# taz.de -- Bund über Jamaika-Koalition: Jenseits des Saarlands
       
       > Der Bundespartei fällt es schwer, Schwarz-Gelb-Grün zu begrüßen. Vor
       > allem aus der Parteilinken kommt Kritik.
       
 (IMG) Bild: Hubert Ulrich, der Mann, der die saarländischen Grünen zu neuen Ufern führen will. Für innerparteiliche Kritiker ein "Mafioso mit Lattenschuss".
       
       BERLIN taz | Die meisten hatten es zwar geahnt. Doch hat die Entscheidung
       der Saar-Grünen unter Landeschef Hubert Ulrich, in schwarz-gelb-grüne
       "Jamaika"-Koalitionsverhandlungen zu marschieren, bei vielen Grünen im Rest
       der Republik nicht nur rationale Reaktionen ausgelöst. "Um ehrlich zu
       sein", sagte eine Führungskraft vom linken Flügel am Montag zur taz, "finde
       ich die Entscheidung richtig scheiße. Und Hubert Ulrich hat einen
       Lattenschuss."
       
       In Internet-Foren wurde offen über Parteiaustritte nachgedacht, wenn die
       Grünen nun noch einen einzigen Schritt nach rechts gingen. Robert Zion,
       linksgrüner und publikationsfreudiger Gelsenkirchener, erklärte: Inhaltlich
       sei das, was Ulrich CDU und FDP abgetrotzt habe, nicht schlecht. Die
       Entscheidung sei "aber politisch-strategisch einfach unklug". Die Wähler
       verstünden, "was es heißt, wenn eine Oppositionspartei die Wahlverlierer -
       die CDU hat 13 Prozent verloren - wieder an die Regierung hievt, und dies
       entgegen den eigenen Wahlversprechen", erläuterte Zion.
       
       "Wer nicht grün wählt, wird sich schwarz-gelb ärgern", hatte Hubert Ulrich
       noch zwei Tage vor der Wahl im Saarland gesagt.
       
       Selbst dem neuen Bundestags-Fraktionschef Jürgen Trittin war am
       Sonntagabend im Fernsehen sein schwarz-gelb-grüner Ärger darüber
       anzumerken, dass er nun erklären musste, wie und warum Jamaika im Saarland
       nichts mit der Oppositionsarbeit gegen Schwarz-Gelb im Bund zu tun habe.
       Die Grünen im Saarland "haben fürs Saarland entschieden und nur fürs
       Saarland", wiederholte Trittin das Leitmotiv der offiziellen,
       flügelübergreifenden Stellungnahmen. Die Entscheidung sei "offensichtlich
       aus Gründen, die gar nicht inhaltlich waren", gefallen.
       
       "Natürlich sind die Diskussionen in meinem Landesverband jetzt heftig, da
       gab es andere Erwartungen", seufzte die nordrhein-westfälische Landeschefin
       Daniela Schneckenburger gegenüber der taz. Im Mai 2010 wird in NRW gewählt.
       Das größte Bundesland befindet sich faktisch im Dauerwahlkampf - und die
       Grünen dort hoffen, in einem halben Jahr das Gegenmodell zu Schwarz-Gelb
       installieren zu können. Das Saarland sei gewiss "kein Modell für NRW",
       sagte Schneckenburger. "Es ist kleiner als Köln und funktioniert nach
       eigenen Regeln."
       
       Am Realo-Flügel der Partei kann man mit der ersten Jamaika-Koalition der
       Republik naturgemäß besser leben. Das winzige Saarland mit seiner knappen
       Million Einwohner und all seinen besonderen Umständen, von denen die
       Unverträglichkeit zwischen Hubert Ulrich und Oskar Lafontaine bloß einer
       ist, scheint keine Bedrohung für die Wahlergebnisse anderer Landesverbände
       darzustellen.
       
       Gleichzeitig sprengt das saarländische Exempel jedoch gerade deshalb die
       Bedingungen, die auch im rechtsgrünen Lager für Bündnisse mit der Union
       oder gar Union plus FDP formuliert worden sind. Zum Beispiel, dass es nur
       um Inhalte gehen dürfe - dass also ein Bündnis nach rechts mehr grüne
       Inhalte liefern müsse als ein Bündnis nach links.
       
       Parteichef Cem Özdemir musste sich am Montag schon ein wenig bemühen, um zu
       erklären, dass dies irgendwie auch aufs Saarland zutreffe. Für die
       angestrebte grüne Schulreform bedürfe es einer Verfassungsänderung. Die
       Chancen auf eine Zweidrittelmehrheit im Landtag seien mit Jamaika
       gewachsen, da SPD und Linkspartei sich einer so fortschrittlichen Reform ja
       nicht verschließen könnten. "Und die Diskussionskultur im Landtag wird sich
       hoffentlich nun auch ändern", nannte Özdemir einen weiteren frommen Wunsch.
       
       Auch er hielt sich an die gemeinsame Sprachregelung, wonach die Grünen
       einen SPD-Ministerpräsidenten Heiko Maas lieber gesehen hätten, das
       Saarland gänzlich ohne Signalwirkung und keinesfalls ein Modell für
       irgendetwas, geschweige denn für den Bund sei. "Es ist ein regionales
       Experiment, und Experimente können auch schiefgehen", sagte Özdemir. Offen
       zustimmen mochte er dem Experiment also nicht.
       
       Doch hatte er gerade ausgeführt, dass die gleichen Inhalte mit Schwarz-Gelb
       leichter durchzusetzen seien als gegen Schwarz-Gelb. Özdemirs Satz "mir ist
       das lieber, wo man am meisten grüne Inhalte bekommt", ließ sich also gut
       verstehen: So quer die Entscheidung der Saargrünen nun im politischen Raum
       steht - die Realos finden die Jamaika-Idee ausbaufähig. Mindestens das.
       
       13 Oct 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
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