# taz.de -- Aus Mangel an Beweisen: Freispruch im Politkowskaja-Prozess
       
       > Alle Angeklagten im Moskauer Verfahren wegen des Mordes an der russischen
       > Journalistin Politkowskaja werden freigesprochen. Das überrascht sogar
       > die Verteidigung.
       
 (IMG) Bild: Während des Prozesses saßen die Angeklagten hinter Gittern.
       
       Der erste Strafprozess wegen des Mordes an der russischen regimekritischen
       Journalistin Anna Politkowskaja endete am Donnerstag in Moskau mit einer
       Überraschung: Alle vier Beschuldigten wurden freigesprochen. Angeklagt
       wegen Beihilfe zum Mord waren die beiden tschetschenischen Brüder Ibrahim
       und Dschabrail Machmudow, die Politkowskaja überwacht haben sollen, sowie
       ein russischer Ex-Polizist. Dem vierten Angeklagten, einem ehemaligen
       Geheimdienstoffizier, war Amtsmissbrauch vorgeworfen worden, weil er die
       Adresse der Reporterin weitergegeben haben soll. Der angebliche
       Todesschütze, ein Bruder der angeklagten Tschetschenen, ist weiter auf der
       Flucht, genauso wie der Auftraggeber des Mordes.
       
       Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 im Treppenhaus ihres Moskauer
       Wohnblocks erschossen worden. Die Mitarbeiterin der oppositionellen Zeitung
       Nowaja Gaseta hatte sich vor allem durch kritische Reportagen über den
       Krieg in Tschetschenien und Berichte über schwerste
       Menschenrechtsverletzungen einen Namen sowie bei der russischen Regierung
       unbeliebt gemacht.
       
       Eine Geschworenen-Jury sah am Donnerstag die Tatvorwürfe gegen die
       Angeklagten nicht als erwiesen an und entsprach damit dem Antrag der
       Verteidigung. Diese hatte aus Mangel an Beweisen einen Freispruch
       gefordert. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, gegen das Urteil in Berufung
       zu gehen.
       
       Die Familie von Politkowskaja hatte bereits während des Prozesses
       erhebliche Zweifel an der Schuld der Angeklagten geäußert. Deren Anwältin,
       Kaina Moskalenko, hatte noch am Mittwoch nach den Schlussplädoyers von
       Anklage und Verteidigung die Ermittler beschuldigt, gefälschte Beweise
       fabriziert zu haben. Es gebe keine direkten Belege für die Schuld der
       Angeklagten. Nach der Urteilsverkündung zeigte sich Moskalenko erleichtert.
       "Das ist ein seltenes Beispiel für Rechtsstaatlichkeit in Russland", sagte
       sie dem russischen Radiosender Echo Moskwy.
       
       Dem stimmt auch Sergei Solowkin zu. Der russische Journalist, der ebenfalls
       für die Nowaja Gaseta arbeitete, war 2002 in Sotschi nur knapp einem
       Mordanschlag entgangen und lebt seitdem als politischer Flüchtling in
       Deutschland. Das Urteil zeige zwar einerseits die Unabhängigkeit der
       Geschworenen-Jury. Gleichzeitig könne die Staatsmacht diese Entscheidung
       benutzen, um die wahren Auftraggeber auch weiter zu verschleiern.
       
       Ihre Tätigkeit für die Nowaja Gaseta haben seit 2000 bereits vier
       Journalisten mit ihrem Leben bezahlt. Am 19. Januar 2009 wurde mit
       Anastasia Baburowa eine freie Mitarbeiterin des Blattes in Moskau auf
       offener Straße erschossen. Baburowa arbeitete vor allem über die rechte
       Szene in Russland. Ebenfalls bei dem Anschlag kam der Menschenrechtsanwalt
       Stanislaw Markelow ums Leben. Er war unter anderem als wichtiger
       Rechtsbeistand von Anna Politkowskaja bekannt geworden.
       
       19 Feb 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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