# taz.de -- Crowd-Projekt „Refugee Phrasebook“: „Mein Kind hat Hunger“
       
       > Die wichtigsten Sätze für Geflüchtete in 30 Sprachen: Das Refugee
       > Phrasebook soll die Kommunikation erleichtern. Viral verbreitet es sich
       > in Europa.
       
 (IMG) Bild: Überwindet Sprachbarrieren: ein Übersetzer am Bahnhof Passau
       
       Sie können Kleider und Lebensmittel spenden und sammeln, in Unterkünften
       aushelfen, sich um die Kinder und Jugendliche kümmern, Rechtsberatung
       anbieten, Deutsch unterrichten und mit besorgten Nazis im Netz diskutieren
       – oder Sie füttern das [1][“Refugee Phrasebook“], das Projekt der
       Organisation Berlin Refugee Help. Es unterstützt Flüchtlinge und Helfer mit
       Vokabeln und Phrasen.
       
       In derzeit rund 30 Sprachen stehen darin Floskeln zur Verständigung,
       wichtige Sätze für die medizinische Versorgung und juristische Bausteine
       für die Behörden. Das Besondere daran: Es wurde mit einem viralen Kraftakt
       im Netz erschaffen – ohne Geld, Verlag oder Druckerei.
       
       An Schengener Grenzen und großen Bahnhöfen fehlt es in diesen Tagen vor
       allem an Worten. Erste Bausteine für einen Dialog zwischen Flüchtlingen und
       Helfern hat deshalb eine Gruppe Freiwilliger online gestellt. Was mit einem
       leeren Google Doc Sheet begann, explodierte binnen weniger Tage [2][auf
       Facebook]. Heute stehen 300 Einträge in je rund 30 Sprachen in der
       Vokabeltabelle. Und täglich kommen weitere Einträge hinzu. Auf Deutsch,
       Englisch, Arabisch, Armenisch, Urdu, Tigrinya, Farsi.
       
       Der erste Blick in die losen Seiten des Phrasebook wirkt zunächst wie das
       letzte Kapitel eines Reiseführers. Grundlegende Kommunikationsfetzen sind
       dort in allen möglichen Sprachen aufgelistet: „Hallo“, „Guten Abend“, „Ich
       heiße“. Zahlen und Tage. Ein paar Zeilen später folgt der feine
       Unterschied. Statt „Wie viel kostet das Kleid?“ und „Fahren Sie uns bitte
       zum Flughafen“ werden dort ganz andere Phrasen übersetzt: „Mein Kind hat
       Hunger.“ „Wir brauchen Schlaf.“ „Ich wurde vergewaltigt.“
       
       Mittlerweile gibt es vorgefertigte Versionen für Flüchtlinge und Helfer in
       Deutschland sowie für die Grenzen von Ungarn und Griechenland. Eine Gruppe
       von Ärzten hat eine medizinische Variante ausgearbeitet, eine juristische
       Version mit Behördenfloskeln ist momentan in Arbeit. Das Phrasebook wächst
       und schon jetzt kann die Gruppe gar nicht mehr benennen, welche und wie
       viele Leute insgesamt diesen Kraftakt geschultert haben.
       
       ## Schwarmintelligenz und Hybrid Publishing
       
       Da gab es jemanden, der die Website gestaltet hat, auf der sich jeder sein
       individuelles Wörterbuch zusammenstellen kann. Andere haben sich darum
       gekümmert, einen Übersetzer für Paschtu zu finden. Wieder andere haben
       geholfen, Spenden zu sammeln für den Druck einiger Ausgaben, die an der
       ungarischen Grenze verteilt werden. Es gibt dabei keine editorische
       Kontrolle, keine Autorenschaft, kein Copyright. Fehler sollen im Dunst der
       Schwarmintelligenz von allein verschwinden, wie bei der Online-Enzyklopädie
       Wikipedia.
       
       Situationen, in denen auf die Schnelle viele Phrasebooks gebraucht werden,
       lösen sich via Hybrid Publishing: Dann springen solidarische Verlage,
       Universitäten, Firmen und Privatleute ein, um vor Ort ein paar hundert oder
       tausend Ausgaben zu drucken. Auf griechischen Inseln, am Wiener
       Hauptbahnhof, sogar nach Calais hat es die virale Vokabeltabelle geschafft.
       In Kroatien arbeitet selbst die Polizei mit ihr.
       
       Am schnellsten verbreitet sich das Projekt jedoch digital als Wikibook im
       Netz. So kann es jeder frei verwenden, erweitern, zusammenstellen, drucken,
       auf A5 falten, abheften und verteilen. Das spart Kosten und Wege,
       insbesondere, wenn Sprachbarrieren schnell überbrückt werden müssen.
       
       Nun wird überlegt, das Refugee Phrasebook als App aufs Smartphone zu
       bringen. Es geht schließlich immer noch ein bisschen simpler und schneller.
       
       1 Oct 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.refugeephrasebook.de
 (DIR) [2] https://www.facebook.com/groups/refugeephrasebook/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Brandstädter
       
       ## TAGS
       
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