# taz.de -- Nobelpreis für Medizin: Der Kampf gegen Parasiten
       
       > Drei WissenschaftlerInnen teilen sich den Medizinnobelpreis. Sie haben
       > Medikamente gegen armutsinduzierte Krankheiten entwickelt.
       
 (IMG) Bild: Die chinesische Professorin Tu Youyou (li.) mit einer Kollegin im Labor.
       
       Mit der Verleihung des [1][“Nobelpreises für Medizin und Physiologie“] hat
       das Komitee ein Zeichen gesetzt. Die drei ausgezeichneten
       WissenschaftlerInnen befassen sich mit der Bekämpfung von meist
       armutsinduzierten Krankheiten, für die sie wichtige Therapien entwickelt
       haben. Es handelt sich jeweils um Erkrankungen, die in den
       Industrienationen seit Langem keine Rolle mehr spielen. Während in der
       Ersten Welt Zivilisationsfolgeschäden wie Diabetes im Fokus stehen, sterben
       in den Tropen noch heute Hunderttausende an durch Parasiten übertragenen
       Krankheiten wie Malaria.
       
       Der mit 850.000 Euro dotierte Preis geht zur Hälfte an Youyou Tu (84) und
       damit zum ersten Mal nach China. Die Pharmakologin Tu hat auf Basis des in
       der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) gegen Fieber eingesetzten
       Krauts „Einjähriger Beifuß“ (Artemisia annua) ein wirksames Mittel gegen
       Malaria entwickelt. Sie bekam den Geheimauftrag für die Entwicklung des
       Medikaments 1967 von der chinesischen Regierung, die auf die vielen
       Malariafälle in Nordvietnam reagierte.
       
       Von der Isolierung des Wirkstoffs Artemisinin in den 1970ern, den Tu zuerst
       an sich selbst testete, bis zum Einsatz eines Medikaments aus
       Artemisinin-Abkömmlingen vergingen rund 30 Jahre. Das Komitee betonte
       ausdrücklich, das nicht die TCM, sondern die Entwicklung eines neuen
       Medikaments mit einem umfassenden Nutzen für die Menschheit ausgezeichnet
       wurde. Tu ist erst die zwölfte Frau der 106 Ausgezeichneten in der
       Kategorie Medizin und Physiologie (1901–2015).
       
       Die Nutzung tradierter Verfahren beziehungsweise der in ihnen angewendeten
       Wirkstoffe in der modernen Medizin bietet große Chancen. In den letzten
       Jahren wurden – wie etwa in Indien – Anstrengungen unternommen, solches
       Wissen unter eine Art Patentschutz zu stellen, um so zu verhindern, dass
       nur die großen Pharmakonzerne das Geschäft machen.
       
       Seit dem Einsatz des Mittels ist die Anzahl der Malaria-Toten in den
       letzten Jahren um die Hälfte gesunken. Trotzdem sterben weltweit noch immer
       rund 500.000 Menschen an der Krankheit – mehr als die Hälfte davon Kinder.
       Die Weltgesundheitsorganisation WHO gibt an, dass auch heute nur eines von
       fünf Kindern ausreichend mit Malaria-Medikamenten versorgt wird.
       
       Der Ire William C. Campbell (85) und der Japaner Satoshi Mura (80) von der
       Universität Tokio teilen sich die zweite Hälfe des Nobelpreises für ihre
       Errungenschaften im Kampf gegen die Flussblindheit und das
       „Elefantenmensch-Syndrom“, die von Fadenwürmern übertragen werden. Campbell
       arbeitete, als er 1979 seine Entdeckung machte, für ein Forschungsinstitut
       des US-Pharmakonzerns MSD in den Vereinigten Staaten.
       
       Er isolierte aus dem Bodenbakterium Streptomyces avermitilis den Stoff
       Avermectin. Mura, Mikrobiologe sowie Chemiker und Pharmakologe, sorgte im
       Labor des Kitasato-Instituts in Tokio für die Vermehrung lebender
       Bakterienkulturen.
       
       ## Wikstoff gegen Fadenwürmer
       
       Ivermectin, ein Abkömmling des Avermectin, wird seit den achtziger Jahren
       gegen Infektionen durch Fadenwürmer eingesetzt. Vor allem die durch
       Onchocerca volvulus ausgelöste und von Stechmücken, die an Fließgewässern
       wohnen, übertragene Flussblindheit, kann so bekämpft werden. Epidemiologen
       stellten fest, dass in Teilen Westafrikas in den 1970ern rund 60 Prozent
       der Bevölkerung an der Krankheit litten, von denen 10 Prozent bereits
       erblindet waren.
       
       Das „Elefantenmensch-Syndrom“ ist eine Krankheit, bei der verschiedene
       Körperteile massiv anschwellen, was die Betroffenen in die soziale und
       berufliche Isolation treibt.
       
       Armutsinduzierte Krankheiten wie Malaria, Flussblindheit oder Elefantiasis
       führen dazu, das Menschen auch fruchtbare Gebiete verlassen und so ganze
       Landstriche in Afrika veröden. In Südamerika ist die Lage hingegen deutlich
       besser: Heute ist Elefantiasis in Mexiko, Kolumbien und Ecuador
       ausgerottet. Bis 2020 will die WHO Flussblindheit und Elefantiasis weltweit
       besiegt haben.
       
       8 Oct 2015
       
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