# taz.de -- Kommentar: Im Glauben an die Ratio
> Der Berliner Senat kann im Streit um den Religionsunterricht an Schulen
> gelassen bleiben.
(IMG) Bild: Religion in der Praxis: Hans beim Fronleichnamsumzug in Seehausen -
Alljährlich am zweiten Donnerstag nach Pfingsten ziehen Hunderte in bunten,
wallenden Kleidern rund um den Gendarmenmarkt. Sie folgen einem güldenen
Gefäß, in dem sich Esspapier befindet. Gestern war es wieder so weit.
Fronleichnamsprozession nennt sich das Schauspiel. An ihm lässt sich
vortrefflich erklären, worum sich der Streit um den Religionsunterricht an
Schulen tatsächlich dreht.
Im katholischen Religionsunterricht würde gelehrt, dass es sich bei dem
angebeteten Brotersatz um den lebendigen Leib Christi handelt. Protestanten
würden die Ansicht vertreten, dass die Oblate eher ein Symbol für den Leib
Christi sei. Im Ethikunterricht wiederum würde verkündet, dass es neben
diesen beiden noch ganz andere Auffassungen gibt. Und dass man diesen je
nach Gusto Glauben schenken kann - oder auch nicht.
Die Kirchen wollen nun per Volksentscheid durchsetzen, dass Schüler
ausschließlich den von ihrer jeweiligen Sichtweise geprägten Unterricht
besuchen dürfen. Denn sie fürchten zu Recht, dass nur wenige Schüler Lust
verspüren, sich nach der Ethikstunde noch zusätzlich mit christlicher Lehre
beweihräuchern zu lassen.
Doch der Senat muss einen religiös geprägten Wahlkampf nicht fürchten. Im
Gegenteil. Er könnte, vom Glauben an die Richtigkeit des überreligiösen
Ethikunterrichtes überzeugt, darauf vertrauen, dass dieser bei einer
Volksabstimmung auch den Segen der rational denkenden Basis bekäme.
Das Fronleichnamsfest geht übrigens auf eine belgische Nonne zurück, die im
Jahr 1209 eine dunkle Stelle auf dem Mond erblickte und daraus
unzweifelhaft schloss, dass ein Fest zum heiligen Altarsakrament fehle.
Astronomie an Schulen kann auch nicht schaden.
23 May 2008
## AUTOREN
(DIR) Gereon Asmuth
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