# taz.de -- Der Kampf der Athleten gegen Doping: Ein Leben für den Sport
       
       > Lance Armstrong erstmals wieder in Europa. Er sagt: "Ich bin sauber."
       > Doch wer soll ihm vertrauen? Athleten kämpfen um ihre Glaubwürdigkeit -
       > und opfern dabei ihre Persönlichkeitsrechte.
       
 (IMG) Bild: "Ich bin sauber": Lance Armstrong in Rancho Bernardo bei der Tour of California am 22. Februar 2009.
       
       "Ich bin sauber." Klar. Was soll er sonst in die Welt hinaustwittern?
       Wahrscheinlich ist es Lance Armstrong egal, ob man ihm glaubt. Denn im
       Januar ist er in Australien in die Saison gestartet - und wurde bejubelt.
       Die Tour of California ein paar Wochen danach geriet zu einer vorgezogenen
       Ehrenrundfahrt für die Comeback-Saison des siebenfachen
       Tour-de-France-Siegers. Lance Armstrong, von dem sechs positive
       Dopingproben aus dem Jahr 1999 bekannt sind, ist wieder da. Heute startet
       er zum ersten Mal in Europa, seit er wieder Rennen fährt: beim ersten
       großen Rennen des Jahres, dem italienischen Frühjahrsklassiker Mailand-San
       Remo. Er wird nicht gewinnen. Das Rennen ist ein Event für Sprinter.
       Dennoch wird er im Mittelpunkt stehen. Und niemand wird sich wirklich dafür
       interessieren, ob er sauber ist. Er ist dabei. Der Radsport, der einen
       Skandal nach dem anderen produzierte, ist wieder eine Show. Dank Armstrong.
       
       Für Sabine Spitz, die bei den Olympischen Spielen in Peking Gold im
       Mountainbiking gewonnen hat, beginnt die Saison so richtig erst in vier
       Wochen mit dem ersten Weltcuprennen. Derzeit bringt sie sich in Zypern in
       Form. Auch sie ist Profi im Radsport. Doch mit den Straßenfahrern will sie
       nichts zu tun haben. "Auch im Mountainbike-Sport hat es schon Dopingfälle
       gegeben", sagt sie. "Aber alle, die nach einer Sperre in die Szene
       zurückgekehrt sind, waren danach bei den anderen geächtet." Im
       Straßenradsport ist das anders. Die Olympiasiegerin will etwas beweisen.
       Nach ihrem Triumph in Peking hat sie gesagt, dass sie am liebsten zum
       Edding gegriffen hätte und mit einem Plakat auf das Spiegerpodest gestiegen
       wäre. "Spitzenleistungen sind auch ohne Doping möglich", hätte sie darauf
       geschrieben.
       
       Sabine Spitz weiß, dass man einer Spitzensportlerin nicht einfach glaubt,
       wenn sie sagt, dass sie nicht dopt. Das Vertrauen in den Sport ist lange
       schon weg. Deshalb unterwirft sie sich der Kontrolle durch die
       Anti-Doping-Agenturen und die Verbände. Die Welt-Anti-Doping-Agentur
       unterhält eine Datenbank, in der die Sportlerinnen und Sportler für jedes
       Quartal im Voraus ihre Aufenthaltsorte eingeben müssen. Seit diesem Jahr
       müssen die Topathleten zudem für jeden Tag eine Stunde angeben, zu der sie
       für eine Dopingkontrolle zur Verfügung stehen. "Wo ist das Problem?", fragt
       Sabine Spitz. Wenn sich etwas im Terminkalender ändere, reiche eine SMS -
       und die Änderung wird in die Datenbank eingegeben. Für die, denen auch das
       noch zu umständlich ist, hat Spitz einen speziellen Vorschlag. "Man kann ja
       auch an ein GPS-System zur Ortung der Sportler denken", sagt sie. Das
       erinnert an den Vorschlag des schwedischen Leichtathletikstars Carolina
       Klüft, die sich für die Implantation eines Chips in die Athletenkörper
       ausgesprochen hat, auf dass die Sportler immer auffindbar seien.
       
