# taz.de -- Keine Gleichstellungspolitik: Kanzlerin bleibt geschlechtslos
       
       > Keine Quoten für Chefetagen, keine Idee gegen Lohnungleichheit, weniger
       > Frauen im Kabinett – Merkels Regierung bleibt bei der Geschlechterpolitik
       > unverbindlich.
       
 (IMG) Bild: Kämpft nur vor der Wahl um Frauen: Kanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit Bürgerinnen in Leipzig.
       
       Warum Geschlechterpolitik machen, wenn einem die JungwählerInnen auch so
       nicht weglaufen? So ähnlich muss das Motto der schwarz-gelben
       VerhandlerInnen zum Koalitionsvertrag gelautet haben. Das Maß an
       Unverbindlichem in Sachen Geschlechterpolitik in dem Schriftstück ist so
       hoch, dass SPD-Vizechefin Elke Ferner bereits von "vier verlorenen Jahren"
       auf diesem Feld spricht.
       
       Tatsächlich hat die weibliche Symbolfigur Angela Merkel mehr junge Frauen
       bis 30 Jahre angezogen als jede andere Partei. Und die scheinen sich wenig
       daran zu stören, dass rund um ihr Idol keine ernsthafte
       Gleichstellungspolitik auszumachen ist. Dabei ist unter Merkels Regierung
       die Zahl der Frauen in Verantwortung sogar gesunken: Im neuen Kabinett
       sitzen nur noch 4 Frauen, der weibliche Anteil ist damit von 44 Prozent
       unter Schwarz-Rot auf 31,25 Prozent gesunken. In ihrer Bundestagsfraktion
       sank der Frauenanteil von 23 Prozent im Jahr 2002 auf 19,7 Prozent in
       dieser Legislatur.
       
       Auch der Koalitionsvertrag bietet bei Geschlechterpolitik nur magere Kost:
       Zur Gleichstellung wolle man sich einen "Rahmenplan" ausdenken, heißt es
       dort - welchen Inhalts, bleibt ein Geheimnis. Jungen- und Männerpolitik
       wird lediglich erwähnt. Die im internationalen Vergleich peinlich niedrige
       Zahl von Frauen auf Chefsesseln soll mit einem "Stufenplan" angegangen
       werden. Allerdings betont das Frauenministerium auf Nachfrage sogleich,
       dass damit keinesfalls Zielquoten gemeint seien. "Ministerin von der Leyen
       ist keine Freundin von Quoten", stellt ein Sprecher klar.
       
       Eine 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte nach norwegischem Vorbild hatte
       zuletzt die SPD gefordert. Auch verschiedene Initiativen wie die
       "Nürnberger Resolution" oder "Frauen in die Aufsichtsräte" (Fidar) hatten
       Druck ausgeübt. Dass nun wenigstens der Stufenplan festgelegt wurde, findet
       Fidar-Chefin Monika Schulz-Strelow zumindest ermutigend: "Das lässt
       hoffen", meint sie, verweist aber darauf, dass Quoten zum internationalen
       Trend werden könnten. Nach Norwegen wollen nun auch die Niederlande ihre
       Chefetagen quotieren: Bis 2015 sollen dort Vorstände und Aufsichtsräte zu
       einem Drittel aus Frauen bestehen. Tun sie es nicht, soll die Quote per
       Gesetz kommen.
       
       Für verbindliche Zielzahlen hat sich auch der Deutsche Frauenrat
       ausgesprochen - und sogar die Chefin der CDU-Frauenunion und
       Staatsministerin für Integration, Maria Böhmer. Die Frauenministerin
       dagegen strebt lediglich an, dass Firmen ihre Personalstruktur offenlegen
       und über Veränderungen berichten müssen.
       
       Auch die 23 Prozent große Lohnlücke zwischen Männer- und Frauenlöhnen
       veranlasst die Regierung nicht, hier gesetzlich etwas ändern zu wollen:
       Freiwillig können Firmen ihre Lohnstruktur überprüfen, heißt es nur im
       Vertrag. Der so genannte Cedaw-Ausschuss, der für die UNO über den Abbau
       von Geschlechterdiskriminierung wacht, hatte die alte Regierung für ihre
       Untätigkeit scharf gerügt. Das hat aber offenbar wenig Eindruck gemacht.
       "Wir wollen Taten sehen!", fordert die Vorsitzende des Deutschen
       Frauenrats, Marlies Brouwers, von der Regierung. "Es fehlt der Mut,
       konkrete Vorschläge für Politik und Wirtschaft zu machen." Stattdessen
       setze die Regierung auf falsche Anreize wie das Betreuungsgeld für Eltern,
       die ihre Kinder zu Hause erziehen, kritisiert Brouwers. "Das ist nicht im
       Interesse der Kinder."
       
       Einen "weiteren Fehlstart" der Regierung sieht die frauenpolitische
       Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks: "Hier ist kein politischer
       Gestaltungswille." Auch die Arbeitsmarktpolitik sei frauenfeindlich, denn
       einen gesetzlichen Mindestlohn, der insbesondere die Niedriglöhne von
       Frauen auffangen würde, lehne die neue Regierung ebenfalls ab. Die Grünen
       finden deshalb auch beredter, was im Vertrag nicht steht: "Die meisten
       Kapitel, wie die zu Pflege, zu Gesundheit, zur Entwicklungszusammenarbeit,
       kommen ganz ohne einen Blick auf die unterschiedliche Situation der
       Geschlechter aus. Gender-Mainstreaming - Fehlanzeige" heißt es in einem
       Fraktions-Papier. In der Tat ist von einer durchgängigen
       Geschlechterpolitik nichts zu sehen - trotz internationaler Verpflichtungen
       dazu.
       
       2 Nov 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heide Oestreich
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
       
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