# taz.de -- DDR und Tiananmen-Massaker: Der Sargnagel aus Fernost
       
       > Die DDR-Führung befürwortete das Tiananmen-Massaker - und zerstörte damit
       > jede Hoffnung auf ihre Wandlungsfähigkeit.
       
 (IMG) Bild: Habe gezeigt, dass er nicht der Reformer gewesen sei, für den ihn manche gehalten hätten: Egon Krenz.
       
       Nicht nur in China, auch in der DDR war im Frühjahr 1989 die Lage
       angespannt. Nach den Kommunalwahlen vom 7. Mai hatten Bürgerrechtler
       erstmals ein Gesetz genutzt, das eine unabhängige Wahlbeobachtung erlaubte.
       Als die SED stolz das Ergebnis von 98,85 Prozent für ihre Einheitsfront
       verkündete, wurden die Fälschungen schnell entlarvt. Dann kam die
       Niederschlagung der Proteste in China, die DDR-Opposition war schockiert.
       
       "Egon Krenz rechtfertigte das gewaltsame Vorgehen als normale Regelung der
       internen Angelegenheiten Chinas", erzählt Jörg Tretschok, 44, der damals in
       Ostberlin lebte und heute als Pflegehelfer in Leipzig arbeitet. "Da dachte
       ich, der wird ein ähnliches Vorgehen gegen Demonstranten hier auch so
       erklären." Die meisten verstanden die Worte des SED-Kronprinzen als Drohung
       mit Gewalt: fortan "chinesische Lösung" genannt.
       
       Dennoch überwindet Tretschok seine Angst und schließt sich den zwanzig
       Aktivisten an, die am 6. Juni der chinesischen Botschaft in Berlin-Pankow
       eine Protestnote überbringen wollen. Schon auf dem Weg sieht er, wie ein
       Bekannter abgeführt wird. Tretschok selbst gelangt zur Botschaft, wird aber
       bald festgenommen.
       
       Nachts kommt er wieder frei, am nächsten Tag nimmt er mit 200 anderen an
       der ersten Demonstration gegen die gefälschte Kommunalwahl teil. Wieder
       wird er festgenommen. Am 8. Juni stellt sich die Volkskammer einstimmig
       hinter Chinas gewaltsames Vorgehen. Mit Hans Modrow, Günter Schabowski und
       Egon Krenz reisen bald hohe Funktionäre zum Freundschaftsbesuch nach
       Peking. Sie delegitimieren damit ihr eigenes Regime weiter.
       
       Ein "Ansteigen provokatorisch-demonstrativer Handlungen gegen die Politik
       der Staats- und Parteiführung sowie gegen Einrichtungen der VR China in der
       DDR" vermerkt die Staatssicherheit in ihrem Wochenübersicht Nr. 24/89 aus
       Berlin, Potsdam, Rostock, Gera, Leipzig und Halle. Laut Staatssicherheit
       protestieren selbst SED-Mitglieder.
       
       Dabei hätten die Proteste in China die DDR-Bevölkerung zunächst in
       Verlegenheit gebracht, meint Christian Halbrock. Der Mitgründer der
       Ostberliner Umweltbibliothek, dem Zentrum der DDR-Opposition, arbeitet
       heute für die "Birthler-Behörde". "Nachdem schon in Polen und Ungarn
       Reformen in Gang gebracht worden waren, berührte es DDR-Bürger peinlich,
       dass selbst im fernen China Menschen so zahlreich demonstrierten, nicht
       aber in der DDR", sagt Halbrock. Die Gewalt des chinesischen Regimes habe
       jene in der DDR, die noch an eine sozialistische Utopie geglaubt hätten,
       endgültig desillusioniert. Und Krenz habe gezeigt, dass er nicht der
       Reformer gewesen sei, für den ihn manche gehalten hätten.
       
       Auch in einer anderen Hinsicht beeinflussten die Ereignisse in China die
       Proteste, die im Herbst 1989 zur Massenbewegung anwuchsen: Die
       Demonstranten achteten strikt auf Gewaltverzicht. Die Parole "Keine
       Gewalt!" sollte die Schwelle für eine "chinesische Lösung" erhöhen, vor der
       sich viele Oppositionelle noch im Herbst 1989 fürchteten.
       
       2 Jun 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) DDR
       
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