       Nicht alle Sportler denken so. "Du musst dein ganzes Leben offenlegen, das
       kann doch nicht sein", sagt Manuel Fumic. Auch er ist Moutainbiker. Zweimal
       war er bei Olympischen Spielen für Deutschland am Start. Er empfindet das
       Meldesystem im Anti-Doping-Kampf als empfindlichen Eingriff in seine
       Privatsphäre. Auch Fumic gibt seine Aufenthaltsorte in die Wada-Datenbank
       ein. "Wenn ich mich nicht darauf einlasse, dann darf ich meinen Sport nicht
       ausüben", sagt er. Denn würde er sich der Meldepflicht entziehen, würde er
       wie ein Dopingsünder behandelt - und zwei Jahre gesperrt.
       
       Manuel Fumic will mit seinem Bruder Lado, mit dem er den Rennstall "Fumic
       Brothers International" unterhält, gegen das Meldewesen klagen. Die Fumics
       sagen, sie hätten schlechte Erfahrungen gemacht mit der Datenweitergabe im
       Wada-System. "Es wurden auch schon Daten missbraucht. Die sind bei
       irgendwem gelandet und später an der Hotelbar aufgetaucht. Da ging es um
       persönliche Daten: Geburtstag, Wohnort, was und wo getestet wurde", erzählt
       Manuel Fumic. Ein gläserner Athlet will er nicht sein. Er möchte als
       Sportler Privatmann bleiben können.
       
       Längst beschäftigen sich die obersten Datenschützer der Europäischen Union
       mit den Meldepflichtregelungen der Welt-Anti-Doping-Agentur. Die
       Artikel-29-Gruppe, das unabhängige Beratungsgremium der Europäischen Union
       in Datenschutzfragen, hat etliche Bedenken gegen die üppige Datensammlung.
       Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz, lange auch Vorsitzender
       der Artikel-29-Gruppe, hat vor zwei Wochen für Entsetzen bei den
       Dopingjägern gesorgt. In einem Interview sagte er: "Ich frage mich schon,
       ob der Umfang der Speicherung die Menschenwürde der Sportler wahrt." Er hat
       dabei nur gesagt, was die EU-Datenschützer in einem ersten Zwischenbericht
       zu den Wada-Datensammlungen festgestellt haben. In der Tat werden auch
       Angaben zum Gesundheitszustand der Athleten gespeichert. Schaar hat einen
       derartigen Sturm der Entrüstung mit seinen Aussagen losgetreten, dass er
       sich derzeit nicht mehr zu dem Thema äußern will.
       
       Die Nationale Anti-Doping-Agentur sowie der im Deutschen Olympischen
       Sportbund (DOSB) organisierte Sport haben Angst, dass das mühsam errichtete
       Kontrollsystem von den Datenschützern zertrümmert wird. Thomas Bach,
       Präsident des DOSB, meldet sich immer dann laut zu Wort, wenn er den
       Verdacht hat, der Staat wolle sich in die autonome Sportwelt einmischen.
       "Die Sportler bewegen sich nicht in einem staatlichen System, dem sie sich
       nicht entziehen können, sondern freiwillig im System des Leistungssports",
       sagte er in einer Erwiderung auf Peter Schaar. Aber genau das ist für den
       Datenschützer ein Problem. Schaar versteht nicht, "warum man das
       Kontrollwesen dem Sport überlässt und auf gesetzliche Regelungen fast
       gänzlich verzichtet".
       
       Die Fumic-Brüder horchen an dieser Stelle auf. Manuel Fumic, Achter bei den
       Olympischen Spielen von Athen, kann nur lachen, wenn er hört, ein Sportler
       unterwerfe sich freiwillig dem Sportsystem. "Wenn ich nicht mitmache,
       fliege ich raus. Das kann doch nicht sein", sagt er. In der Monopolstellung
       der Sportverbände sieht auch Lars Figura ein Problem. Der ehemalige
       Kader-Leichtathlet und Spezialist über die 400-Meter-Strecke hat vor kurzem
       seine juristische Dissertation mit dem Titel "Doping - Zwischen
       Freiheitsrecht und notwendigem Verbot" vorgelegt. Er steht für ein strenges
       Kontrollregime und beklagt die fehlende juristische Aufarbeitung, die auch
       bei den größten Dopingskandalen meist ausbleibt. "Der Sport hat die
       wesentliche Voraussetzung verloren, damit ich an die eigene Chance glauben
       kann", sagt er. Figura hat deshalb 2002 seine Karriere beendet.
       
