# taz.de -- Streik an der Charité: Pause nach zehn Tagen
       
       > Am Mittwochabend wird der Streik ausgesetzt. Patienten erklären sich
       > solidarisch mit den Pflegekräften.
       
 (IMG) Bild: Den PflegerInnen an der Berliner Charité reicht‘s: Seit zehn Tagen streiken sie für mehr Personal
       
       Es war der Tag der Entscheidung in Sachen Charité-Streik: Nach zehn Tagen
       Ausstand der Pflegekräfte kam am Mittwochabend die Meldung, dass der
       Arbeitskampf ausgesetzt werde. Gewerkschaft und Klinikleitung hätten sich
       auf ein Eckpunktepapier als Basis für einen künftigen Tarifvertrag
       verständigt, teilte die Charité mit. „Die Charité muss nun die Frage
       beantworten, wie sie die personelle Aufstockung finanzieren kann, da das
       gegenwärtige Finanzierungssystem dies nicht hergibt“, erklärte
       Charité-Vorstandschef Karl Max Einhäupl.
       
       Bereits am Mittag hatte sich angedeutet, dass in die bislang zähen
       Verhandlungen für eine bessere Personalausstattung Bewegung gekommen war.
       Wie die Berliner Bezirksleiterin von Verdi, Susanne Stumpenhusen, der taz
       sagte, gebe es eine Annäherung für den Bereich der Intensivstationen. „Hier
       ist man sich wohl schon nahe gekommen“, so Stumpenhusen.
       
       Seit zehn Tagen befanden sich die Beschäftigten von Deutschlands
       berühmtestem Krankenhaus im Ausstand, 1.000 von 3.000 Klinikbetten blieben
       streikbedingt leer. 14.000 Menschen arbeiten in den vier Kliniken der
       Charité, davon 4.000 PflegerInnen. Vor allem sie tragen den Streik, täglich
       beteiligten sich 500 bis 600 Pflegekräfte, sagt Gewerkschaftssekretär Kalle
       Kunkel. Zumindest symbolisch machen auch die Ärzte mit: Marburger Bund,
       Berliner Ärztekammer und der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte
       haben sich solidarisch erklärt.
       
       ## Ein Pfleger, 45 Patienten
       
       Die Beschäftigten fordern Mindestquoten an Pflegepersonal, die nicht
       unterschritten werden dürfen – und einen Pool von KollegInnen, die bei
       Krankeitsausfällen einspringen können. Derzeit sei nachts schon mal ein
       Pfleger mit 45 Patienten allein, erklärt Streikleiter Thomas von Rüden,
       Pfleger im Virchow-Klinikum. „Ich mache den Job seit 33 Jahren, es wird
       immer schlimmer, immer mehr wird runtergeschraubt.“
       
       Wie viel Personal mehr nach ihrer Ansicht nötig ist, sagt die Gewerkschaft
       nicht. Laut Charité-Geschäftsleitung geht es um 600 Stellen, was jährliche
       Mehrkosten von 36 Millionen Euro bedeuten würde.
       
       Dass unter der dauerhaft angespannten Personalsituation auch die Patienten
       leiden, bekräftigen am Mittwoch mehrere von Verdi eingeladene PatientInnen
       und -vertreterInnen. Edith E., eine ältere Dame, die bis vor kurzem
       Patientin am Klinikum Benjamin Franklin war, sagt, die Zeitnot bei den
       „Schwestern“ sei so groß, man traue sich gar nicht mehr zu klingeln, wenn
       man etwas benötige und nicht aufstehen könne. Christian K., Vater eines
       fünfjährigen leukämiekranken Jugen, berichtet ebenfalls, die PflegerInnen
       seien zwar sehr engagiert, aber man habe schon das Gefühl, mitanpacken zu
       müssen beim waschen, Medikamente geben oder Pflaster wechseln.
       
       ## Höhere Mortalität
       
       „Ich unterstütze den Streik aus tiefstem Herzen“, sagt die
       Patientenbeauftragte des Landes Berlin, Karin Stötzner. Es gehe nicht nur
       darum, dass die Pflegekräfte mehr Zeit für emotionale Zuwendung haben
       müssten. „In Stress und Konfliktsituationen passieren auch Fehler“, so
       Stötzner. Studien aus den USA zeigten, dass es einen „unmittelbaren
       Zusammenhaben gibt zwischen der Zahl und der Qualifikation des Personals
       und der Mortalität von Patienten“.
       
       Auch die Patientenfürsprecherin Bärbel Irion fürchtet um die Gesundheit von
       PflegerInnen und PatientInnen. So sei die vorgeschriebene Hygiene mit dem
       vorhandenen Personal nicht zu leisten. Oft würden Medikamente nicht
       genommen, weil die PflegerInnen keine Zeit hätten, die Einnahme zu
       kontrollieren. Infolge des Stresses würden zudem viele PflegerInnen krank
       oder wechselten nach wenigen Jahren den Beruf. „Ein Krankenhaus darf kein
       Wirtschaftsbetrieb sein“, so Irion – das sei eine politische Frage, die
       nicht nur die Charité, sondern das gesamte Klinikwesen in Deutschland
       betreffe.
       
       (aktualisiert um 18:44 Uhr)
       
       1 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
       
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