# taz.de -- Ex-Waffenlobbyist Schreiber: Der falsche Kronzeuge
       
       > Nicht alles, was der Ex-Waffenlobbyist Schreiber erzählt, muss stimmen.
       > Schon mehrfach hat er deutlich gemacht, dass er Rufmord für ein legitimes
       > Mittel der Auseinandersetzung hält.
       
 (IMG) Bild: Was immer Schreiber zu erzählen hat: Die Geschichte der Bundesrepublik wird nicht neu geschrieben.
       
       Packt er aus? Wird das Land von neuen Skandalen erschüttert werden, ist der
       Sumpf noch viel tiefer, als das irgendjemand für möglich gehalten hatte?
       Vielleicht. Man weiß es nicht. Eines weiß man: Wenn Karlheinz Schreiber
       etwas erzählt, dann muss das nicht stimmen. Er hat schon vieles behauptet,
       was sich nicht beweisen ließ. Ob aus Rachsucht, aus Geltungsbedürfnis oder
       weil er sich Vorteile davon versprach, ist ungeklärt. Ungeklärt ist ja
       sogar in vielen Fällen, ob seine Behauptungen vielleicht doch stimmten.
       
       Daraus ergibt sich ein ungewöhnliches Problem: Es genügt nicht, wenn der
       Häftling plaudert - jedenfalls nicht für die politische Aufarbeitung der
       Aktivitäten des Waffenhändlers. Ohne hieb- und stichfeste Beweise sind neue
       Beschuldigungen, die Schreiber möglicherweise gegen Politiker erhebt,
       wertlos. Schließlich hat er schon mehrfach deutlich gemacht, dass er
       Rufmord für ein legitimes Mittel der Auseinandersetzung hält.
       
       Der ehemalige Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur
       CDU-Spendenaffäre Volker Neumann glaubt, dass Schreiber noch manches zu
       berichten hätte: "Wir haben ihn ja in Kanada vernehmen dürfen", sagte der
       SPD-Politiker. "Dabei hat er ganz überraschend Einzelheiten über
       Parteispenden an die CSU dargelegt, die aber nicht nachweisbar waren. In
       diesem Zusammenhang könnte natürlich noch etwas herauskommen." Könnte. Wenn
       es denn nachweisbar ist.
       
       Die Anklage lautet auf millionenschwere Steuerhinterziehung, Betrug und
       Bestechung - Vorwürfe, die der inhaftierte Schreiber über seinen Anwalt
       pauschal bestreiten ließ. Dass ihm das beim Prozess helfen wird, darf
       bezweifelt werden. Manches lässt sich ganz einfach nicht bestreiten.
       Immerhin ist der ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls
       rechtskräftig dafür verurteilt worden, dass er von Schreiber 3,8 Millionen
       Mark Schmiergelder angenommen und nicht versteuert hat.
       
       Das ist zwar strafrechtlich relevant, in der politischen Auseinandersetzung
       aber nur noch von historischem Interesse. Die meisten Akteure von damals
       sind nicht länger in Amt und Würden. Bundeskanzlerin Angela Merkel war nie
       in die Spendenaffäre verstrickt. Sie kann sogar im Gegenteil für sich
       beanspruchen, den Bruch mit der Vergangenheit in einem harten Schnitt
       vollzogen zu haben. Wie sollen die Gegner der Union unter diesen Umständen
       aus der Affäre von einst Munition für heute gewinnen? Zumal Schreiber eben
       nicht gerade ein Mann ist, auf den man bauen sollte. Der SPD-Abgeordnete
       Peter Danckert hat seine Partei eindringlich davor gewarnt, Schreiber zum
       "Kronzeugen" der Sozialdemokraten zu machen. Dabei gibt es gute Gründe,
       auch heute noch alle Details der Spendenaffäre brennend gerne wissen zu
       wollen - jedenfalls wenn man sich in der Politik nicht nur für Personen,
       sondern auch für Strukturen interessiert.
       
       Nach wie vor ist nicht vollständig geklärt, wie es dazu kommen konnte, dass
       in Deutschland Zustände herrschten wie in einer Bananenrepublik. Und: Ist
       wirklich alles dafür getan worden, dass sich so etwas nie wiederholen kann?
       Je mehr sich über die dunklen Kanäle in Erfahrung bringen lässt, die damals
       benutzt wurden, desto besser lassen sich Gesetzeslücken schließen. Mit
       Wahlkampf hätte das nichts zu tun. Aber das öffentliche Augenmerk hat sich
       längst anderen Themen zugewandt, und ohnehin ist das kollektive Gedächtnis
       der Gesellschaft kurz und ungenau. Die Rolle von Helmut Kohl in der
       CDU-Parteispendenaffäre ist im allgemeinen Bewusstsein inzwischen auf die
       Tatsache geschrumpft, dass er sich - als Mann von Ehre - weigert, die Namen
       einiger Großspender zu nennen, denen er Anonymität zugesichert hatte. Das
       halten viele für eine lässliche Sünde.
       
       Seit 2005 ist Kohl Ehrenbürger seiner Heimatstadt Ludwigshafen. In diesem
       Jahr erhielt er den "Hanns Martin Schleyer-Preis", der für "Verdienste um
       die Festigung und Förderung der Grundlagen eines freiheitlichen
       Gemeinwesens" verliehen wird. Dass ein parlamentarischer
       Untersuchungsausschuss 2002 festgestellt hat, die Regierung Kohl sei
       korrupt gewesen, ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Der ehemalige
       Kanzler ist wieder ein allseits geachteter Mann. Das schwache Gedächtnis
       der Allgemeinheit hat sich für ihn als Segen erwiesen.
       
       Andere hatten weniger Glück. Bis heute gilt Wolfgang Schäuble als einer von
       denen, die tief in die Spendenaffäre verstrickt gewesen sind. Davon kann
       keine Rede sein. Er hat keine schwarzen Konten angelegt, ihm wird keine
       Steuerhinterziehung vorgeworfen, auch keine Bestechlichkeit. Was er getan
       hat: Er nahm unter - bis heute nicht ganz geklärten Umständen - eine legale
       Spende von Schreiber an und reichte sie an die Schatzmeisterin seiner
       Partei weiter. Zum Verhängnis wurde ihm, dass er im Bundestag die Spende
       verschwiegen hat. Das reichte für seinen Rücktritt.
       
       Wenn ein Vorgang einmal zu den Akten gelegt und mit einem historischen
       Etikett versehen ist, dann können noch so überraschende Enthüllungen das
       festgefügte Bild nicht mehr verändern. Die Geschichte der Bundesrepublik
       wird nicht neu geschrieben werden. Was immer Schreiber zu erzählen hat.
       
       5 Aug 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Gaus
       
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