# taz.de -- Debatte Arbeiten im Internet: Clickworkern geht es nicht gut
       
       > Die Anzahl der Crowdworker steigt stetig. Doch meist sind die
       > Netzarbeiter gegenüber ihren Auftraggebern in einer prekären Position.
       
 (IMG) Bild: Arbeiten im Internet: zumeist eine prekäre Veranstaltung.
       
       Weltweit entstehen neue Formen der Beschäftigung. Sie sollen das bisherige
       Normalarbeitsverhältnis mit den Standards wie garantierter Arbeitszeit und
       Bezahlung, Kündigungsschutz und Schutz durch Sozialversicherungssysteme
       ablösen. Dies gilt insbesondere für neue Formen der Selbstständigkeit, vor
       allem über Plattformen im Internet.
       
       Deren Zahl ist sprunghaft angestiegen. Die Fahrer von FedEx, Uber oder Lyft
       sollen ebenso selbstständige Unternehmer sein wie die Mehrheit der Piloten
       bei Ryanair, die Menschen, die Instacard zum Einkauf für den privaten
       Kühlschrank schickt, oder TaskRabbit, um Wände zu streichen, den Hund
       auszuführen oder sich für Konzertkarten anzustellen. Die
       Unternehmensberatung PwC schätzt den Umsatz der Sharing- oder auch
       Gig-Economy für 2025 auf rund 335 Milliarden US-Dollar.
       
       Eine der Varianten ist Crowdsourcing. Hiermit wird die Auslagerung von
       Arbeiten über eine Internetplattform an eine unbestimmte Menge von
       Menschen, die „Crowd“, bezeichnet. Dabei reicht das Spektrum von einer
       Vielzahl kleiner Teilaufgaben wie der Katalogisierung der Krater auf einem
       Planeten bis zu hochkomplexen Arbeiten wie wissenschaftlichen Fragen aus
       der Medizin oder der Entwicklung von Autoteilen.
       
       Crowdsourcing ist in allen Bereichen der Wertschöpfung eines Unternehmens
       möglich. Der gerade erschienene Report der Weltbank, „The Global
       Opportunity in Online Outsourcing“, hält ein Umsatzvolumen der
       Crowdwork-Plattformen, weltweit zurzeit etwa 2.300, von 25 Milliarden
       Dollar in 2020 für denkbar. Andere Schätzungen gehen von bis zu 46
       Milliarden aus und bereits für 2016 von etwa 112 Millionen überwiegend in
       Teilzeit beschäftigten Crowdworkern.
       
       Die Erkenntnisse über Crowdwork sind lückenhaft. Bekannt sind allerdings
       die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattformen. Pauschal gesagt sind
       sie eine krasse marktunübliche Benachteiligung der Crowdworker. So ist
       teilweise vorgesehen, dass auch die Rechte an abgelehnten, nicht bezahlten
       Arbeiten auf die Auftraggeber übergehen. Arbeiten können ohne hinreichenden
       Grund zurückgewiesen werden, und die Geschäftsbedingungen gelten für
       laufende Projekte einseitig als geändert, sobald sie auf der Webseite der
       Plattform veröffentlicht sind.
       
       Der Verdienst der Crowdworker ist sehr unterschiedlich. Bei Microtasks
       liegt der Durchschnitt bei 1,38 Dollar, für erfahrene Crowdworker bei acht
       Dollar pro Stunde. Dabei nennen 66 Prozent bei der Plattform Amazon
       Mechanical Turk (AMT), die solche Mikroaufgaben vergibt, diese Entlohnung
       als ihre wichtigste Einnahmequelle. Bei anderen Plattformen wie etwa für
       Softwareentwicklung oder Design können höhere Durchschnittsverdienste
       erzielt werden. Die Plattform Upwork nennt auf globaler Ebene rund 24
       Dollar.
       