       "Bei uns hat es noch keinen Dopingfall gegeben", sagt Alexander Grimm. Er
       ist Wildwasserkanut und hat in Peking die Goldmedaille gewonnen. Er glaubt
       noch an den fairen Wettbewerb in seiner Disziplin. Auch Grimm gibt seine
       Aufenthaltsdaten vorschriftsmäßig in die Wada-Datenbank ein. "Das muss ich
       ja", sagt er. Der Olympiasieger studiert Maschinenbau in Augsburg. Er wird
       regelmäßig kontrolliert. "Damit muss man leben", sagt er. "Ständig" stünden
       Kontrolleure vor der Tür. Er kann akzeptieren, dass des Öfteren in seinen
       Alltag eingegriffen wird. So könne immer wieder nachgewiesen werden, wovon
       Grimm fest überzeugt ist: "Wir sind ein sauberer Verband."
       
       Auch die neue Ein-Stunden-Regel, die seit Jahresbeginn gilt, macht Grimm
       keine Probleme. Er muss wie alle Topathleten für jeden Tag eine Stunde
       benennen, in der er für eine Dopingkontrolle zur Verfügung steht. Zwischen
       sechs und sieben Uhr morgens, wenn er eh zu Hause sei, stehe er für die
       Feldjäger des Sportsystems zur Verfügung. Sabine Spitz macht es ähnlich.
       Schlimm finden das beide nicht. Dafür hat sich zu Jahresbeginn Michael
       Ballack, Kapitän der Fußballnationalmannschaft, zu Wort gemeldet. "Es wird
       massiv ins Privatleben eingegriffen", meckerte er. Kanuten, Leichtathleten
       oder Schwimmer winken da nur ab. Sie geben seit Jahren ihre Aufenthaltsorte
       an. Deutschlands beste Fußballer müssen das erst seit Jahresbeginn machen.
       Die Kicker hinken im Anti-Doping-Kampf traditionell hinterher.
       
       Vorreiter dagegen wollen ausgerechnet etliche Straßenradsportler sein. Es
       sind vor allem die überführten Dopingsünder, die sich als gläserne Athleten
       präsentieren. Ivan Basso, Sieger des Giro dItalia 2006, bevor er wegen der
       Verwicklung in die große spanische Blutdopingaffäre gesperrt wurde, stellt
       nach verbüßter Strafe seine Blutwerte ebenso ins Internet wie der ehemalige
       Testosteron-Doper aus dem untergegangenen T-Mobile-Rennstall, Patrik
       Sinkewitz. Für Sabine Spitz macht sie das nicht glaubwürdiger. "Da bräuchte
       es dann schon einen DNA-Abgleich, um die Echtheit der Daten zu beweisen",
       sagt sie.
       
       Lance Armstrong interessiert das nicht. Der 37-Jährige hatte zunächst
       angekündigt, ein persönliches Antidopingprogramm zu organisieren. Als er
       merkte, dass er das nicht braucht, um die Massen zu begeistern, ruderte er
       zurück. Einmal hat er seine Blutwerte im Netz veröffentlicht. Ob sie echt
       sind? Egal. Die Vertrauensfrage hat der Straßenrennsport längst verloren.
       
       Daneben gibt es immer noch Disziplinen, in denen ein ehrlicher Kampf um die
       Glaubwürdigkeit der Leistungen geführt wird. Die Sportler, die ihn führen,
       sind bereit, viel zu opfern - auch ihre Persönlichkeitsrechte.
       
       20 Mar 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Radsport
       
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       allzu unkritisch gesehen wird.