicht erreicht ist, wie Samsara erklärt:
       „Das Dinkelbrötchen ist da nur ein schillerndes Detail.“ Eine Arbeitsgruppe
       bei „Lebbe geht weider e. V.“ entwickelt gerade vegane Sternzeichen. Viele
       der Mitglieder wollen nicht Fisch und nicht Fleisch, also sollen Widder,
       Stier, Steinbock, Löwe und natürlich Fische durch Gemüse ersetzt werden.
       „Sternbild Rettich, Aszendent Topinambur, das ist gelebte Demut vor der
       Schöpfung“, sagt Samsara. „In Zeiten, in denen eine Geschlechtsumwandlung
       eine Routinemaßnahme ist, sollte es doch möglich sein, das Sternzeichen zu
       wechseln.“
       
       Wiedergeburt, das ist ein basales Bedürfnis des Menschen. „Man muss die
       Zeichen nur zu lesen wissen“, ist sich der Pressesprecher sicher. „Dieser
       Recyclingboom, dazu Retrotrends in Musik und Mode, Sequels, Prequels und
       Remakes bei Filmen und dazu noch die ganzen Wiederholungen im Fernsehen.
       Sie glauben doch nicht im Ernst, dass das alles Zufälle sind. Das Leben
       gibt dir so viele Chancen wie du brauchst. Und eine wirst du schließlich
       nutzen.“ In der Patientenverfügung sollte man unbedingt eine Beerdigung im
       Tropenholzsarg ausschließen, erläutert Samsara: „Nicht dass man sich auf
       der Zielgeraden noch die Ökobilanz versaut.“
       
       ## Beihilfe in der Brotbox
       
       Der Seele, die heute in Gregor Samsara zu Hause ist, wurde übel
       mitgespielt. Sie war war bereits zum Dinkelbrötchen aufgestiegen, aber dann
       kam alles ganz anders. „Ich war in der Brotbox eines Ingenieurs bei VW“,
       erinnert sich Samsara mit der tiefen Gelassenheit, die man ausstrahlt, wenn
       man seit 2.000 Jahren seine Runden dreht. „Einer von denen, die, na ja, Sie
       wissen schon . . . Der hat bei diesen Abgasmanipulationen seine Finger im
       Spiel gehabt. Und während er sein schmutziges Handwerk besorgte, machte ich
       ihn satt, stärkte ihn, gab ihm Nahrung.“
       
       Karmatechnisch gesehen war das Beihilfe. Samsara stellt sich der neuen
       Herausforderung, und er bleibt Realist. „Nach diesem Patzer wird es sicher
       nicht gleich zum Dinkelbrötchen reichen, ich wäre schon zufrieden, wenn ich
       in meinem neuen Leben eine Rüblitorte werde.“
       
       1 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rob Alef
       
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