# taz.de -- Wasserdichter Retro-Charme: Marketing mit Legende
       
       > Heute stellt Borgward ein neues Auto vor: Die Firma belebt einen
       > Bremen-Mythos, hat aber mit der Stadt nichts am Hut
       
 (IMG) Bild: Das alte Logo und der Oldtimer sollen die Blicke auf den neuen Borgward ziehen.
       
       Es ist ein SUV geworden, soviel steht schon fest. Eine Art Geländewagen für
       die gehobene Mittelklasse, mit 200 PS und Turbolader; ein Auto, wie viele.
       Heute wird er feierlich enthüllt, der neue Borgward, auf der
       Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt. Und dann werden sie
       wieder die alten Zeiten beschwören, das Erbe des Firmengründers Carl F.W.
       Borgward. Die Bremer Jahre!
       
       Von der Wiedergeburt einer Legende wird die Rede sein, von revolutionärer
       Technologie. „Seit ich ein Kind war, hatte ich einen Traum“, sagt Christian
       Borgward, der Enkel jenes Firmengründers, heute Präsident des Aufsichtsrats
       der Borgward AG. Den Traum, die alte Marke wiederzubeleben. Seither sind 50
       Jahre vergangen.
       
       „Es ist ein Stück Bremen“, sagt Johann Duhn vom örtlichen Borgward-Club. Er
       fährt selbst die berühmte Isabella, seit Jahrzehnten schon. „Die Weser, der
       Roland und Borgward“, das steht für ihn in einer Reihe. Und heute? „Wichtig
       ist, dass der Name Borgward bleibt“, findet Duhn. Laut einer von der
       Borgward AG in Auftrag gegebenen Umfrage erkennen noch heute 60 Prozent der
       Befragten in Deutschland auf Anhieb das Firmen-Logo, die Raute.
       
       Als der Auto-Konzern 1961 Konkurs anmeldete, war das der Beginn einer
       ganzen Serie von Pleiten traditioneller Industrie-Betriebe in Bremen – von
       Nordmende bis Vulkan. Es war der „erste Riss im Wirtschaftswunderland“,
       sagt Borgward-Biografin Birgid Hanke. Seit 1919 fertigte Borgward in einer
       Manufaktur in der Neustadt Kühler und Kotflügel, ab 1924 dreirädrige
       Lastkarren. 1931 übernahm er den Automobilproduzenten Hansa-Lloyd und
       entwickelte die Marken Hansa, Goliath und Borgward.
       
       Für die Nazis baute er dann Zugmaschinen und Tornados, sie stellten ihm
       Zwangsarbeiter zur Verfügung. Nach dem Krieg galt Obersturmbannführer Carl
       Borgward gleichwohl nur als Mitläufer – und baute ab 1949 wieder Autos,
       darunter mit der Isabella einen der Traumwagen jener Zeit. Schon 1950
       beschäftigte der Konzern fast 10.000 Menschen in Bremen, zehn Jahre später
       gut doppelt so viele. „Borgward ist im kollektiven Gedächtnis fest
       verankert, weil er für die Automobilisierung der Deutschen in der
       Nachkriegszeit steht“, sagt Hanke.
       
       Die neue Borgward AG hat mit Bremen nichts mehr am Hut. Ihren Firmensitz
       hat sie in Stuttgart, ihren neuen Chef von Daimler und ihr Werk in Peking.
       Denn Hauptinvestor ist ein chinesischer Nutzfahrzeughersteller namens
       Foton, er hat auch die Markenrechte. Verkauft wird der neue Borgward
       erstmal in China, dann in Indien und Brasilien, später auch in Deutschland,
       berichtet das Branchen-Magazin Auto Motor Sport. Bis 2020 sollen jährlich
       800.000 Autos verkauft werden.
       
       Ein ambitioniertes Ziel. Borgward ist ja nicht der erste Versuch, eine
       Automarke mit Tradition wiederzubeleben. Das kann glücken wie beim
       Sportwagen-Hersteller Bugatti, der heute zu VW gehört, aber die Liste der
       gescheiterten Versuche – Maybach, Horex, Spyker – ist viel länger.
       
       Um einem ähnlichen Schicksal zu entgehen, setzt Borgward nun auf einen
       Geländewagen für den Stadtbetrieb. Hier rechnet sich der neue Firmengründer
       die besten Chancen aus, schnell große Stückzahlen zu verkaufen. „Das große
       Ziel ist, dass Borgward nie in eine Liquiditätskrise kommen darf“, sagte
       Christian Borgward, in einem Fernsehinterview.
       
       Denn die hatte Borgward einst in die Pleite getrieben: 1960 wurde bekannt,
       dass der Autobauer nur mit Millionenkrediten bestehen könne. Borgward
       beschäftigte damals jeden Fünften der in Bremen Werktätigen.
       
       Der Senat sprang als Bürge ein, zog aber – auf öffentlichen Druck – eine
       Zusage für zehn Millionen Mark zurück. 1961 stellte der Senat unter
       Bürgermeister Wilhelm Kaisen (SPD) den Firmenchef vor die Alternative,
       seine Unternehmen dem Land zu übereignen oder in Konkurs zu gehen. Kurz
       darauf verloren bei der damals größten Firmenpleite Deutschlands mehr als
       20.000 Leute ihre Arbeit.
       
       Eine „Dolchstoßlegende“ entstand, so Hanke, „ein Sammelsurium unhaltbarer
       Theorien“, die den Senat als den ausmachen, der Borgward auf dem Gewissen
       hat. Die Legende hält sich hartnäckig. Auch Karlheinz Knöss, Vizepräsident
       der neuen Borgward AG, bemüht sie, wenn er daran erinnert, „dass Bremen den
       Herrn Borgward, etwas, sagen wir: unfreundlich behandelt“ habe.
       
       Längst ist nachgewiesen, dass der Chef den Untergang seiner Firma selbst
       mit verursacht hatte: „Borgward scheiterte an Borgward“, sagte Peter Kurze
       mal, Autor zahlreicher einschlägiger Bücher und Betreiber eines virtuellen
       Borgward-Museums. Der Legende tut das keinen Abbruch. „Das immer noch
       ungebrochene Wir-Gefühl der Borgwardianer ist beeindruckend“, so Hanke.
       Zwar wäre eine Sanierung des Borgward-Konzerns seinerzeit „machbar
       gewesen“, analysierte Kurze – „dazu wäre aber mehr Weitsicht bei allen
       Beteiligten erforderlich gewesen“.
       
       Die Krise kam mit dem Einbruch des US-Exports – und einem Modell, das der
       Volksmund „Aquabella“ taufte. Jedes produzierte Exemplar machte 800 Mark
       Verlust – weil es nicht wasserfest war, musste es schon vor der
       Auslieferung aufwändig repariert werden. „Da wirken die Lorbeerkränze, die
       dem Autobauer jetzt geflochten werden, ein wenig deplatziert“, schrieb Die
       Zeit, als Borgward im Frühjahr auf dem Genfer Salon erstmals in Erscheinung
       trat, damals noch ohne Auto. Manche Experten halten den neuen Borgward
       ohnehin für einen Marketing-Gag: Die Leute bei Foton wollten halt gern auch
       ein Auto bauen, nicht nur Laster. Und sowas verkauft sich hierzulande
       besser, wenn es keinen chinesischen Namen hat. Da kam der Traum des
       Christian Borgward gerade recht.
       
       13 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
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