# taz.de -- Brandenburgische Kunstsammlungen: The Cottbus Modern
       
       > Die Brandenburgischen Kunstsammlungen heißen nun Kunstmuseum
       > Dieselkraftwerk Cottbus. Das neue Gebäude macht das Museum zum veritablen
       > Kunsttempel.
       
 (IMG) Bild: Das Foyer des neuen Kunstmuseums Dieselkraftwerk Cottbus.
       
       Ihr Büro sei das schönste in ganz Brandenburg, hat Ministerpräsident
       Matthias Platzeck zur Eröffnung des neuen Kunstmuseums in Cottbus zu
       Perdita von Kraft gesagt. Der Blick der Direktorin geht vom Schreibtisch
       direkt auf einen Teich: Reiher stehen am Ufer und zutrauliche Bisamratten
       tummeln sich auf der Wiese am Wasser.
       
       Auf diesen Blick hat die gebürtige Rheinländerin lange warten müssen. Bis
       zum letzten Jahr befand sich das Domizil des Museums in der Cottbuser
       Innenstadt, eine schon zu DDR-Zeiten eingeführte Adresse. 1977 wurde das
       heutige Museum für moderne Kunst als Abteilung des Bezirksmuseums Cottbus
       ins Leben gerufen. Nach der Wende firmierte es unter dem Namen
       Brandenburgische Kunstsammlungen. Der Umzug an den östlichen Innenstadtrand
       sorgt nun dafür, dass die rund 100.000 Einwohner zählende Metropole der
       Niederlausitz sich nominell mit einem neuen Kunstmuseum schmücken kann:
       Kunstmuseum Dieselkraftwerk oder kurz dkw heißt es nun.
       
       Und in der Tat, das neue Gebäude macht das Museum zum veritablen
       Kunsttempel, ähnlich wie das bei der Tate Modern in London geschah, auch
       wenn die Dimensionen in Cottbus wesentlich kleiner ausfallen. Dennoch: Das
       dezent mit einigen expressionistischen Schmuckformen versehene
       Backsteingebäude von 1928 sieht mit seinem Campanile einer Kirche ähnlicher
       als einem Industriebau.
       
       Der Entwurf des auf Kraftwerksbauten spezialisierten Architekten Werner
       Issel setzt einzelne Gebäudekuben - das Maschinen- und das Schalthaus und
       den Turm, von dem ursprünglich die Überlandleitungen abgingen - zu einer
       wohlproportionierten Großform in lang gestreckter L-Form zusammen. Das für
       den Umbau beauftragte Büro Anderhalten Architekten aus Berlin hat der
       Direktorin nun ihren schönen Arbeitsplatz verschafft, indem es die hinter
       einem Arkadengang gelegenen Türen zu den ehemaligen Kammern für Ölschalter
       und Transformatoren als Fenster ausbaute.
       
       Die Berliner Architekten haben auch sonst vom denkmalgeschützten Gebäude,
       etwa bei den farbigen Kachelwänden im Inneren oder bei der Klinkerfassade
       außen, fast alles erhalten. Für die jetzigen Museumszwecke kamen neue
       Elemente hinzu: So wurde der Werkstatthof durch eine gläserne Überdachung
       zum Foyer mit Verteilerfunktion. Die vier gläsernen Eingangstüren zieren
       abstrakte farbig-transparente Drucke von Paco Knöller. Von der neu
       entstandenen Eingangshalle dahinter gelangt man in den Verwaltungstrakt,
       die Cafeteria, in den Vortragssaal und - mittels einer neuen Betontreppe -
       in die Ausstellungsräume auf insgesamt 1.250 Quadratmetern Fläche.
       
       Auch hier ließen Anderhalten Architekten den patinierten Bestand weitgehend
       unberührt. Im Schalthaus wurde allerdings eine Decke entfernt, sodass eine
       großzügige Halle entstand. In den beiden großen Ausstellungshallen im
       ehemaligen Maschinenhaus, wo einst der 1.450-PS-Dieselmotor untergebracht
       war, stellten Anderhalten Architekten zwei Kuben als Raum im Raum, um
       Klima- und Lichttechnik für die Kunst optimal zu gewährleisten.
       
       Das funktioniert gut, jedenfalls deutlich besser als bei den kleineren
       Ausstellungsräumen, vor allem im obersten, dritten Geschoss, wo die
       ausgestellten Fotografien eine Woche nach Eröffnung noch in brütender Hitze
       ausharren müssten.
       
