# taz.de -- Biologin über patentiertes Gemüse: „Die ganze Ernährung ist betroffen“
       
       > Mit dem Saatgut einer patentierten Tomate kann ein Bauer nicht
       > weiterzüchten, sagt Biologin Ruth Tippe. Die Politik müsse auf das
       > Europäische Patentamt einwirken.
       
 (IMG) Bild: Bald mit Copyright? Tomaten.
       
       taz: Frau Tippe, das Europäische Patentamt will eine Tomate patentieren.
       Was ist daran problematisch? 
       
       Ruth Tippe: Diese Tomate ist ganz konventionell, wie eh und je, gezüchtet
       worden. Das ist keine Erfindung, es ist bekannt, wie man Pflanzen züchtet.
       Es dürfte niemals so sein, dass eine gezüchtete Pflanze patentiert wird.
       
       Warum nicht? 
       
       Für solche Pflanzen gibt es den Sortenschutz. Der gibt dem Züchter auch ein
       gewisses Monopol, er kann das Saatgut für ein erhöhtes Entgelt verkaufen.
       Aber jede Sorte, die auf dem Markt ist, kann von Bauern oder Züchtern
       verwendet werden, um damit weiterzuzüchten. Das Patentrecht verhindert das.
       Das halten wir für ganz falsch, denn gerade bei Saatgut ist es wichtig,
       dass die Entwicklung weitergeht, dass mit den vorhandenen Pflanzen und
       Tieren weiter gearbeitet wird. Davon lebt die Landwirtschaft seit Tausenden
       von Jahren.
       
       Was ist der Unterschied zwischen Sortenschutz und Patentrecht? 
       
       Der Patentschutz ist ein geschlossenes System, der Sortenschutz ist offen.
       
       Ein Bauer könnte doch auch ein Patent auf eine eigene Züchtung anmelden … 
       
       … dafür hätte er niemals das Geld. Das Verfahren ist langwierig und teuer.
       Das Patentrecht ist nur etwas für die Großen und sorgt für eine
       Monopolisierung der Züchtung bei wenigen großen Konzernen.
       
       Definiert das Patentamt seinen Handlungsspielraum zu weit? 
       
       Ja. Das Züchten von Pflanzen und Tieren ist nicht patentierbar, sagt das
       Patentamt. Aber die gezüchteten Pflanzen sind doch patentierbar, und damit
       ist das Verbot, das davor ausgesprochen wurde, null und nichtig. Denn wenn
       die Pflanze patentiert ist, ist letztlich auch das Verfahren betroffen.
       
       Wie viele patentierte Pflanzen gibt es denn schon? 
       
       Etwa tausend Salat-, Gemüse- und Obstsorten, außerdem auch Getreidesorten.
       Unsere ganze Ernährung ist betroffen.
       
       Auch Tiere? 
       
       Da gibt es deutlich weniger Patente, weil der Widerstand der Bevölkerung
       und der Bauern gegen patentierte Tiere deutlich größer ist.
       
       Wer kann das Amt stoppen? 
       
       Nur die Politik. Im Verwaltungsrat des Europäischen Patentamtes sitzen
       Vertreter der 38 Mitgliedsländer, auch aus Deutschland. Der Verwaltungsrat
       könnte die Auslegung der gesetzlichen Grundlage des Patentamtes verändern.
       Der Justizminister Heiko Maas muss also den deutschen Abgesandten anweisen,
       in diesem Gremium für eine andere Auslegung zu streiten.
       
       9 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Holdinghausen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Europäisches Patentamt
 (DIR) Saatgut
 (DIR) Gemüse
 (DIR) Patente
 (DIR) Pflanzen
 (DIR) Patente
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Schwerpunkt Gentechnik
 (DIR) Gemüse
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Patente auf Braugerste: Skandal im Bierbezirk
       
       Carlsberg und Heineken haben sich natürliche Braugersten patentieren
       lassen. Das sollte laut EU-Kommission gar nicht möglich sein.
       
 (DIR) Saatgut mit Open-Source-Lizenz: Tomatenanbau ohne Konzerne
       
       Sunviva ist eine Tomate ohne Eigentumsrechte. Die Entwickler*innen hoffen,
       langfristig eine Konkurrenz für die großen Konzerne zu werden.
       
 (DIR) Gentech-Food durch die Hintertür: Gentechnik reloaded
       
       Mit neuen Entwicklungen versucht die Industrie, ihre Gentech-Früchte doch
       auf den Teller zu bringen. Die Verbraucher sollen davon nichts merken.
       
 (DIR) Erfinderschutz auf Pflanzen: Brokkoli mit Patent
       
       Lange wartete man auf die Entscheidung des Europäischen Patentamts. Und nun
       das: Die Behörde wird weiter Erfinderschutz auf Pflanzen erteilen.
       
 (DIR) Großanlage nimmt Betrieb auf: Biodiesel mit weniger Nebenwirkungen
       
       Auf "Biokraftstoffen der zweiten Generation" ruhen die Hoffnungen von
       Industrie und Politik. Im sächsischen Freiberg hat die erste Großanlage den
       Betrieb aufgenommen.