# taz.de -- Schule 21: Im Windschatten der Fabrik
       
       > Hemelingen ist ein komplettes Dorf in der Stadt mit eigenem
       > Künstler-Verein, der Ateliers betreibt - und zurzeit eine Ausstellung von
       > Julia Baier und Uli Chomen zeigt
       
 (IMG) Bild: Kontrastives Spiel mit dem Väter-Thema
       
       Hemelingen und Kultur reimt sich nicht, und auch sonst denkt man beides
       selten zusammen. Natürlich zu Unrecht. Denn Hemelingen ist ein komplettes
       Dorf in der Stadt. Es gibt ein Bürgerhaus, diverse Kirchen und das Kultur-,
       Bildungs- und Kommunikationszentrum Kubiko sowie unerwartet hübsche
       Gärtchen, die sich, rechts der Betonschneise des Tunnels, dem Stempeldruck
       "Industriestandort" widersetzen, als würden sie sagen: Doch, hier wird auch
       gelebt. Und vor allem gibt es dort einen schnuckelig-kleinen Kunst- und
       Kulturverein.
       
       Der heißt, etwas irritierend, Schule 21, obwohl er keine pädagogischen
       Ambitionen hat. Sondern, logo, künstlerische, wobei das Wort Ambitionen
       viel zu unentspannt klingt: Hier findet Kunst statt, hier kann sie, in drei
       Gemeinschaftsateliers und in der Bildhauerwerkstatt, zu sich kommen in der
       Ruhe einer Wohnstraße. "Hier kann ich zurückgezogen arbeiten", sagt
       Kunst-Studentin und Mitgründerin Marie Luise Schweitzer, und dafür in
       Bremen geeignete Räume zu finden, ist sonst schon schwierig genug.
       
       Aber der Verein, der seit rund anderthalb Jahren arbeitet und bislang ohne
       jede Förderung auskommt, macht gleichzeitig Programm, das sich auch, aber
       nicht nur an den Stadtteil richtet: In den frisch geweißten und zu einem
       großen Saal fusionierten Klassenzimmern der ehemaligen Schule gibt es jeden
       letzten Samstag im Monat eine Jam-Session, es gibt einen Sommerworkshop mit
       Abschlussfest. Und dann und wann eine Ausstellung. Wie aktuell die
       verblüffende Gemeinschaftsschau "Väter" von der längst in Berlin lebenden
       Ex-Bremer Fotografin Julia Baier und dem Grafiker Uli Chomen, der sein
       Atelier im Künstlerhaus Güterbahnhof hat.
       
       "Es ist", sagt Katharina Lammers, die auch zum Schule 21- Vorstand gehört,
       "die erste Ausstellung, die nicht von Vereinsleuten gestaltet wird", aber
       das soll so nicht bleiben: Dass es hier endlich noch einen Off-Showroom
       gibt, ist eine gute Nachricht für die Akteure der Kunstszene.
       Vorausgesetzt, sie finden den Weg in den Windschatten der
       Coffein-Compagnie.
       
       Chomen und Baier kennen sich noch von ganz früher, aus Passau. Die
       gemeinsame Vaterstadt ist eine der Quellen des Ausstellungs-Themas, mit dem
       sie eigenwillig und abstrakt spielen: Chomen zum Beispiel hat im Comic-Stil
       eine Serie von Covern zu fiktiven Konsalik-Scharteken gezeichnet. Es lässt
       sich ahnen, warum: Das Figuren-Repertoire von Heinz Günter Konsaliks
       Romanen bestand aus schurkigen Schurken, kerligen Kerlen nebst willigen
       Weibchen und wurde durch militaristische Handlung in Interaktion versetzt.
       Das machte diese Bücher in den 1970er Jahren zur Lieblingslektüre
       männlicher Kleinbürger. Also der Durchschnittsväter.
       
       Den witzig-soziologischen Ansatz kontrastiert Baier durch einen radikal
       persönlichen: Sie hat aus den Zeitungsausschnitten, die ihr Großvater seit
       Jahrzehnten für sie sammelt, einzelne ausgewählt und sie - ziemlich wild -
       an die Wand gepinnt. Und sie hat ihn selbst in Passau fotografiert, in
       einer Gemäldegalerie, am Grab seiner Frau, in simplen Straßenszenen.
       
       Aber, Meisterin des Porträts, die sie ist, verzichtet sie auf Gesichter.
       Sie reduziert ihren Blick auf Rückenansichten oder Bilder einer in sich
       versunkenen Gestalt. Ja, aus einzelnen Abzügen hat sie selbst die
       herausgeschnitten, und mehrere dieser bearbeiteten Fotos so übereinander
       gelegt, dass der Blick durch sie hindurch auf die Wand fällt, das Auge ein
       Verschwinden erlebt.
       
       Die Ausstellung ist bis 24. Juli geöffnet - aber nur auf Anfrage: "Wir
       haben hier keine Laufkundschaft", sagt Lammers. Aber es ist fast immer
       jemand zu erreichen.
       
       7 Jul 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fotografie
       
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