# taz.de -- Deutschlands Streubomben-Politik: Kein Krieg ohne uns
       
       > Die Bundesregierung begrüßt das Verbot von Streubomben als "Meilenstein".
       > Doch tatsächlich hat Deutschland auf der Dubliner Konferenz weitreichende
       > Ausnahmen bewirkt.
       
 (IMG) Bild: Streubombenverbot? Gerne - solange die Interessen von Bundeswehr und Industrie nicht beeinträchtigt werden.
       
       Für die in Dublin erzielte Einigung auf ein Abkommen zum Streubombenverbot
       hat "Deutschland eine Vorreiterrolle" gespielt, ließ Bundesaußenminister
       Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag erklären. Das ist wohl wahr.
       Allerdings ganz anders, als er dieses Selbstlob gemeint hat. Deutschland
       war der Vorreiter bei der Durchsetzung von Ausnahmen, die auch künftig
       bestimmte Typen von Streumunition erlauben und gemeinsame
       Militäroperationen mit Nichtvertragsstaaten gestatten, selbst wenn diese
       dabei Streubombenmunition einsetzen. Fast hätte Deutschland auch noch für
       das Streubombensystem M-85, das 95 Prozent der aktuellen Bestände der
       Bundeswehr ausmacht, eine Ausnahme oder wenigstens einen Aufschub bewirkt.
       
       Vielen Beamten in der für Rüstungskontrolle und Abrüstung zuständigen
       Abteilung des Auswärtigen Amts ist die große Diskrepanz zwischen der
       schönen Abrüstungs- und Rüstungskontrollrhetorik ihres obersten Chefs und
       der tatsächlichen Rolle Deutschlands bei den Streubombenverhandlungen
       peinlich. Sie beklagen, dass ihr Ministerium nur formal die Federführung
       bei diesen oder anderen internationalen Verhandlungen über die Abschaffung
       oder Begrenzung bestimmter Waffen und Munitionstypen hat. Inhaltlich wurde
       die Linie Deutschlands bei derartigen Verhandlungen aber stets vom
       Verteidigungsministerium bestimmt. Und das vertritt die Interessen der
       Bundeswehr an der Beibehaltung bestimmter Waffen und Munitionstypen, weil
       diese aus militärischen oder bündnispolitischen Gründen angeblich
       unverzichtbar sind. Oder weil es den Interessen der Rüstungsindustrie
       entspricht.
       
       Nur wenn kein solches Interesse vorlag, konnte das Außenministerium in der
       Vergangenheit die deutsche Verhandlungsposition bestimmen. Eines der
       wenigen Beispiele hierfür sind die Verhandlungen der UN-Abrüstungskonferenz
       über das 1993 vereinbarte Verbot von Chemiewaffen, bei denen sich der
       damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher - im Konflikt mit den USA -
       für eine vollständige Abrüstung einsetzte.
       
       Im aktuellen Fall wollte die Bundeswehr die M-85 behalten, weil sich
       Streubomben dazu eignen, bei militärischen Interventionen den Gegner aus
       sicherer Höhe und mit geringem Risiko für die eigenen Soldaten zu
       bekämpfen. Das deutsch-israelische Firmenkonsortium Rheinmetall/MI, das die
       M-85 produziert, hatte Interesse an weiteren Aufträgen aus Deutschland und
       anderen Ländern.
       
       Die M-85 ist mit dem Abkommen von Dublin nun zwar verboten. Doch erlaubt
       bleibt auf Initiative Deutschlands ein Streubombentyp, dessen im Vertrag
       definierte technische Spezifikationen der ebenfalls in den Beständen der
       Bundeswehr befindlichen Smart-155 entsprechen. Diese von Panzerhaubitzen
       verschossene Streumunition wird hergestellt von der "Gesellschaft für
       intelligente Wirkungssteuerung". Dahinter verbergen sich die
       Rüstungskonzerne Rheinmetall und Diehl. Sie können sich nun ebenso Hoffnung
       auf zusätzlich Aufträge der Bundeswehr und anderer Streitkräfte machen wie
       die Rüstungsfirma Thyssen-Krupp, die die Panzerhaubitze 2.000 für den
       Verschuss der Smart-155 herstellt.
       
       Der Streubombenvertrag erinnert in vieler Hinsicht an den 1997 vereinbarten
       "Ottawa-Vertrag" zum Verbot von Antipersonenminen. Auch damals war
       Deutschland wesentlich dafür mitverantwortlich, dass solche Typen von
       Antipersonenminen von dem Abkommen ausgenommen blieben, an deren weiterer
       Verwendung oder Entwicklung und Produktion Bundeswehr und Rüstungsindustrie
       Interesse hatten. Panzerabwehrminen wurden wegen Deutschland erst gar nicht
       in das Abkommen aufgenommen.
       
       Auffallend groß ist die Diskrepanz auch bei den Kleinwaffen. Einerseits
       engagiert sich die Bundesregierung seit Jahren mit vielen guten Vorschlägen
       bei den UN-Beratungen über eine Kontrolle dieser Waffenkategorie, die 95
       Prozent aller Toten und Verwundeten in den Kriegen der letzten 20 Jahre
       gefordert hat. Doch zugleich nehmen die Exporte von Kleinwaffen aus
       Deutschland in alle Welt beständig zu - seit dem Jahr 2000 mit jährlich
       zweistelligen Zuwachsraten. Und die Bundesregierung nutzt die unabhängig
       von einer erstrebenswerten internationalen Vereinbarung schon heute zur
       Verfügung stehenden nationalen Instrumente zur Eindämmung dieser
       Entwicklung nicht. Nach Russland und den USA ist Deutschland der
       drittgrößte Kleinwaffenexporteur der Welt. Das Präzisionsgewehr G-3 der
       Firma Heckler & Koch aus Oberndorf ist neben der russischen AK-47 das
       weltweit am meisten verbreitete Mordinstrument. Lizenzen für den Nachbau
       dieses Gewehrs wurden mit Unterstützung früherer Bundesregierungen an
       etliche andere Staaten vergeben. Und auch die zum Nachbau erforderliche
       Technologie des Nachfolgemodells G-36 ist inzwischen in Mexiko und
       wahrscheinlich auch in anderen Ländern gelandet.
       
       Was für die Kleinwaffen gilt, trifft auch für den gesamten Bereich der
       Rüstungsexporte zu. Zwischen 1996 und 2007 - also auch schon unter der
       Regierung der rot-grünen Koalition - sind die deutschen Rüstungsausfuhren
       beständig angestiegen. Darunter vor allem auch die Rüstungsexporte in
       Kriegsgebiete, Krisenregionen sowie in die 48 ärmsten Staaten der Welt. Mit
       einem Exportwert von knapp acht Milliarden Euro pro Jahr ist Deutschland
       nach den USA und Russland inzwischen der drittgrößte Rüstungsexporteur der
       Welt, mit weitem Abstand vor Frankreich und Großbritannien.
       
       30 May 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
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