# taz.de -- Abgasskandal bei VW: Krcks, quietsch, Totalschaden
       
       > Laut internen Prüfungen ist die Manipulationssoftware von VW in rund elf
       > Millionen weiteren Dieselfahrzeugen eingebaut. Der Konzern muss seine
       > Gewinnziele kappen.
       
 (IMG) Bild: Aua! Was grade bei VW passiert, tut nicht nur den Autos weh
       
       Berlin/Brüssel/Rom/ rtr/dpa | Volkswagen kappt wegen der Affäre um
       manipulierte Abgaswerte in den USA seine Gewinnziele. Für Service-Maßnahmen
       und weitere Schritte, um verlorenes Vertrauen in die VW-Technik
       zurückzugewinnen, legt der Konzern im dritten Quartal rund 6,5 Milliarden
       zur Seite.
       
       Bei internen Prüfungen kam zudem heraus, dass die betreffende
       Steuerungssoftware, mit der in den USA die Abgaswerte manipuliert wurden,
       auch in anderen Dieselfahrzeugen des Konzerns vorhanden ist. VW geht davon
       aus, dass weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen sind.
       
       Bei der Mehrheit habe das Programm keinerlei Auswirkungen. Bei einem
       bestimmten Motortyp sei jedoch „eine auffällige Abweichung zwischen
       Prüfungswerten und realem Fahrbetrieb“ festgestellt worden. Das Unternehmen
       stehe dazu in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem deutschen
       Kraftfahrtbundesamt. Neben den USA wollen Deutschland, Südkorea, die
       Schweiz und Frankreich Dieselfahrzeuge auf Manipulationen untersuchen.
       
       Die Aktie nahm ihre Talfahrt wieder auf. Bis zum Mittag schmierte das
       Papier an der Frankfurter Börse erneut mehr als 20 Prozent ab. Bereits am
       Vortag hatte VW an der Börse fast ein Fünftel seines Werts verloren. Damit
       büßte der Konzern seit Bekanntwerden des Abgasskandals knapp 27 Milliarden
       Euro an Börsenwert ein. Dies entspricht in etwa der gesamten
       Marktkapitalisierung der Münchener Rück, des weltgrößten Rückversicherers.
       
       ## USA, Deutschland und Italien ermitteln
       
       Mit den nun veröffentlichten Details wird klar, dass die Affäre viel
       größere Ausmaße hat als bislang bekannt. Seinen Ausgang hatte der Fall in
       den USA. Die dortige Umweltschutzbehörde EPA verdächtigt VW, bei
       zahlreichen Dieselfahrzeugen die Abgasvorschriften durch eine bestimmte
       Steuerungssoftware vorsätzlich umgangen zu haben. Dort geht es um fast eine
       halbe Million Autos. Für Volkswagen könnte dies nach Angaben der Behörde
       eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar nach sich ziehen. Hinzu kommen
       Schadensersatzklagen und Kosten für Rücknahme unverkäuflicher Fahrzeuge in
       den USA. In den USA hat das Justizministerium Medienberichten zufolge
       strafrechtliche Ermittlungen gegen VW eingeleitet.
       
       Auch in Deutschland bereiten Anleger Klagen vor. Und Italien werde eigene
       Ermittlungen gegen den Wolfsburger Autokonzern einleiten, teilte das
       Verkehrsministerium in Rom am Dienstag mit. Man wolle herausfinden, ob das
       Unternehmen wie in den USA auch in Europa bei Emissionsüberprüfungen die
       Dieselabgaswerte manipuliert habe. Es sei ein entsprechendes Schreiben mit
       Fragen an Volkswagen geschickt worden.
       
