# taz.de -- Homosexualität unter Katholiken: Psst! Vielleicht sind es 40 Prozent
       
       > Niemand weiß genau, wie groß der Anteil Homosexueller unter den
       > katholischen Geistlichen ist. Der Geheimhaltungsdruck ist enorm.
       
 (IMG) Bild: Die Farben der Homosexuellen können doch sehr schmückend sein: Geistliche Statue in Portland, Oregon
       
       Berlin taz | Auf dem ersten Blick ist alles ganz einfach: In der Bibel wird
       Homosexualität – vor allem unter Männern, Frauen sind nicht wirklich im
       Blick – als Sünde und Verirrung bezeichnet. Gerade christliche
       Fundamentalisten verweisen gern auf einschlägige Bibelstellen im Alten und
       Neuen Testament: zum Beispiel Genesis 19, 1–29, Römerbrief 1,24–27, Erster
       Brief des Paulus an die Korinther 6,9–10 oder dessen erster Brief an
       Timotheus 1,10.
       
       Wer allerdings genau liest, erkennt Differenzierungen. Im ersten
       Korinther-Brief etwa ist von „Knabenschändern“ die Rede, nicht von
       gleichberechtigter Sexualität unter Männern. Auch in der Geschichte von Lot
       in Sodom (Genesis, Kapitel 19) geht es nicht um einvernehmliche
       Homosexualität, sondern um Vergewaltigung als Terrormaßnahme. Übrigens ist
       es da egal, ob die Opfer Frauen oder Männer sind.
       
       Der Katechismus der katholischen Kirche verweist gleichwohl auch auf diese
       Stellen, wenn er homosexuelle Handlungen verurteilt: „Sie verstoßen gegen
       das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim
       Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren
       affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem
       Fall zu billigen.“
       
       Die katholische Lehre wird jedoch dadurch etwas aufgeweicht, dass der
       Katechismus, also die festgeschriebene Glaubensdoktrin, betont,
       Homosexuelle hätten ihre „Veranlagung nicht selbst gewählt“.
       
       ## Kirchliche Dämonisierung
       
       Ganz im Sinne von Papst Franziskus wird gefordert: „Ihnen ist mit Achtung,
       Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise
       ungerecht zurückzusetzen.“ Ihre Homosexualität leben aber sollten Schwule
       und Lesben nicht: „Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen“,
       heißt es lapidar im Katechismus. Und dadurch sind Verdrängung und Lüge Tor
       und Tür geöffnet.
       
       Das gilt nicht zuletzt für homosexuelle Männer in der Kirche selbst. Ihre
       Zahl ist schwer zu schätzen, da der Zölibat Priestern sowieso sexuelle
       Handlungen verbietet. Seriöse Wissenschaftler nehmen an, dass etwa 40
       Prozent aller Geistlichen in der katholischen Kirche schwul sind. Der
       schwule katholische Theologe Daniel Bühling, der 2013 seine Erfahrungen in
       verschiedenen deutschen Priesterseminaren in einem Buch veröffentlicht hat,
       spricht von schwulen Sexorgien, aber auch von dem Druck, die eigenen
       Sexualität geheim halten zu müssen.
       
       Der einst gerade in rechten Kreisen herumgereichte Theologe, Autor und
       Journalist David Berger hat vor ein paar Jahren erlebt, was passiert, wenn
       man sich als Schwuler in der katholischen Kirche outet: Er verlor seinen
       Job und musste beruflich ganz neu anfangen. Berger meint, „dass in der
       katholischen Kirche selbst ganz viele schwule Priester leben, die mit ihrem
       eigenen Schwulsein große Probleme haben, auch aufgrund der kirchlichen
       Dämonisierung von Homosexualität über die letzten Jahrzehnte“.
       
       4 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Gessler
       
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