# taz.de -- Kämpfe in Libyen: Ministerpräsident überlebt Attentat
       
       > Seit Monaten versinkt Libyen im Chaos, Kämpfe sind an der Tagesordnung
       > und das Land ist durch zwei Regierungen geteilt.
       
 (IMG) Bild: Abdullah al-Thinni (re.) zu Gast im Weißen Haus letzten August. Links US-Protokollchef Peter Selfridge.
       
       BENGASI ap | Attentäter haben nach Angaben der international anerkannten
       libyschen Regierung versucht, Ministerpräsident Abdullah al-Thinni zu
       ermorden. Dies teilte Regierungssprecher Arisch Said mit. Der Konvoi des
       Ministerpräsidenten sei auf dem Weg zum Flughafen der Stadt Tobruk
       angegriffen worden. Ein Leibwächter sei leicht verletzt worden, Tote gebe
       es nicht. Die Angreifer konnten fliehen.
       
       Vor der Attacke hätten bewaffnete Männer bereits versucht, das Parlament in
       Tobruk zu stürmen, sagte Said. Sie hätten in die Luft geschossen,
       al-Thinnis Rücktritt gefordert und mit dessen Ermordung gedroht. Die
       Sitzung des Parlaments sei bis kommende Woche vertagt worden.
       
       Die gewaltbereiten Männern würden von „korrupten politischen Financiers“
       unterstützt, die mächtigen Stammesführern in Tobruk nahestünden, teilte der
       Sprecher weiter mit. Details zu den Vorwürfen nannte er nicht.
       
       Doch hatte sich vor dem versuchten Attentat ein Führer des in Tobruk
       einflussreichen Obiedi-Stammes, Fardsch Abu Alchatabia, mit Drohungen gegen
       al-Thinni zu Wort gemeldet. „Dieser Ministerpräsident muss zurücktreten,
       wenn er das nicht tut, werde ich ihm den Kopf eintreten“, sagte er.
       
       ## Regierung und Gegenregierung
       
       Nach Jahren des politischen Chaos ist Libyen faktisch geteilt und hat zwei
       Regierungen und zwei Parlamente. Die international anerkannte Regierung um
       al-Thinni hat die Hauptstadt Tripolis verlassen und operiert vom Osten des
       Landes aus. In Tripolis herrscht eine Gegenregierung, die sich auf die
       Unterstützung islamistischer Milizen stützt. Im Land sind zudem Extremisten
       aktiv, darunter Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat. Nach
       UN-Schätzungen soll der IS über 2000 Kämpfer in Libyen verfügen.
       
       Erst am Dienstag hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch
       wegen Kämpfen in der Stadt Bengasi Alarm geschlagen: Milizen und
       Armee-Einheiten hätten die Stadt umzingelt und einige Hundert Menschen
       seien dort gefangen. Darunter seien neben Libyern auch Syrer, Palästinenser
       sowie Menschen aus Asien und Afrika. Human Rights Watch drängte die
       libysche Armee wie auch die Aufständischen, die Menschen ohne Bedingungen
       freizulassen und ihnen Zugang zu dringend benötigter Hilfe zu gewähren.
       
       Der UN-Sondergesandte Bernardino Leon bemüht sich seit Monaten um eine
       Schlichtung zwischen den rivalisierenden Regierungen und um eine Befriedung
       des nordafrikanischen Landes. Zuletzt hatte Leon erklärt, er hoffe auf eine
       Einigung bis Mitte Juni, wenn die muslimische Fastenzeit beginnt.
       
       Ausgangspunkt der Wirren war der Sturz des langjährigen Machthabers Muammar
       al-Gaddafi 2011. Danach brach die staatliche Ordnung weitgehend zusammen.
       Europa sieht dies mit Sorge, weil Libyen Operationsbasis für
       Schlepperbanden ist, die Flüchtlinge auf klapprigen Booten in Richtung
       Europa schicken.
       
       27 May 2015
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Libyen
 (DIR) „Islamischer Staat“ (IS)
 (DIR) Attentat
 (DIR) Schwerpunkt Libyenkrieg
 (DIR) Ramadi
 (DIR) EU
 (DIR) Menschenrechte
 (DIR) Schleuser
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kämpfe in Libyen: Ja zum UN-Friedensplan
       
       Die anerkannte libysche Regierung stimmte in Marokko einem UN-Plan zur
       Beendigung des Bürgerkriegs zu. Das nicht anerkannte Parlament boykottierte
       die Gespräche.
       
 (DIR) Militärische Stärke der Terrormiliz: Was ist das Geheimnis des IS?
       
       Der „Islamische Staat“ erscheint heute stärker als vor Beginn der
       internationalen Militärschläge im Sommer 2014. Was sind die Gründe dafür?
       
 (DIR) EU-Militäreinsätze gegen Flüchtlinge: Libyen ist das zu menschenunwürdig
       
       Die EU möchte gerne gegen Flüchtlingsboote im Mittelmeer vorgehen, unter
       anderem vor Libyen. Doch das Land lehnt solche Einsätze als
       menschenunwürdig ab.
       
 (DIR) Kommentar EU-Flüchtlingspolitik: Flucht ist ein Menschenrecht
       
       Die EU will immer nur die Flucht von Menschen nach Europa verhindern. Sie
       muss begreifen, dass allein diese Absicht unmenschlich ist.
       
 (DIR) Flüchtlinge in Libyen: Die vergessene Katastrophe
       
       In Nordafrika sorgen die EU-Pläne, mit Schleuserschiffen rabiat umzugehen,
       für Kopfschütteln. Die Helfer dort haben andere Sorgen.