       Die Abgas-Affäre von VW ruft auch die EU-Kommission auf den Plan. Man sei
       mit dem Wolfsburger Autobauer ebenso in Kontakt wie mit Behörden in den
       USA, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am Dienstag. Es sei aber
       zu früh, um Schlüsse zu ziehen. Zunächst gehe es darum, die Fakten zu
       klären. Die EU-Kommission verwies darauf, dass ab 2016 in der EU ein neues
       Messverfahren (RDE) zur Ermittlung der CO2-Emissionen und des
       Kraftstoffverbrauchs von Pkws eingeführt werden soll. Die EU setze die
       Grenzwerte und die Verfahren fest, für die Umsetzung der Regeln seien die
       Mitgliedsländer verantwortlich, betonte die Sprecherin.
       
       ## „Wir haben es völlig verbockt“
       
       Vor allem der Vertrauensverlust dürfte dem Konzern schwer zu schaffen
       machen. VWs US-Chef Michael Horn bat öffentlich um Verzeihung. Volkswagen
       sei unehrlich zu den Umweltbehörden und seinen Kunden gewesen, sagte der
       Manager in New York. „Wir haben es völlig verbockt.“ VW müsse die Fahrzeuge
       reparieren und dafür sorgen, dass dies nie wieder geschehen könne. Die
       Manipulation von Abgaswerten widerspreche allen Grundsätzen des
       Unternehmen. Auch Konzernchef Martin Winterkorn hatte sich öffentlich für
       das Vorgehen in den USA entschuldigt.
       
       Nach Auffassung von Aufsichtsratsmitglied Olaf Lies wird die Affäre am Ende
       auch personelle Konsequenzen haben. Zunächst sei jedoch eine gründliche
       Aufklärung nötig, damit VW das verlorene Vertrauen wiedergewinnen könne,
       sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister im Deutschlandfunk. „Ich
       glaube, mit übereilten Forderungen nach Rücktritten haben wir doch das
       Problem nicht gelöst und das verlorengegangene Vertrauen nicht
       wiedergewonnen.“
       
       Das Präsidium des Aufsichtsrats des Wolfsburger Autokonzerns will sich am
       Mittwoch in einer Krisensitzung mit den Vorwürfen aus den USA befassen. Das
       Gremium, in dem neben dem amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden Berthold
       Huber und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil auch
       Betriebsratschef Bernd Osterloh und Wolfgang Porsche als Vertreter der
       Eignerfamilien Porsche und Piëch sitzen, soll die Aufsichtsratssitzung am
       Freitag vorbereiten. Der Aufsichtsrat soll über eine vorzeitige
       Vertragsverlängerung von Winterkorn um zwei Jahre bis Ende 2018 beraten.
       Insider bezweifeln, dass dies wegen des Skandals ohne Weiteres möglich sein
       wird.
       
       ## Muss VW-Chef Winterkorn gehen?
       
       Niedersachsens ehemaliger Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) fordert wegen
       des Dieselskandals eine Verschiebung der Vertragsverlängerung für VW-Chef
       Martin Winterkorn. „Solange nicht lückenlos aufgeklärt ist, wer im Konzern
       von den Manipulationen wusste und vom wem sie angeordnet wurden, sollte
       hier keine Entscheidung gefällt werden“, sagte Bode, der selbst von 2009
       bis 2013 Mitglied des VW-Aufsichtsrates war, am Dienstag in Hannover.
       
       Sollte sich im Laufe der Untersuchungen herausstellen, dass die
       Konzernspitze in die Manipulationen verwickelt war, wäre eine anschließende
       Trennung vom Vorstandschef angesichts der Vertragslage ein weiterer
       finanzieller Schaden für VW, betonte Bode. Um den Dieselskandal
       aufzuklären, müsse zudem schnell ein „unabhängiger Chefaufklärer“
       eingesetzt werden.
       
       Wirtschaftsforscher befürchten durch die Affäre gravierende Folgen für die
       gesamte deutsche Wirtschaft und halten Arbeitsplatzverluste für möglich.
       „Der Imageschaden wird VW nicht nur in den USA, sondern auch global teuer
       zu stehen kommen“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für
       Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, der Bild-Zeitung. Damit seien auch
       Jobs bei VW und vielen Zulieferern in Deutschland gefährdet. Die möglichen
       Strafzahlungen für VW seien „noch das geringste der Probleme“.
       
       22 Sep 2015
       
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