# taz.de -- Türkei schießt die Schweiz aus der EM: "Schluss, Aus, Vorbei"
> Nach fast biblischen Regenfällen und einem unglücklichen Tor in
> allerletzter Minute ist die Schweiz draußen. Und alle Hoffnung auf das
> "Sommermärchen" gestorben.
(IMG) Bild: Jede Menge Wasser und Leidenschaft beim Spiel Schweiz gegen Türkei.
BASEL taz Köbi Kuhn saß dann auf diesem Podium, tief im Bauch des Basler
St. Jakob Parks. Leer, enttäuscht und tief traurig war er, der Trainer der
Schweizer Nationalmannschaft. So wie seine Spieler, die Schweizer Fans im
Stadion, ach was, die ganze Schweiz nach diesem Drama, das am Ende noch so
kulminierte und für Kuhn und alle, die mit der "Nati" fühlten, ein so
bitters Ende hatte.
"Once in a Liftime" – einmal im Leben, lautete das Motto, das Kuhn für
seine Mannschaft und die ganze Schweiz vor zwei Jahren ausgerufen hatte.
Fünf Tage im Juni sind daraus geworden und "Schluss, Aus, Vorbei" war die
EM für die "Nati", wie das Bouleverdblatt Blick trocken feststellt.
Ein Antritt von Arda Turan, ein Schuss, der Schweizer Innenverteidiger
Patrick Müller fälscht den Ball noch ab und die Kugel fliegt in hohem Bogen
über Torwart Benaglio ins Schweizer Tor. In der dritten Minute der
Nachspielzeit. Das 2:1 für die Türkei, die Schweiz ist ausgeschieden, nach
zwei Spielen bei der EM im eigenen Land. Denkbar unglücklich, durch ein Tor
in der dritten Nachspielminute.
"Was soll ich sagen", seufzte Kuhn, bevor er dann leise sagte: "Ich bin
tief enttäuscht." Am Sonntag, gegen die bereits für das Viertelfinale
qualifizierten Portugiesen, werden die Schweizer ihr letztes Spiel in
diesem Turnier bestreiten, bevor das Turnier ja eigentlich erst richtig
losgeht. In Genf streiten sich dann die Türkei und die Tschechen um den
zweiten Platz in der Gruppe A, der zur Teilnahme am Viertelfinale
berechtigt.
Die Schweizer, diese Meister in der Disziplin der ehrenhaften Niederlage,
werden gegen die Portugiesen um ihren ehrenhaften Abschied aus dem Turnier
spielen. "Wir werden wieder aufstehen und versuchen, die Zuschauer
zufrieden stellen", versicherte Kuhn. Und dann fügte der 64 Jahre alte Mann
noch eher flehend hinzu: "Ich denke, die Schweizer werden sich nicht
unterkriegen lassen und weiter feiern."
Am Sonntag wird es auch für Kuhn das letzte Spiel als Trainer der Nati
sein, Ottmar Hitzfeld übernimmt. Fast sieben Jahre war Köbi Kuhn Trainer,
dieser Mann mit den breiten O-Beinen und der Aura eines lieben Opas, der
aber auch den giftigen Onkel geben kann. Er hat viel erreicht. Schon als
U-21-Trainer im Verbund mit dem Technischen Direktor des Verbandes,
Hansruedi Hasler, hat er die Basis gelegt für die gute Ausbildung der
Schweizer Talente.
Er hat alte Diven wie Ciriaco Sforza, Stephane Henchoz und Johann Vogel
ausgemustert und junge Talente wie Philippe Senderos, Tranquillo Barnetta
und Gökhan Inler gefördert, die Schweiz ins Viertelfinale der WM 2006
geführt und ist 2006 zum Schweizer des Jahres gekürt worden.
