# taz.de -- Ruanda und das Weltrechtsprinzip: Justiz verwickelt sich in Widersprüche
       
       > Seit einem Monat sitzt Ruandas Geheimdienstchef Karenzi Karake in
       > britischer Auslieferungshaft. Der Spanischer Haftbefehl ist umstritten.
       
 (IMG) Bild: Bei einer Kundgebung am 25. Juni in London fordern Unterstützer von Karenzi Karake dessen Freilassung.
       
       Brüssel taz | Es ist möglicherweise ein Schlag ins Wasser, den Scotland
       Yard sich vor genau einem Monat mit der Verhaftung des ruandischen
       Geheimdienstchefs Karenzi Karake geleistet hat. Grundlage für die Festnahme
       am 20. Juni war ein Europäischer Haftbefehl des spanischen
       Untersuchungsrichters Andreu Merelles im Namen der spanischen
       Generalstaatsanwaltschaft.
       
       Zusammen mit 39 anderen Militärs der ruandischen Armee sowie Ruandas
       Präsident Paul Kagame wird General Karake des Mordes an sechs spanischen
       Nonnen und drei Mitarbeitern des spanischen Hilfswerks Médicos del Mundo in
       Ruanda während des Völkermords von 1994 und danach beschuldigt, sowie der
       Kriegsverbrechen an ruandischen Hutu-Flüchtlingen nach 1996, deren Jagd
       durch die ruandische Armee im Kongo die Ermittler als „Völkermord“
       bezeichnen.
       
       London hat aufgrund dieses Haftbefehls Karake in Auslieferungshaft
       gesteckt. Er genießt derzeit Haftverschonung und lebt unter strengen
       Auflagen in London, wo ab 29. Oktober über seine Auslieferung entschieden
       werden soll. Dies kommt allerdings zu einem Zeitpunkt, an dem Madrid das
       Weltrechtsprinzip der spanischen Justiz bereits stark eingeschränkt hat.
       
       In einem vergleichbaren Fall schloss der spanische Richter Santiago Pedraz
       am 9. Juni die Ermittlungakte gegen drei US-Soldaten, die für den Tod des
       spanischen Kameramanns José Couto per Panzerbeschuss des Hotels Palästina
       in Bagdad während des Irakkriegs 2003 verantwortlich sein sollen. Der
       Richter begründete die Einstellung des Verfahrens damit, dass Spanien am
       15. März 2014 das am 1. Juli 1985 ins spanische Recht eingeführte
       Weltrechtsprinzip, Grundlage auch der Ruanda-Haftbefehle, wieder
       eingeschränkt habe.
       
       Die spanische Justiz darf seitdem lediglich gegen Spanier oder in Spanien
       residierende Ausländer tätig werden, oder gegen Ausländer, die im Ausland
       gesucht werden und deren Auslieferung an das Heimatland Spanien abgelehnt
       hat. All dies trifft auf Karenzi Karake nicht zu.
       
       Richter Pedraz erwähnt in seiner Verfügung auch ein Urteil des spanischen
       Obersten Gerichts, wonach Klagen gegen China wegen „Völkermords“ in Tibet
       nicht in Spanien verhandelt werden könnten. In diesem Fall aus dem Jahr
       2008 hatte der spanische Richter Ismael Moreno im Februar 2014 Haftbefehl
       gegen Chinas Expräsidenten Jian Zemin, Expremier Li Peng und weitere
       chinesische Amtsträger erlassen. Diese Haftbefehle sind nun vom Tisch.
       
       Demzufolge müssten auch die Haftbefehle gegen Amtsträger aus Ruanda wieder
       aufgehoben werden – das finden jedenfalls Ruandas Regierung sowie die
       Afrikanische Union (AU). Deren Sicherheitsrat erklärte am 26. Juni, dass
       Spaniens Nationales Hohes Gericht bereits am 21. Januar alle
       Ruanda-Haftbefehle aufgehoben habe, und übte scharfe Kritik an
       Großbritannien. Die Verhaftung Karenzi Karakes sei „nicht nur ein Angriff
       auf einen ruandischen Bürger, sondern auf Afrika insgesamt“.
       
       Die AU-Sicherheitsratserklärung basiert allerdings auf einer großzügigen
       Auslegung des entsprechenden spanischen Urteils. In diesem wird das
       spanische Ruanda-Ermittlungserfahren lediglich suspendiert und gegen 11 der
       40 Personen, denen Völkermord ohne Bezug zu Spanien vorgeworfen wird,
       eingestellt, nicht aber gegen die anderen, bei denen der Vorwurf im
       Zusammenhang mit den Morden an Spaniern in Ruanda auf Terrorismus lautet.
       Die Haftbefehle werden außerdem lediglich provisorisch außer Kraft gesetzt.
       
       Theoretisch könnte Karenzi Karake also trotzdem nach Spanien ausgeliefert
       werden. Und wenn er sich einmal auf spanischem Boden befände, könnte die
       Justiz auch auf Grundlage der neuen Rechtslage tätig werden. Aber ob die
       britische Justiz auf dieser Grundlage auch eine Auslieferung anordnen kann,
       ist unklar, und der spanische Richter Andreu Merelles müsste im
       Auslieferungsverfahren erklären, wieso er bei der Bestätigung des
       Haftbefehls gegen Karake die beiden spanischen Urteile vom Januar und Juni
       überhaupt nicht einbezogen hat. Es besteht offensichtlich ein Konflikt
       zwischen dem spanischen Recht und einem spanischen Richter.
       
       20 Jul 2015
       
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 (DIR) Francois Misser
       
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