# taz.de -- Ebony Bones Debütalbum: Liebe das Feuerwerk wie dich selbst!
       
       > Für welchen Riot steht dies Riot Girl? Das Debütalbum "Bone Of My Bones"
       > der Sängerin Ebony Bones.
       
 (IMG) Bild: Punk ist für Ebony Bones weniger musikalisches Genre als Lizenz zum Selbermachen.
       
       Hier kommt ein neues Genre: ADHS-Pop. ADHS steht für
       Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom. Je häufiger es auftaucht,
       desto mehr wird es als Symptom wahrgenommen: ein schwer fixierbares
       Ensemble aus normabweichenden Handlungen, das sich allmählich zur
       Kenntlichkeit entwickelt, bis es einen Krankheitsnamen bekommt. Aber wie
       das so ist bei postmodernen Krankheitsbildern auf psychosozialer Grundlage:
       Schneller als ein Flash Mob bildet sich ein Haufen, der bereit ist, den
       Spieß umzudrehen, die Krankheit zur Waffe zu machen und mit Zizek
       auszurufen: Liebe dein Symptom wie dich selbst!
       
       Die überzeugendsten Vertreterinnen von ADHS-Pop sind in der Reihenfolge
       ihres Auftretens: M.I.A., Santigold und, eben: Ebony Bones. Alle drei sind
       weiblich, nicht weiß, bringen in kürzester Zeit extrem viele verschiedene
       Bilder von sich in Umlauf und sprechsingen in kurzer Zeit extrem viele
       verschiedene Wörter. Sie wechseln die Frisuren wie andere das Hemd und die
       Hemden wie Zapper das TV-Programm.
       
       Zur Sekunde des Fotoshootings zu ihrem Debütalbum "Bone of my Bones" trägt
       Ebony Bones einen blonden Afro zu einem Patchwork aus schwarzweißen
       Herzchenleggings, quietschbuntem Batik-Top und 13 wurstartigen Arm- und
       Taillenreifen (aus Schaumgummi?) mit geometrischen, psychedelischen und
       minimalistischen Mustern in allen erdenklichen Schockfarben. Die Dicke der
       Reifen reicht von knackwurstdünn bis mortadellamassiv. Ebony Bones - der
       Name spricht: Wer im Großbritannien der Achtziger seine Tochter Ebony
       nennt, trägt seine dunkle Haut mit Selbstrespekt. Klein-Ebony wird Boney
       gerufen, wegen der Knochen, nicht wegen Boney M. Mit 24 hat sie eine
       Schauspielkarriere hinter sich, interdisziplinär, Macbeth und TV-Soap. Wer
       das kann, kann auch Pop. Oder Punk, wie Ebony Bones ihre Musik nennt. Oder
       besser: ihre Haltung.
       
       Wie bei Santigold und M.I.A. ist Punk für Ebony Bones weniger musikalisches
       Genre als Lizenz zum Selbermachen, Medium der Selbstermächtigung. Und
       schneller als du Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom sagen
       kannst, ist Ebony Bones der neue Do-it-yourself-Superstar. Nie ging
       self-fulfilling prophecy schneller. Nie war schwerer zu unterscheiden: wo
       endet die Kontrolle der selbstermächtigten Multitaskerin? Wo beginnt das
       Drama der hochbegabten ADHS-Patientin? Wo endet der
       Alles-ist-verfügbar-Eklektizismus? Wo beginnt Autopilot-Beliebigkeit?
       Punktgenau lanciert die Ebony-Bones-Blog-Buster-Maschine griffige
       Fangwörter: Künstlerin unserer Zeit, polymorpher Sound, Pick & Mix- Ansatz,
       i-Tunes-Welt …
       
       "Bone of my Bones" geht los mit "W.A.R.R.I.O.R.". Der unbedingte Wille zum
       Warriortum geht Ebony keine Sekunde ab. Unklar bleibt, wofür hier
       gewarriort wird. Für welchen Riot sie das Riot Girl gibt. Wie M.I.A. und
       Santigold ist auch Ebony Bones ein Warrior des Vitalismus, gern mit einem
       Schlag ins Schamanistische, auf verwackelten Live-Clips kann man sie mit
       der jungen Neneh Cherry verwechseln oder mit den Slits. Oder mit den Chicks
       On Speed, den Müttern des ADHS-Electropunk. Ansonsten ist es ja Quatsch,
       die zwölf Superhits von Ebony als Album zu besprechen. Kein userlogisch
       agierender Fan wird dieses Patchfeuerwerk am Stück konsumieren, da droht
       Overload. Ideenvergiftung.
       
       Dass songgewordene Ansammlungen von Sekundenflashs überhaupt noch im längst
       implodierten Format Album besprochen werden, hat in erster Linie damit zu
       tun, dass Erzählkonventionen aus dem letzten Jahrhundert nicht so mir
       nichts, dir nichts abzuschaffen sind. In zweiter Linie damit, dass der
       Rezensent sich zur Rezensierten verhält wie Ginger Rogers, Tennessee
       Williams, Karl Schiller oder Georges Pompidou zu den Beatles 1962, da kam
       ihre erste Platte. 30 Jahre älter.
       
       Ebony Bones, "Bone Of My Bones" (Sunday Best/PIAS)
       
       13 Jun 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Walter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Berghain
       
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