# taz.de -- Tour de France 2015: Klettern für den „Fortschritt“
       
       > Der Eritreer Daniel Teklehaimanot führt als erster Afrikaner die
       > Bergwertung der Tour de France an. In seiner Heimat hat Radsport
       > Tradition.
       
 (IMG) Bild: Daniel Teklehaimanot (l.) auf dem Weg ins gepunktete Bergtrikot.
       
       Livarot taz | Gesänge tönen, Fahnen werden geschwenkt: Bei jedem
       Zieleinlauf der Tour machte bisher eine lautstarke Fangemeinde aus Afrika
       auf sich aufmerksam. Und als mal Pause ist, erklärt Samson, ein Eritreer,
       der in Belgien lebt, dass die Truppe sich versammelt hat, um die ersten
       wahren afrikanischen Radsportler bei der Tour zu feiern. „Wir reisen bei
       vielen Rennen in Europa Daniel Teklehaimanot und Merhawi Kudus hinterher.
       Sie sind unsere Idole, die ersten Afrikaner bei der Tour de France. Wir
       werden ihnen durch ganz Frankreich folgen.“
       
       Bislang hatte dort nur der „weiße Kenianer“ Chris Froome seine Aufwartung
       gemacht oder der südafrikanische Sprinter Robert Hunter. Doch sie waren
       Weiße, Nachkommen der Kolonisten oder wie im Falle Froomes nach Kenia
       ausgewanderter Briten. Mit Teklehaimanot und Kudus nehmen aber erstmals
       Vertreter der angestammten Bevölkerung des Kontinents am größten Radrennen
       der Welt teil.
       
       Für Daniel Teklehaimanot ist das eine ganz natürliche Sache. „Radsport ist
       in Eritrea Volkssport Nummer 1. Überall gibt es Rennen. Die Leute lieben
       den Sport. Und es gibt gute Athleten bei uns, sogar bessere als ich“,
       erklärt er taz.
       
       So gute Athleten, dass der Rennstall MTN Qhubeka eben deren zwei nach
       Frankreich mitnahm. Dass sie nicht nur Staffage sind oder nur wegen eines
       Exotenbonus aufgestellt wurden, zeigte Teklehaimanot auf der 6. Etappe. Da
       machte er sich gemeinsam mit zwei Fluchtgefährten auf und davon und holte
       sich unterwegs die Bergpunkte, die zum Klettertrikot ausreichten.
       
       ## Ein Fahrer mit sehr viel Potenzial
       
       „Das ist ein Traum, dieses Trikot zu tragen“, bilanzierte der Mann mit der
       höchsten Startnummer im Feld (219) später. Bereits beim
       Tourvorbereitungsrennen Dauphiné im Juni war Teklehaimanot als Ausreißer
       ins Bergtrikot geschlüpft. Und er hatte es bis zum Ende verteidigt, trotz
       Konkurrenten wie Chris Froome oder Vincenzo Nibali.
       
       Natürlich will er es auch jetzt verteidigen, so lange wie möglich. „Er hat
       das Talent und auch den Kopf dafür. Er ist ein Fahrer mit sehr viel
       Potenzial“, schätzt Jens Zemke, sportlicher Leiter bei MTN Qhubeka, seinen
       Schützling ein. Entdeckt und entwickelt wurde Teklehaimanot im
       internationalen Trainingszentrum der UCI in Aigle.
       
       „Die eritreischen Betreuer wussten gar nicht, dass es so etwas gab. Und ich
       hatte keine Ahnung, wo genau ihr Land lag. Mir hat aber auf den ersten
       Blick gefallen, welche Position er auf dem Rad hatte. Da musste man nichts
       verändern“, erzählte sein erster Trainer bei der UCI, Michel Theze,
       l‘Equipe. Er entdeckte wenig später den Grund für Teklehaimanots gute
       Technik. „Es gibt in Eritrea eine regelrechte Radkultur, die von den
       Italienern übernommen wurde, die dort eine Zeit lang Kolonialherren waren.“
       
       ## Probejahr beim Team Cervelo
       
       Teklehaimanot versuchte nach seiner Ausbildung Fuß zu fassen im
       europäischen Radsport. Er bekam ein Probejahr beim Team Cervelo. Dann wurde
       dort aber der Laden dichtgemacht. Anschluss fand er beim südafrikanischen
       Rennstall MTN Qhubeka. „Qhubeka“ heißt auf Zulu „Fortschritt“.
       
       Den Fortschritt will die Stiftung durch Räder vor allem in ländliche
       Regionen bringen. „Dort haben Kinder wegen der mangelnden Infrastruktur
       Schulwege von bis zu 20 km. Zu Fuß ist da ein regelmäßiger Schulbesuch oft
       unmöglich. Mit dem Rad ist das eher zu schaffen“, erklärt Zemke. Das
       Qhubeka-Logo auf dem Trikot soll das Projekt bekannter machen und neue
       Spender anlocken. Beim Team herrscht ein Bewusstsein, dass man nicht für
       irgendeinen Sponsor fährt, sondern mit der eigenen Beinarbeit auch noch
       Gutes tut. Das motiviert.
       
       In Eritrea sind Teklehaimanot und Kudus mittlerweile Stars. Die
       Teampräsentation vor Tourstart wurde in ihrem Heimatland in den Kinos
       gezeigt. Das halbe Land soll in die Projektionssäle geströmt sein, erzählt
       Fan Samson. Das halbe Land verfolgte auch, wie Teklehaimanot als erster
       Starter den Prolog der Tour eröffnete. „Das war ein ganz besonderes
       Gefühl“, erzählte Teklehaimanot der taz. Mit dem Punktetrikot kam ein
       weiteres besonderes Gefühl dazu.
       
       10 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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