# taz.de -- Rechtsextremismus: Thierse sieht Gewalt-Akzent im Osten
       
       > Nach der Hetzjagd auf Inder in Mügeln gerät der Bürgermeister in die
       > Kritik. Die Bundespolitik zeigte sich derweil besorgt über rechte
       > Tendenzen in Sachsen.
       
 (IMG) Bild: Polizisten am Zufluchtsort der Opfer in Mügeln
       
       Auch zwei Tage nach der Hetzjagd auf acht Inder im sächsischen Mügeln sind
       die Hintergründe der Übergriffe weiterhin unklar. Eine Sprecherin der
       Polizeidirektion Westsachsen bestätigte auf die Anfrage der taz, dass es
       vor Wochen bereits eine Überfalldrohung auf den Jugendclub "Freetime In"
       gegeben habe. Der Club habe die Polizei darüber informiert, aber keinerlei
       Belege oder Quellen für dieses "Gerücht" geliefert. Im Jugendclub anwesende
       Gäste konnten gestern dazu keine Aussage treffen.
       
       Die Polizeikräfte waren in der gesamten Region am vergangenen Wochenende
       verstärkt im Einsatz, weil mehrere Volksfeste mit dem Todestag des
       Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß zusammenfielen. In Mügeln befanden sich
       aber nur wenige Polizisten vor Ort, weil es keine Anzeichen für
       Ausschreitungen gab. Diese Polizisten hätten sich schützend vor die
       angegriffene Pizzeria gestellt und "sich nicht versteckt", wie einzelne
       Berichte behaupten. Sie seien erst nach Rufen der in der Gaststätte
       eingeschlossenen Inder hineingegangen. Die durch mehrere Bürger alarmierten
       Verstärkungskräfte rückten nach einer halben Stunde aus dem 18 Kilometer
       entfernten Leisnig an.
       
       Die Sprecherin ließ die Frage offen, ob organisierte Rechtsextremisten an
       den Attacken beteiligt waren. Seit gestern ermittelt eine 16-köpfige
       Sonderkommission - "in alle Richtungen", wie es heißt. Die beiden
       inhaftierten Männer im Alter von 21 und 23 Jahren wurden trotz des
       weiterbestehenden Tatverdachts vorerst auf freien Fuß gesetzt. Sie stammen
       aus Mügeln. "Die Rufer der ausländerfeindlichen Parolen müssen nicht
       identisch mit denen sein, die die Tür der Pizzeria eingetreten haben", gibt
       die Polizeisprecherin zu bedenken.
       
       Seit Montagnachmittag drehen mehrere Kleinbusse der Polizei auffällig ihre
       Runden durch den Ort. Mit dieser demonstrativen Präsenz wolle man "Ruhe in
       die Stadt bringen", sagte die Polizeisprecherin.
       
       Am Montag erstatteten der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt und
       der Bundestagsabgeordnete Manfred Kolbe (beide CDU) den verletzten Indern
       einen kurzen Besuch. "So ein Gewaltexzess ist nicht hinnehmbar", sagte
       Milbradt.
       
       In die Kritik gerät unterdessen der Bürgermeister von Mügeln, Gotthard
       Deuse (FDP), weil er die Existenz einer rechtsextremen Szene am Ort
       bestritten hatte. Der stellvertretende Präsident des Bundestages, Wolfgang
       Thierse (SPD), meinte, dass Rechtsextremismus zwar ein gesamtdeutsches
       Problem sei, es aber einen "besonderen ostdeutschen gewalttätigen Akzent"
       gebe. "Gerade Sachsen ist bekannt dafür, dass es die Existenz des
       Rechtsextremismus gern abstreitet", ergänzte der Vorsitzende des
       Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD).
       
       Diesen Titel schien Sven Petke, der stellvertretende Vorsitzende der
       brandenburgischen CDU, nicht unwidersprochen den südlichen Nachbarn
       überlassen zu wollen. "Durch das Fehlverhalten Einzelner werden wir uns
       nicht unsere Heimat kaputtmachen lassen", antwortete er auf Edathy. Dabei
       könnte es zumindest der Mügelner Bürgermeister besser wissen: In die
       Sitzbänke auf dem Marktplatz, wo die Auseinandersetzung begann, sind
       Hakenkreuze eingeritzt.
       
       22 Aug 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Übergriffe in Sachsen: Keine Nazis, nur Ausländerfeinde
       
       Mit der Realität in der Region um Mügeln haben die Worte des Bürgermeisters
       wenig zu tun. Die rechte Szene war schon vor der Hetzjagd auffällig.
       
 (DIR) Kommentar: An der Schwelle zum Pogrom
       
       Die Besorgnis über den Standort Sachsen verstellt den Blick darauf, dass
       die Hetzjagd von Mügeln keine normale alkoholisierte Massenschlägerei unter
       Saufkumpanen war.
       
 (DIR) "Auslander raus"-Sprechchöre: Bürgermeister verharmlost Hassparolen
       
       Nach der Hetzjagd auf Inder in Mügeln gerät Bürgermeister Deuse selbst in
       die Kritik. Ausländerfeindliche Parolen könnten "jedem mal über die Lippen
       kommen", sagte er in einem Interview.
       
 (DIR) Rechtsextremismus: "Der Mob ist der gleiche"
       
       Kurz nach der Hetzjagd auf Inder jähren sich die Ausschreitungen von
       Rostock zum 15. Mal - ein Interview mit Rechtsextremismus-Expertin Kahane.