# taz.de -- Nordkorea droht eine Hungersnot: Ein Land liegt trocken
       
       > Das Kim-Regime fürchtet eine Jahrhundertdürre – das meldet sogar die
       > staatliche Nachrichtenagentur. Es kann jedoch auf die Hilfe Chinas
       > zählen.
       
 (IMG) Bild: Wo immer Dikator Kim Jon Un auftritt, da wächst das Grün.
       
       SEOUL taz | Für einen Staat, dessen Chuche-Ideologie darauf fußt, sein Volk
       aus eigener Kraft zu versorgen, sind solche Worte beachtlich: Nordkorea sei
       von einer Jahrhundertdürre bedroht, im ganzen Land lägen Reisfelder brach
       und die Frühernte sei in Gefahr. Dies vermeldete keineswegs eine besorgte
       Hilfsorganisation, sondern die staatliche nordkoreanische
       Nachrichtenagentur KCNA.
       
       Westliche Delegationen, die erst vor kurzem das Land besuchten, berichten
       von Propagandaplakaten, die die Bevölkerung zum Kampf gegen die
       Wasserknappheit mobilisieren sollen. Selbst Kleinkinder würden
       kilometerlang mit Wassereimern durch die verstaubten Landstraßen
       marschieren.
       
       Solche Bilder lassen Erinnerungen wachwerden: an die 90er Jahre, als
       Nordkorea nach dem Kollaps der Sowjetunion unter der größten Hungersnot
       seiner Geschichte litt. Hunderttausende sollen damals verhungert sein,
       manche NGOs sprechen gar von bis zu drei Millionen Toten. Droht Nordkorea
       nun ein ähnliches Schicksal?
       
       Laut Experten wäre ein solches Szenario äußerst unwahrscheinlich. Erst im
       letzten Frühling hatten die Bauern mit einer ungewöhnlich starken
       Dürreperiode zu kämpfen, und dennoch blieben die Ernten nur mäßig davon
       betroffen. Das ist nicht zuletzt das Verdienst von Kim Jong-un.
       
       ## Einbruch der Ernte um 50 Prozent
       
       Der 31-jährige Diktator hat seit seinem Amtsantritt 2011 die Wirtschaft des
       Landes in – für nordkoreanische Verhältnisse – beachtlicher Geschwindigkeit
       reformiert. Allen voran die Landwirtschaft: Seit 2013 dürfen erstmals
       kleine Kollektive aus Bauern ein Drittel ihrer Ernte behalten, in diesem
       Jahr soll der Anteil gar auf das Doppelte ansteigen. Der
       marktwirtschaftliche Anreiz hat die Produktivität umgehend in die Höhe
       schnellen lassen. Und doch ist all das kein Grund zur Beruhigung.
       
       „Für die ohnehin angespannte Nahrungsmittelsituation im Land wird das
       nächste Jahr ein Riesenproblem sein“, sagt Simone Pott von der
       Welthungerhilfe, die seit fast 20 Jahren durchgängig in Nordkorea arbeitet.
       Vor allem Kinder, Alte und schwangere Frauen würden es als erste treffen –
       und dennoch: Das Wort „Hungersnot“ nimmt die Pressesprecherin der deutschen
       Hilfsorganisation nicht in den Mund.
       
       Die Berichte der letzten UN-Delegation vom 10. Juni sind jedoch
       erschreckend: Die Ernte wird laut Schätzungen der Experten um bis zu 50
       Prozent einbrechen, über zwei Drittel der Bevölkerung wird unter der
       Dürreperiode zu leiden haben. Am Freitag berichteten Informanten des
       Fachmediums Daily NK, dass die Flusspegel in den Tiefebenen südlich von
       Pjöngjang – der „Reiskammer“ des Landes – um bis zu vier Meter gesunken
       seien. Ein Zustrom von salzigem Meerwasser habe viele Flüsse für
       landwirtschaftliche Zwecke unbrauchbar gemacht. Die Lage sei im Vergleich
       zum Vorjahr „mehr als doppelt so ernst“.
       
       ## Rettungsanker China
       
       Gleichzeitig sind die Hilfsgelder nach Nordkorea in den letzten Jahren
       kontinuierlich gesunken. Im letzten Jahr etwa stellten UN-Organisationen
       nur mehr 50 Millionen US-Dollar zur Verfügung, vor einer Dekade war es noch
       sechsmal so viel. „Mit privaten Spenden können Sie die Probleme in
       Nordkorea nicht lösen – nicht zuletzt, weil aus dem abgeschotteten Land
       keine Fernsehbilder über die Nahrungsmittelknappheit dringen“, sagt Pott
       von der Welthungerhilfe: „Da kommt es vor allem auf institutionelle
       Geldgeber an“. Nur: Woher sollen die kommen?
       
       Die Beziehungen zwischen dem Regime und der internationalen Gemeinschaft
       sind frostig wie lange nicht mehr. Vom südlichen Nachbarn, der derzeit auch
       mit starker Dürre kämpft, ist kaum Hilfe zu warten. Auch die USA haben
       bereits am Mittwoch angekündigt, nicht mit Geld einzuspringen.
       
       Diese Rolle kommt nun China zu, Nordkoreas letztem Verbündeten. Das Reich
       der Mitte hat bereits angekündigt, Hilfe zu schicken. Doch ist fraglich, ob
       das Kim Jong-un wirklich recht ist – denn aus China liefert kommen nicht
       nur Nordkoreas gesamte Ölimporte, sondern es hat auch die stärkste
       Durchsetzungskraft, seine Hilfe an politische Forderungen zu knüpfen.
       Nordkorea umstrittenes Atomprogramm ist auch der Parteiführung in Peking
       zunehmend ein Dorn im Auge.
       
       Für das Kim-Regime genießt jedoch die Sicherheit nach außen mit Abstand
       höchste Priorität. Dass die Ernährung der eigenen Bevölkerung erst dahinter
       folgt, wurde nicht im Februar deutlich: Damals verwies Nordkorea plötzlich
       die langjährige Leiterin der deutschen Welthungerhilfe des Landes.
       
       22 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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