# taz.de -- Ethikunterricht: Rot-Rot verhandelt mit Gott
       
       > Die Furcht vor dem nächsten Volksbegehren Pro-Religionsunterricht treibt
       > SPD und Linke in die Arme der Kirchen. Sie sollen mehr Platz im
       > Ethikunterricht bekommen. Die Religionsfreunde lehnen ab.
       
 (IMG) Bild: Religion in der Praxis: Hans beim Fronleichnamsumzug in Seehausen -
       
       Die rot-rote Koalition ist bereit PfarrerInnen und Pastoren stärker in den
       Ethikunterricht einzubeziehen. In Erwartung des drohenden Volksbegehren für
       die Einführung eines alternativen Religionsunterrichts führen beide
       Parteien Gespräche mit der evangelischen und katholischen Kirche wie der
       Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Christian Gaebler
       bestätigt: "Für eine stärkere Kooperation ist die Tür immer offen."
       
       Auch Linke-Fraktionschefin, Carola Bluhm, betont: "Wir haben nicht
       grundsätzlich etwas dagegen, wenn die Kirchen am Ethikunterricht beteilgt
       werden." Es sei ja genau der Zweck dort auch über verschiedene Religionen
       zu informieren. Solche Kooperationen gibt es bereits an 30 Berliner
       Schulen. Am Sophie-Charlotte-Gymnasium etwa bestreiten Religions- und
       Ethiklehrer die zwei Wochenstunden gemeinsam.
       
       Als neues Pflichtfach setzte der Senat im Jahre 2006 Lebensgestaltung,
       Ethik und Religion (LER) für alle Schüler ab Klasse 7 auf den Lehrplan.
       Religionsunterricht können die verschiedenen Religionsgemeinschaften wie
       zuvor ab Klasse eins an den Schulen anbieten - auf freiwilliger Basis.
       Unterstützt von der evangelischen und katholischen Kirche will die
       Bürgerinitiative Pro-Reli im Herbst ein Volksbegehren für die
       Gleichstellung beider Fächer starten. Ziel ist es, dass sich Schüler
       beziehungsweise ihre Eltern ab Klasse eins für Ethik oder für Religion
       entscheiden.
       
       Auf einer Anhörung im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses am
       Donnerstag bekräftigten Vertreter der Bürgerinitiative und der
       evangelischen Kirche ihre Absicht. "Der Senat soll die Wahlfreiheit der
       Eltern ernst nehmen", forderte Pro-Reli Vorsitzender Christoph Lehmann. CDU
       und FDP unterstützen das Ansinnen.
       
       Einen neuerlichen vorgezogenen Wahlkampf wie beim Volksentscheid über den
       Flughafen Tempelhof, der Ende April scheiterte, möchten die
       Regierungsparteien am liebsten verhindern. Doch Gaebler ist skeptisch ob
       das gelingt: "Friedbert Pflüger wird versuchen, das Volksbegehrern als neue
       Profilierungsmöglichkeit zu nutzen." Auch seien die Kirchenvertreter
       derzeit nicht gewillt, als Gäste im Ethikunterricht zu sitzen.
       
       Eine stärkere Kooperation im Ethikunterricht sei keine Option, bestätigt
       Heike Krohn als Sprecherin der evangelischen Kirche
       Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Der Wunsch nach einem eigenen
       Fach Religion bliebe. "Aber wir könnten zu bestimmten Themen und Tagen
       zusammenkommen." Ähnlich sieht es auch die katholische Kirche. "Konkrete
       Kooperationen vor Ort sind nur sinnvoll wenn Augenhöhe gewahrt bleibt",
       meint der Sprecher des Erzbistums Berlin, Stefan Förner.
       
       Die evangelische und die katholische Kirche klagen über sinkende
       Teilnehmerzahlen insbesondere in der Oberstufe. Die katholische Kirche
       verlor seit Einführung des Faches Ethik über 400 Schäfchen in der 7. und 8.
       Klasse, die evangelische Kirche hat in den achten Klassen gar Verluste von
       1.300 Teilnehmern, ein Rückgang um fast 30 Prozent. Allerdings werden die
       Schüler insgesamt weniger und bezogen auf die Gesamtschülerzahl bewegen
       sich die Verlust im einstelligen Prozentbereich.
       
       Doch die Kirchenvertreter denken in die Zukunft. Waren vor zehn Jahren noch
       37 Prozent der Berliner konfessionell gebunden, sind es aktuell 31 Prozent,
       Tendenz weiter sinkend. Der Abwärtstrend spiegelt sich auch an den Schulen
       wider. Während im Ethikunterricht bis zu 32 Schüler versuchen müssen
       miteinander ins Gespräch zu kommen, debattieren im Religionsunterricht nur
       15 Teilnehmer.
       
       Sinkende Anmeldungen könnten dazu führen, dass bald keine Klassen mehr
       eingerichtet werden, befürchtet Förner vom Erzbistum. "Wir müssen präsent
       bleiben. Sind wir einmal draußen, kommen wir nicht wieder rein in die
       Schule."
       
       22 May 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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