Aber manchmal gehen die Dinge schneller vorbei als sie gekommen sind. Die
Schweizer haben gleich bei ihrer ersten Niederlage gegen Tschechien
vielleicht das Bild des Turniers geliefert, als ihr Kapitän Alexander Frei
mit einem Innenbandriss im Knie weinend vom Platz humpelte. Wer will, kann
das jetzt als die unheilvolle Ankündigung für das bittere Ende nehmen. Auch
der zweite Stürmer, Marco Streller, verletzte sich, nachdem er schon im
Vorfeld tollpatschig seinen Rücktritt angekündigt hatte, weil ihn die
Pfiffe der Zuschauer beleidigt hatten.
Und als wäre das nicht genug Negatives gewesen, musste Köbi Kuhns Frau
Alice letzte Woche ins Krankenhaus eingeliefert werden. Es lief also von
Anfang an nicht gut, und am Ende mussten sich die Schweizer eingestehen,
zwar nicht schlecht gespielt zu haben, aber eben dann doch nicht gut genug
gewesen zu sein.
Mittelfeldmann Tranquillo Barnetta von Bayer Leverkusen drückte es so aus:
"Unser Aufwand war größer als der der anderen." Einen Punkt hat ihnen das
nicht aber gebracht. Die Schweizer haben in den zwei Jahren der
freundschaftsspielenden EM-Vorbereitung den Sprung nicht mehr gemacht von
einer talentierten zu einer reifen Mannschaft. Die Substanz war zu gering,
um beispielsweise den Ausfall eines Leaders wie Frei wegzustecken.
Am Ende blieb nichts als Trotz: "Wir werden wieder zurückkommen mit mehr
Erfahrung. Definitiv", versprach Philippe Senderos verzweifelt.
Genauso gut hätten sie ja als Sieger vom Platz gehen können gegen die
Türken. Früh sind sie in der ersten Halbzeit durch den unverwüstlichen
Veteran Hakan Yakin in Führung gegangen (32.), als der Himmel über Basel
seine Schleusen geöffnet hatte und bis zum Halbzeitpfiff des slowakischen
Schiedsrichters Lubos Michel schier biblische Regenmassen auf den Rasen des
Joggeli niederprasselten und das Geläuf tief, rutschig und unberechenbar
machten.
Da verpassten die Schweizer die Chance, ein zweites Tor zu erzielen, weil
die Türken mit den Gegebenheiten nicht zurecht kamen, wie der türkische
Rechtsverteidiger Hamit Altintop später zugab. Aber die Ereignisse bekamen
eine Wendung, als zur zweiten Halbzeit der Regen aufhörte, der türkische
Nationaltrainer Fatih Terim in Semih endlich eine zweite Spitze aufbot und
die Türken nun spielerisch besser waren und auch mehr Kraft in den Beinen
hatten.
Aber selbst dann hielt das Match noch einmal die Chance für die Schweizer
parat, ihrem Unheil zu entgehen. Aber der türkische Torwart Volkan parierte
den Schuss von Hakan Yakin aus 13 Metern glänzend (82.). Dann kam Arda,
dann kamen die Tränen und die Trauer der Schweizer.
Den Türken ist die Revanche für das Ausscheiden in der Barrage zur WM 2006
gegen die Schweizer gelungen. Es blieb friedlich, das ist Chronistenpflicht
zu vermerken, nachdem damals türkische Spieler und Offizielle in Istanbul
nach dem WM-Aus auf Schweizer Spieler und Delegationsmitglieder
eingeprügelt hatten.
Auf und auch neben dem Platz blieb es ruhig. Mitleid verspüre er aber nicht
mit den Schweizern, sagte Hamit Altintop. Ihm sei auch einmal in letzter
Minute alles aus den Händen gerissen worden, wovon er lange Zeit geträumt
hatte, als U-21-Nationalspieler gegen Deutschland bei einer
EM-Qualifikation 2003. "Das ist Sport. Es gibt schöne Zeiten und weniger
schöne Zeiten", philosophierte er. Für die Schweizer geht es nun um einen
ehrenvollen Abschied in weniger schönen Zeiten.
Die Türken haben es nun in der Hand, ihre schöne Zeit noch etwas zu
verlängern.
11 Jun 2008
## AUTOREN
(DIR) Tobias Schächter
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