       Acht Millionen Euro hat der Umbau gekostet. EU, Bund, Land Brandenburg und
       Stadt stemmten die Summe gemeinsam. Die jetzige Trägerschaft durch die
       Brandenburgische Kulturstiftung Cottbus sorgt bei den laufenden Kosten für
       ein Auskommen. 18 Millionen Euro stehen zur Verfügung - allerdings zusammen
       mit dem Staatstheater Cottbus als zweiter Institution der Stiftung. Auf dem
       Kunstmarkt ist mit dem Ankaufsetat von zehntausend Euro jedenfalls kaum
       etwas Namhaftes zu bekommen. Umso mehr erstaunen Preziosen in der aktuellen
       Museumsschau wie eine große Fotoarbeit von Andreas Gursky oder ein 2000
       entstandenes Hochformat von Per Kirkeby. Man muss "den Riecher haben", um
       frühzeitig zuzuschlagen, erläutert Perdita von Kraft ihr Erwerbungskonzept.
       
       Vieles in der Sammlung des Museums stammt natürlich noch aus DDR-Zeiten,
       waren doch Erwerbungen bis 1990 auf eher regionale Künstler beschränkt,
       Dresdner Schule vor allem und deren spätexpressionistische Ahnherren, aber
       auch die neoexpressive DDR-Kunst der 80er-Jahre. Ab 1994 kam Perdita von
       Kraft, zuvor beim Siemens Kulturprogramm in München, und erweiterte die
       Sammlung um Zeitgenössisches.
       
       Berliner Galeriengängern wird vieles bekannt vorkommen. In der ersten
       Präsentation im Dieselkraftwerk wird nun bunt gemischt. 150 "Hauptwerke"
       aus dem Bestand sind zu sehen, darunter Arbeiten von Klaus Hartmann, Marcel
       Odenbach, Susanne Weirich, Ulrich Erben, Michael van Ofen, Micha Brendel,
       Kurt Buchwald, Eberhard Göschel, Rolf Julius, Alexander Timtschenko oder
       Olaf Nicolai.
       
       "Künstler, die im Land Brandenburg leben und arbeiten oder Landstriche in
       Brandenburg thematisieren, lagen von jeher im besonderen Interesse des
       Museums", lautet die Selbstdefinition der Institution. Aktuell stehen dafür
       Johannes Geccelli, Cornelia Schleime, Thoralf Knobloch, Clemens Gröszer,
       Hans Scheuerecker oder Werner Stötzer in der Präsentation. Wobei das Thema
       "Landschaft / Raum / Natur / Umwelt" als inhaltlicher Schwerpunkt des
       Museums so umfassend wie allgemein ist, dass Ost und West, Alt und Neu sich
       hier zwanglos zueinandergesellen. Natürlich sortiert man im Kopfe noch nach
       geografischer, politischer und kunsthistorischer Schablone, aber gerade die
       wilde Mischung verschiedener Stile und Geschmäcker macht den besonderen
       Reiz des Museums aus.
       
       Aus der Not eine Tugend zu machen, diese Strategie kennt man in Cottbus
       seit DDR-Zeiten: Traditionell setzt das Museum auf vergleichsweise
       preiswerte und platzsparende Medien wie Plakat und Fotografie. Die
       Plakatsammlung ist überregionale bedeutsam und macht mit über 15000
       Arbeiten vornehmlich zum kulturellen Plakat fast drei Viertel der Bestände
       aus. 60 Blätter, davon viele Theaterplakate, hängen derzeit in den Separees
       der ehemaligen Schaltkammern, die sich hervorragend für solche
       Kabinettausstellungen eignen. Auch mit der Fotografie lässt sich thematisch
       viel an- und ausstellen, es müssen nicht immer die Ölschinken sein. Auch
       hier kann das Museum aus reichen Beständen zu Autorenfotografie schöpfen,
       mit deren Erwerb bereits vor der Wende von 1989/90 begonnen wurde.
       
       Fazit: Die Umwidmung des alten Kraftwerks zu einem sehenswerten Museum
       beschert einer bislang außerhalb der Region wenig beachteten Institution
       einen angemessenen Rahmen. Nun wird es darauf ankommen, ob das
       vergleichsweise kleine und periphere Museum Anschluss an das große
       Kunstgeschehen halten kann. Insofern ist das großartige Gebäude auch eine
       Verpflichtung, nicht nur für das Museum selbst, sondern auch für die
       Unterstützer, Förderer und Gönner in Stadt und Land und darüber hinaus.
       
       30 May 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronald Berg
       
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 (DIR) DDR
       
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