# taz.de -- Debatte Korruption: Augsburger Schurkenstück
       
       > Wie käuflich war die deutsche Politik? Beim Prozess gegen den
       > Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber wird diese Frage strikt
       > ausgeklammert.
       
 (IMG) Bild: Karlheinz Schreiber, im April 2009, damals noch in Kanada.
       
       Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse taugt zum Schauspiel. Da schlüpft die
       CDU/CSU in die Rolle der brutalst möglichen Schwarzgeld-Aufklärerin und
       lässt - Hehlerei hin oder her - Schweizer Bankdaten potenzieller
       Steuerhinterzieher beschaffen. Zur gleichen Zeit steht der schwarz-gelben
       Bundesregierung der massive OECD-Vorwurf ins Haus, Deutschland bekämpfe
       Geldwäsche nur mit großer Laschheit. Und der Koinzidenz nicht genug: In
       Augsburg läuft ein Prozess, in dem es just um Schwarzgelder,
       Steuerhinterziehung und Geldwäsche mit Schweiz- und Liechtenstein-Bezug
       geht. Nur: dass hier die CDU/CSU selbst involviert ist, wird brutalst
       möglich auszublenden versucht.
       
       Die Dramaturgie des aktuellen Augsburger Justizschauspiels sieht vor, nach
       mehr als zehn Jahren einen Komplex abzuschließen, der namentlich für die
       Union immer wieder Ungemach bedeutet hat: der Fall des Karlheinz Schreiber,
       jenes ehemaligen Waffenlobbyisten und Strauß-Spezl, der in den 90er-Jahren
       der Union wiederholt diskret Spenden zukommen ließ, die von der Partei
       nicht offiziell ausgewiesen wurden.
       
       Jetzt steht Karlheinz Schreiber, nach langjähriger Kanada-Flucht, vor
       Gericht. Die Rolle, die ihm von Staatsanwaltschaft und Gericht zugewiesen
       wird, zeichnet sich an fast jedem Verhandlungstag deutlicher ab: der
       Einzeltäter, der in den Jahren 1988 bis 1993 aus Flugzeug- und
       Rüstungsgeschäften Millionen-Schmiergelder bezogen, aber dem Fiskus
       vorenthalten hat. Der gemeine Steuerhinterzieher.
       
       Eine Frage wird dabei fast notorisch ausgeblendet. Dabei liegt seit Jahren
       gerade in dieser Frage die pikante Pointe: Hat Schreiber, wie er selbst im
       Prozess von seiner Verteidigung erklären ließ, große Teile der
       Schmiergelder an Parteien und Politiker, namentlich der Union, verteilt?
       Waren seine diskreten CDU-Spenden also Schwarzgelder aus Geschäften, bei
       denen Parteien und Politiker mitverdienen wollten? Man könnte es
       volkstümlicher formulieren: War deutsche Politik über Jahre hinweg
       käuflich?
       
       Klingt dieses Thema auch nur leise an, reagiert der Vorsitzende Richter
       Rudolf Weigell leicht allergisch. Sinnig auch, dass das Gericht bisher
       einen Zeugen partout nicht laden will: Winfried Maier. Der ehemalige
       Augsburger Staatsanwalt hatte 1999 eine politisch äußerst heikle Spur
       entdeckt: Über Konten der - von CDU/CSU kontrollierten - Bonner DSL Bank
       waren nicht nur Gelder aus dem Schreiber-Komplex geflossen, sondern auch
       aus dem Fall Leuna. In jener Schmiergeldaffäre waren nach dem Verkauf der
       ostdeutschen Raffinerie an den französischen Konzern Elf Aquitaine, bei der
       Anfang 1993 satte 50 Millionen D-Mark "Provisionen" an den deutschen
       Lobbyisten Dieter Holzer gegangen. Genauer: auf dessen Firmenkonten bei der
       halbstaatlichen DSL Bank, deren Aufsicht bei den unionsgeführten
       Bundesministerien Landwirtschaft und Finanzen lag. Von den DSL-Konten
       wurden die Schmiergelder in einen komplexen Kreislauf geschickt - so wie
       man es von der Geldwäsche kennt.
       
