# taz.de -- Kolumne Der rote Faden: Popcorn für die rechten Zirkuspferde
       
       > Waffen sollen in den USA Vergewaltiger stoppen, Polizisten harmlose
       > Schüler – und am Ende sind sowieso die linken Medien an allem schuld.
       
 (IMG) Bild: Schön in Reih und Glied, die Dressurprüfung kann beginnen – die republikanischen Präsidentschaftsbewerber am Mittwoch in Colorado.
       
       Der Campus der University of Berkeley ist ein idyllischer Ort. Von alten
       Bäumen umgeben, winden sich schön gepflegte Gehwege an den
       Fakultätsgebäuden vorbei. Vor den Läden, die typisch US-amerikanische
       College-Devotionalien verkaufen – Kapuzenpullover, Baseballcap, Jogginghose
       – sitzen Studentenorganisationen und rekrutieren Erstsemester. Auf den
       Bänken vor den Gebäuden wird gleichzeitig mit drei Tablets und zwei
       Smartphones mit der Welt kommuniziert. Das Studentenleben, eine Blase.
       
       Mitten in dieser Blase hängen an den Masten der Straßenlaternen auffällig
       viele Plakate. „Es ist an mir, dafür zu sorgen, dass die Regeln der
       Universität verbessert werden, und sicherzustellen, dass Überlebenden
       geglaubt wird, Täter zur Verantwortung gezogen werden und eine
       Vergewaltigungskultur nicht toleriert wird.“ Darüber ein Bild von Jill
       Bakehorn, Dozentin der Soziologie.
       
       Zwei Laternen weiter ein anderer Kollege, ein anderes Zitat, die gleiche
       Botschaft: Sexuelle Übergriffe werden nicht toleriert, Diskriminierung ist
       inakzetabel. Eine Selbstverständlichkeit? Auf jedem der Poster steht der
       Link [1][zu einer Webseite der Universität], „Survivor Support“
       (Überlebende unterstützen) heißt sie und soll Opfern Hilfe bieten. Zwei
       Schritte neben einem der Plakate steht eine Notrufsäule. Geschützter Raum
       Universität? Eine Illusion.
       
       Während die University of California auf eine klassische
       Aufmerksamkeitskampagne setzt, gibt es in den USA stets auch eine andere
       Antwort auf die Frage, wie sich StudentInnen vor Übergriffen schützen
       können: mit Waffen. Die sind an Universitäten eigentlich verboten.
       
       ## Die Pistole im Rucksack
       
       Aber wenn schon im harmlosen Berkeley Plakate hängen, um vor dem Bösen zu
       warnen, warum dann nicht das Verbot von Waffen kippen? Im eher liberalen
       Kalifornien ist das noch kein Thema, doch in Florida gibt es seit diesem
       Monat wieder Bestrebungen, den Studenten zu erlauben, in ihrem Rucksack
       neben dem Computer auch eine Waffe bei sich zu tragen. Damit kann der
       Vergewaltiger wie der Amokläufer leicht in Schach gehalten werden.
       
       Was für eine brillante Idee Aufrüstung an Schulen ist, hat sich in dieser
       Woche an einer Highschool in South Carolina gezeigt. Eine Schülerin störte
       den Unterricht und sollte die Klasse verlassen, weigerte sich aber. Kein
       Problem für die „Spring Valley High“, Polizisten sind vor Ort, ein Beamter
       soll die Schülerin „entfernen“.
       
       Wäre es nicht schon absurd genug, die Polizei in eine derartige
       Alltagssituation einzubeziehen, lässt sich [2][der Beamte dabei filmen],
       wie er das Mädchen übermäßig aggressiv angreift, vom Stuhl zieht und zu
       Boden reißt. Der Polizist ist weiß, das Mädchen schwarz. Die Folge: ein
       Aufschrei auf Twitter, Hashtag [3][#AssaultAtSpringValleyHigh], nationale
       Medienberichterstattung und schließlich die Nachricht, dass der Polizist
       gefeuert werde.
       
       Seit vor über einem Jahr der junge schwarze Michael Brown in Ferguson von
       der Polizei erschossen wurde, vergeht kaum eine Woche ohne eine Nachricht
       von Übergriffen, Angriffen, Diskriminierung. Aggressivität dominiert, auf
       Seiten der Täter sowieso, aber auch auf Seiten der Behörden. [4][Wer einen
       muslimischen Jungen, der eine Uhr bastelt, zum Bombenbauer macht] und eine
       Schülerin grundlos zu Boden reißt, hat jegliches Maß verloren.
       
       Doch die Gesellschaft scheint nur eine Art des Umgangs damit zu finden:
       Entsetzen, Trauer, Schuldzuweisungen und dann die Rückkehr zur Normalität.
       Was fehlt, ist die Auseinandersetzung mit den Ursachen und eine wirkliche
       Debatte. Ob die Plakate in Berkeley eine Debatte auslösen? Auf jeden Fall
       ist es der Versuch, nicht erst Aufmerksamkeit zu erreichen, wenn es zu spät
       ist.
       
       ## Carly Fiorina und die Fakten
       
       Aufmerksamkeit erreichten in dieser Woche auch wieder die Zirkuspferde der
       Republikaner bei ihrem dritten Fernsehduell. Jeb Bush schwächelt und weiß
       sich nicht besser zu helfen, als Marco Rubio vorzuwerfen, als Senator nicht
       oft genug im Senat anwesend zu sein. Da könnte man vielleicht für den
       frisch gefeuerten Polizisten aus South Carolina ein neues Betätigungsfeld
       finden, disziplinarische Maßnahmen kann er ja gut.
       
       Die einzige Kandidatin, Carly Fiorina, kriegt die Fakten nicht auf die
       Reihe und reiht sich damit perfekt bei ihren männlichen Mitstreitern ein,
       allen voran Donald Trump, der Fakten ja gern mit seinem „Ich bin reich und
       regel das“-Gerede wegwischt. Einig waren sich die Kandidaten nur in einem
       Punkt: Die Medien sind an allem schuld. Also die „linken“
       Mainstream-Medien, nicht „Fox News“. Da macht es Sinn, dass noch acht
       weitere TV-Duelle geplant sind. Acht Chancen, Inhalte nach vorn zu stellen?
       Netter Versuch. Aber hey, Popcorn für alle. Unterhaltung muss sein.
       
       31 Oct 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://survivorsupport.berkeley.edu/
 (DIR) [2] http://twitter.com/ajplus/status/659021716937576448
 (DIR) [3] http://twitter.com/search?q=%23AssaultAtSpringValleyHigh&src=typd
 (DIR) [4] /Terrorfehlalarm-in-Texas/!5230849
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rieke Havertz
       
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