# taz.de -- Japan setzt auf Atomkraft: Erstes AKW bald wieder am Netz
       
       > Japan schaltet das erste Atomkraftwerk wieder an. Ob allerdings bald
       > wieder 35 Meiler laufen werden, wie es die Regierung plant, ist noch
       > unklar.
       
 (IMG) Bild: Das AKW in Sendai ist das erste, das in Japan wieder ans Netz gehen soll.
       
       Tokio taz | Nach knapp zwei Jahren geht in Japan die Zeit ohne Atomstrom zu
       Ende. Am Dienstag um 10.30 Uhr Ortszeit wird im ersten Block der Atomanlage
       Sendai auf der Hauptinsel Kyushu die Kernspaltung in Gang gesetzt. Der
       erste Strom soll am Freitag fließen. Der zweite Block soll Mitte Oktober
       folgen.
       
       Die Rückkehr zur Atomkraft bleibt in Japan umstritten. Nach einer aktuellen
       Umfrage der Zeitung Mainichi lehnen 57 Prozent der Japaner den Neustart ab.
       Nur 30 Prozent sind dafür. Bis zuletzt hatten Bürger versucht, die Anlage
       gerichtlich zu stoppen. Doch Kabinettssprecher Yoshihide Suga wischte
       Einwände vom Tisch: „Die lokalen Behörden haben zugestimmt“, sagte er. Das
       überrascht wenig, weil der AKW-Betrieb die lokale Wirtschaft belebt und die
       Stadtsäckel füllt.
       
       Premierminister Shinzo Abe hatte in der Atomfrage geschickt taktiert.
       Anfangs versprach er, die Abhängigkeit so weit wie möglich zu verringern.
       Dann erklärte er die Kernspaltung zur „Basis-Stromquelle“. Schließlich
       legte sich seine Regierung in ihrem Energiemix für 2030 auf einen
       Atomstrom-Anteil von 20 bis 22 Prozent fest. Auf dieser Basis versprach Abe
       beim G-7-Gipfel in Elmau, den Treibgasausstoß Japans um 26 Prozent zu
       senken.
       
       Entscheidungen über den AKW-Betrieb überließ seine Regierung jedoch der
       neuen Atomaufsicht NRA. Sie hatte schon vor knapp einem Jahr bestätigt,
       dass Sendai als erstes AKW die verschärften Sicherheitsauflagen erfüllt.
       Durch den langen Genehmigungsprozess blieb im Nebel, wer für den Neustart
       politisch verantwortlich ist. Abe hielt sich bis zuletzt zurück und betonte
       nur, die Sicherheit habe Vorrang.
       
       Genau dies bezweifeln Hunderte von Bürgern, die seit dem Herbst nahe dem
       AKW Sendai demonstrierten. So sind nur zwei der 85 medizinischen
       Einrichtungen und weniger als 10 Prozent der 159 Pflegeheime in einem
       30-Kilometer-Radius um das AKW Pläne für eine Evakuierung vorbereitet.
       Zudem liegt der Sakurajima, einer von Japans aktivsten Vulkanen, nur 50
       Kilometer entfernt. Die Zeitung Asahi kritisierte die anhaltende
       „systemische Verwundbarkeit“ der Meiler, da sich an ihrer gruppenweisen
       Anordnung nichts geändert habe.
       
       ## Notabschaltungen und technische Ausfälle
       
       Andere Experten halten bereits das Anfahren der Anlagen nach dem langen
       Stillstand für gefährlich. Laut dem Industrieverband World Nuclear
       Association kam es bei allen 14 Reaktoren weltweit, die nach mehr als vier
       Jahren Pause gestartet wurden, zu Notabschaltungen und technischem
       Versagen.
       
       Ohnehin gibt es große Zweifel an einer Renaissance der Atomkraft. Für die
       angestrebte Menge an Atomstrom müssten 35 Meiler laufen. Selbst der
       Chefvolkswirt des industrienahen Instituts für Energiewirtschaft, Ken
       Koyama, bezeichnete dies lediglich als „wünschenswert“. Von den 56
       Reaktoren vor dem Fukushima-GAU sind nur noch 43 betriebsfähig. Erst für 25
       davon wurde eine neue Betriebsgenehmigung beantragt. Positive Bescheide gab
       es bislang für fünf Meiler, zwei davon wurden von einem Gericht
       einkassiert. Mit Prozessen wollen die AKW-Gegner jeden Neustart verzögern.
       
       Ungemach droht den Betreibern auch anderswo: Die Deregulierung des
       japanischen Strommarkts erschwert die AKW-Nutzung, weil die Verbraucher ab
       2016 auf grünen Strom umsteigen können. Zugleich geht den Konzernen in
       wenigen Jahren der Lagerplatz für verbrauchte Brennelemente aus. In Japan
       gibt es nicht einmal ein nationales Zwischenlager.
       
       10 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Fritz
       
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