       Hinweisen französischer und Schweizer Leuna-Ermittler, dass hochrangige
       CDU-Politiker Teile dieser Schmiergelder erhalten haben, ist bis heute
       keine deutsche Justizbehörde nachgegangen. Wie auch die DSL Bank für
       Ermittler tabu blieb. Um es theateraffin auszudrücken: Eher kommt Godot
       doch noch, als dass dieser brisante Zusammenhang in Augsburg prominent auf
       den Spielplan gesetzt wird. Und so dürfen sich Liebhaber der Groteske an
       fast jedem Verhandlungstag neu ergötzen. Schreiber gebe nur den Wichtigtuer
       und Heiße-Luft-Erzähler, belieben die Vertreter der Anklage regelmäßig zu
       intonieren, erstaunlich wortgleich mit Prozesskommentaren mancher
       CSU-Politiker oder medialer Großaufklärer.
       
       Dumm nur, dass Zeugenaussagen so gar nicht dazu passen wollen: Wenn
       Schreiber angekündigt habe, dass er Provisionen aus wichtigen Geschäften
       erhalte, seien diese Gelder auch tatsächlich gekommen, sagt etwa sein
       ehemaliger Banker. Der frühere Chefjustiziar von Thyssen beschreibt
       Schreiber als "wichtigen Vermittler" bei Rüstungsgeschäften, "mit guten
       Kontakten" zu verschiedenen Regierungen. Und eine ältere Dame aus der
       Münchner Society, gut bekannt mit der Familie Strauß, gibt gar zum Besten,
       man habe "dem Karlheinz" einmal ein Darlehen über 500.000 Mark gegeben,
       ohne jegliche Sicherheiten zu verlangen. Der "Wichtigtuer" muss in der
       bayerischen Amigogesellschaft größtes Vertrauen genossen haben.
       
       So genau will man das heute nicht mehr wissen. Vielmehr fragt Richter
       Weigell bei jeder Gelegenheit und mit größter Intensität nach Belegen
       dafür, dass Schreiber der wirtschaftlich Berechtigte zweier
       Domizilgesellschaften in Liechtenstein und Panama war, auf deren Konten die
       angeblich unversteuerten Schmiergeldmillionen lagen. Dass Schreiber, wie er
       über seine Anwälte erklären ließ, diese Schwarzgeldkonten für andere
       gehalten habe, nimmt ihm das Gericht nicht ab.
       
       Da hatte es Ludwig-Holger Pfahls deutlich leichter, als er 2005 vor dem
       Augsburger Landgericht stand. Der ehemalige CSU-Verteidigungsstaatssekretär
       gab damals zu, in Zusammenhang mit Rüstungsprojekten von Schreiber 3,8
       Millionen D-Mark Schmiergeld angenommen zu haben.
       
       Doch Pfahls hatte nach Erkenntnissen von Schweizer Ermittlern auch im
       klandestinen Leuna-Schmiergeldkreislauf eine maßgebliche Rolle gespielt -
       als wirtschaftlich Berechtigter mehrerer zwischengeschalteter
       Offshore-Firmen, über deren Konten Millionen geflossen waren. Einmal
       befragte ihn das Augsburger Landgericht dazu, ganz zart und zurückhaltend.
       Pfahls beachtenswerte Antwort: Er sei von fremder Seite und ohne sein
       Wissen als wirtschaftlich Berechtigter eingetragen worden. Der damalige
       Vorsitzende Richter nahms zur Kenntnis - und belästigte den früheren
       CSU-Politiker nicht mit Nachfragen.
       
       Nicht auszuschließen, dass das hochlöbliche Publikum demnächst einen neuen
       Akt solch unbändigen juristischen Aufklärungswillens bestaunen kann: Heute
       wird Ludwig-Holger Pfahls im Schreiber-Prozess als Zeuge auftreten. Das
       Schauspiel am Augsburger Gericht läuft noch bis Mai.
       
       22 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rainer Nübel
       
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