       ## Eher Mikro- als Minijob
       
       Die Arbeit von Crowdworkern kann nicht nur schwarzweiß gezeichnet werden.
       Festzuhalten ist, dass die Verdienstmöglichkeiten für viele extrem
       schlecht, die Arbeitsbedingungen deutlich prekär sind. Auch wenn manche
       besser verdienen: Alle müssen nicht nur Steuern zahlen, sondern auch
       Risikovorsorge treffen.
       
       So scheint die zynische Beschreibung von Lukas Biewald, dem CEO der
       Plattform CrowdFlower, für die überwiegende Zahl der Crowdworker und wohl
       auch die Zukunft von Crowdwork zutreffend: „Vor dem Internet wäre es
       richtig schwierig gewesen, jemanden zu finden, der sich für zehn Minuten
       hinsetzt, damit er für dich arbeitet, und ihn dann nach den zehn Minuten zu
       feuern. Aber mit dieser Technologie kannst du tatsächlich jemanden finden,
       bezahlst ihm einen winzigen Geldbetrag und wirst ihn dann los, wenn du ihn
       nicht mehr brauchst“.
       
       Für die gewöhnlichen Crowdworker, die keine Spezialisten sind, wäre es
       extrem wichtig, sich aus der fundamentalen Abhängigkeit von den Plattformen
       zu befreien. Hier können Gewerkschaften Unterstützung zur Selbsthilfe
       liefern. Ein erster Schritt ist dabei ein Referenzsystem, das Bewertungen
       von Auftraggebern und Plattformen ermöglicht, wie etwa die von der IG
       Metall gerade installierte Internetplattform www.faircrowdwork.org. Dort
       können Crowdworker diskutieren, welche Erfahrungen sie machen, wer ein
       fairer Auftraggeber ist. Ein weiterer Schritt ist die gerichtliche
       Korrektur der Geschäftsbedingungen.
       
       In den USA wehren sich „Selbstständige“ gegen die Flucht der Arbeitgeber
       aus jeder Verantwortung. Aus jüngerer Zeit liegen Gerichtsentscheidungen
       vor, die die Fahrer von FedEx, Lyft und Uber als Beschäftigte dieser
       Unternehmen einordnen, eben weil etwa Uber wie ein Arbeitgeber wichtige
       Rahmenbedingungen für Auto und Fahrer festlegt, die Einhaltung genau
       kontrolliert und Fahrer bei einem Rating der Fahrgäste unter 4.6 Sternen
       aus dem System nimmt.
       
       ## Zugang zur Sozialversicherung
       
       Andere Entscheidungen sehen McDonald’s oder Domino’s Pizza als
       Franchisegeber in der Verantwortung für die Arbeitsbedingungen beim
       Franchisenehmer. Unmittelbar für Crowdwork war in San Francisco ein Prozess
       anhängig, bei dem ein Crowdworker den Mindestlohn, der nur Arbeitnehmern
       zusteht, gegen CrowdFlower einklagte. Diese Klage ist am 2. Juli gegen
       Zahlung von rund 600.000 Dollar verglichen worden. Die Plattform wollte
       offensichtlich kein Präjudiz riskieren.
       
       Auch wenn Crowdworker de facto keine Arbeitnehmer sind, sie sind doch oft
       in vergleichbarer Situation. Dann müssen sie auch vom Gesetzgeber
       vergleichbar im Arbeitsrecht geschützt werden und Zugang zur
       Sozialversicherung haben. Dies ist in einigen europäischen Ländern bei
       Solo-Selbstständigen bereits der Fall. Dabei geht es nicht darum, neue
       Geschäftsmodelle zu zerstören.
       
       Es geht um faire Beschäftigungsbedingungen und auch um Solidarität in der
       Gesellschaft, wie bei den Sozialversicherungssystemen. Clickworker stehen
       in harter Konkurrenz mit ihren Kollegen und auch mit Stammbelegschaften.
       Die Situation der Tagelöhner im 19. Jahrhundert darf sich nicht im 21.
       Jahrhundert wiederholen. Es geht darum, wie das
       Normalbeschäftigungsverhältnis der Zukunft definiert wird – um nicht mehr
       und nicht weniger.
       
       2 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Klebe
       
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