# taz.de -- Urteil zum Güter- und Fernverkehr: Lokführer dürfen Streiks ausweiten
> Triumph für die GDL: Das Gericht hat den Lokführern erlaubt, im Güter-
> und Fernverkehr zu streiken. Ein Streiktag im Güterverkehr würde rund 50
> Millionen Euro kosten.
(IMG) Bild: Streik im Güterverkehr ist nicht unverhältnismäßig
Das Landesarbeitsgericht Sachsen hat das Streikverbot im Fern- und
Güterverkehr der Bahn aufgehoben. Das gab das Gericht am späten
Freitagnachmittag bekannt. Damit ist es der Lokführergewerkschaft GDL nun
erlaubt, auch in diesen beiden die Bahn besonders treffenden Bereichen zu
streiken. Vor Montag soll es allerdings keinen Ausstand geben, hatte die
GDL schon vor der Gerichtsverhandlung angekündigt. Die GDL fordert einen
eigenständigen Tarifvertrag für das Fahrpersonal bei der Bahn und 31
Prozent mehr Lohn. Die Bahn lehnt bislang die Forderungen kategorisch ab.
Ob sie diese Haltung bei einem wirksamen Streik im Güterverkehr durchhalten
kann, ist jedoch fraglich.
Das Landesarbeitsgericht Sachsen hob mit seiner Entscheidung am Freitag ein
Urteil des Arbeitsgerichtes Chemnitz auf, das der GDL Streiks im Güter- und
Fernverkehr untersagt hatte. Ein Arbeitskampf könne nur dann untersagt
werden, wenn er offensichtlich unverhältnismäßig sei, begründete der
Vorsitzende Richter Werner Leschnig die Entscheidung. "Dies ist hier nicht
gegeben." Das Gericht gründete sein Urteil auf die Koalitionsfreiheit, also
das Recht zur Gründung von Gewerkschaften. Streiks bedeuteten zwar immer
auch Einschränkungen und Nachteile für die Bahn-Kunden. Ein Streikverbot
würde aber bedeuten, dass per se alle Maßnahmen im Arbeitskampf untersagt
wären.
Die Linkspartei begrüßte das Urteil vom Freitag als wohltuend. "Zum
Grundrecht auf Streik gehört das Recht der Gewerkschaften, vorrangig selbst
darüber zu befinden, ob eine Arbeitskampfmaßnahme geeignet und erforderlich
ist, Druck auf den Arbeitgeber auszuüben", erklärte der Rechtsexperte der
Linksfraktion, Wolfgang Neskovic. Wirtschaftliche Auswirkungen für die
Arbeitgeber und mittelbar auch für Dritte gehörten zum Wesen eines Streiks.
Vor diesen Auswirkungen fürchtet sich die deutsche Wirtschaft, bereitet
sich aber intensiv auf den Ausstand vor. Ein bundesweiter Streik im
Güterverkehr könnte nach Einschätzung des Deutschen Institutes für
Wirtschaftsforschung (DIW) einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 50
Millionen Euro pro Tag bedeuten. DIW-Verkehrsexpertin Claudia Kemfert sagte
der taz, dass vor allem die Branchen Fahrzeugbau und andere
metallverarbeitende Betriebe besonders vom Streik betroffen wären. Auch an
den deutschen Seehäfen würde sich die Situation innerhalb eines Tages
zuspitzen, da dort kaum zusätzliche Lagerkapazitäten bereitstünden. Der
Schaden könne sich mit zunehmender Streikdauer vervielfachen, fürchtet
Kemfert.
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl hatte bereits am Mittwoch vor
Produktionsverlusten bei einem längeren Streik im Güterverkehr gewarnt. Die
Stahlindustrie in Deutschland sei der größte Kunde der Bahn, sagte eine
Sprecherin des Branchenverbandes. Etwa die Hälfte der Kohle-, Erz-, Stahl-
oder Schrotttransporte - rund 80 Millionen Tonnen im Jahr - werde mit der
Bahn befördert.
Der Autokonzern Daimler hingegen befürchtet keine größeren
Produktionseinschränkungen durch den drohenden Streik. "Wir haben uns seit
langer Zeit auf einen möglichen Streik vorbereitet", sagte ein Sprecher von
Mercedes-Benz Cars. Bei einem Streik würden mehr Transporte von der Schiene
auf die Straße verlagert.
Die Bahn erklärte, allein wegen der Androhung von Streiks im Güterverkehr
gebe es bereits jetzt Umsatzausfälle in zweistelliger Millionenhöhe. Die
Bahn will im Streikfall auf Loks und Lokführer aus Tochterunternehmen und
anderen Unternehmen aus dem In- und Ausland zurückgreifen. Allerdings
stünden von den rund 5.400 Lokführern bei der Güterverkehrstochter Railion
auch im Streikfall mehr als 3.400 zur Verfügung, die verbeamtet oder in
anderen Gewerkschaften organisiert seien, so die Bahn.
2 Nov 2007
## AUTOREN
(DIR) Richard Rother
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Bahn-Tarifstreit: Merkel soll Lokführer zur Arbeit treiben
Bahnchef Mehdorn ruft die Kanzlerin zu Hilfe. Sie soll die Macht der
"Spezialistengewerkschaften" gesetzlich einschränken. Derweil herrscht
Verwirrung darüber, wann es zu nächsten Streiks kommt
(DIR) Bahn-Tarifstreit: Eine Einigung wird schwierig
Bislang sind sich Bahn und Lokführergewerkschaft noch nicht nähergekommen.
Die Bahn-Angebote haben Tücken.
(DIR) Kommentar Urteil Lokführer: Mehdorn unter Zugzwang
Das Lokführer-Urteil des sächsischen Landesarbeitsgerichtes in Chemnitz ist
zu begrüßen. Es sichert Beschäftigten in Deutschland das Recht, für ihre
Interessen die Arbeit niederzulegen.