# taz.de -- Kommentar Lieberknecht-Wahl: Tabuisierte Geschlechterfrage
> Bei den einzigen Frauen, die in Deutschland jemals Ministerpräsidentin
> werden sollten, wurde die Loyalität in letzter Sekunde entzogen. Wer da
> von Zufall spricht, hat schon große Tomaten auf den Augen.
(IMG) Bild: Kämpft nur vor der Wahl um Frauen: Kanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit Bürgerinnen in Leipzig.
Großes Drama: Eine Ministerpräsidentin wird auf dem Weg zur Krönung ins
Stolpern gebracht. Diesmal ist die Szenerie Thüringen. Nicht nur Heide
Simonis kommt das irgendwie bekannt vor. Wie Christine Lieberknecht hatten
zuvor Andrea Ypsilanti in Hessen und auch Simonis selbst in
Schleswig-Holstein ihre Truppen durchaus gezählt und sich ihrer Loyalität
versichert. Doch diese Loyalität wurde in letzter Minute wieder entzogen.
Bei den einzigen Frauen, die in Deutschland jemals Ministerpräsidentin
werden sollten. Wer da von Zufall spricht, hat schon große Tomaten auf den
Augen.
Wie immer werden nun Erklärungen herangezogen, die natürlich nichts mit dem
Geschlecht der Protagonistin zu tun haben: Ypsilanti sei zu links, Simonis
zu selbstherrlich, Lieberknecht zu evangelisch. Diese bekannten Urteile
sollen Motive dafür gewesen sein, dass man in letzter Sekunde illoyal wird?
Es ist doch eher so, dass diese angeblichen "Nachteile" bei einer Frau
plötzlich so viel schwerer wiegen als bei einem Mann. Ihr Geschlecht ist
ihr zweites, unausgesprochenes Manko, das die Illoyalität möglich macht.
Heide Simonis benennt dieses Motiv. Und setzt gleich drastisch eins drauf:
"Diese Männer, die so etwas tun, hassen uns", erklärte sie der Süddeutschen
Zeitung. Der Autor des Textes weist diese Erklärung übrigens zurück: Gerade
"emanzipierte Frauen" wüssten doch: "Frauen, die an ihrem Frausein
scheitern, sind passé", meint er. Damit reproduziert er genau das Tabu, das
Simonis anspricht - und erklärt die 66-Jährige damit gleich noch zur
altmodischen Krampffeministin.
Altmodisch ist bei Simonis leider nur die Annahme, lediglich Männer könnten
Frauen mit Macht nicht leiden. Dieses unterschwellige Gefühl, dass die da
nicht hingehört, haben Frauen - wie in Hessen zu sehen war - genauso wie
Männer. Trotzdem werden gerade emanzipierte Frauen Simonis Offenheit zu
schätzen wissen.
2 Nov 2009
## AUTOREN
(DIR) Heide Oestreich
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