# taz.de -- Migranten und Hartz IV: Vererbung der sozialen Startnachteile
> Migranten beziehen häufiger Hartz IV als der Rest der Gesellschaft. Aber
> warum ist das so? Neben den bekannten Sprach- und Bildungsproblemen
> spielt auch Diskriminierung eine Rolle.
(IMG) Bild: Für viele MigrantInnen eine Sackgasse: Bildung.
BERLIN taz | Neu sind die Zahlen nicht. Doch Zeit und Bild geben der
Hartz-IV-Diskussion nun auch einen ethnischen Dreh: Sie verknüpfen die
Situation von MigrantInnen mit der aktuellen Diskussion – und verweisen
darauf, dass Eingewanderte häufiger Hartz IV beziehen als der Rest der
hiesigen Bevölkerung.
Das ist weder neu noch verwunderlich, eignet sich aber immer wieder zur
Skandalisierung. Deshalb dürften auch die Ursachen in den Berichten bislang
kaum vorkommen. Dabei zeigt die Studie, auf die sich beide Medien beziehen,
Gründe auf.
Nach der Untersuchung, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
(BMAS) in Auftrag gegeben und im November 2009 veröffentlicht hat, haben 28
Prozent aller Hartz-IV-Bezieher einen Migrationshintergrund. Damit ist der
Anteil der erwerbsfähigen MigrantInnen, die Hartz IV beziehen, doppelt so
hoch wie der der Deutschstämmigen. Als MigrantInnen zählen dabei auch
Eingebürgerte, wenn sie mindestens einen Elternteil haben, der nicht in
Deutschland geboren wurde. Besonders hoch ist der Anteil der
Hartz-IV-Bezieher aus Osteuropa, der ehemaligen Sowjetunion und der Türkei.
Im Vergleich zu den Deutschstämmigen haben die Hartz-IV-Bezieher mit
Migrantionshintergrund häufiger gar keinen - aber auch häufiger einen
höheren Bildungsabschluss. Das lässt vermuten, dass neben den bekannten
Sprach- und Bildungsproblemen auch Diskriminierung eine Rolle spielt, wie
es eine Untersuchung an der Universität Konstanz gerade gezeigt hat. Danach
werden Menschen mit türkischem Namen auf dem Arbeitsmarkt eklatant
benachteiligt. Die BMAS-Studie verweist auf ein weiteres Problem: die
häufig fehlende Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Dies führt dazu, dass
Wirtschaftswissenschaftlerinnen oder Lehrer von der Bundesagentur als
ungelernte Arbeitskräfte eingestuft und entsprechend schlecht vermittelt
werden.
Auf Probleme bei Bildung und Qualifikation verweist auch der
Migrationsforscher Klaus J. Bade. Ein großer Teil der Migranten seien
ehemalige Gastarbeiter und deren Nachkommen. Als Gastarbeiter wurden bis in
die 1970er gezielt ungelernte Arbeitskräfte für den Einsatz in Industrie
und Bergbau ins Land geholt. Viele dieser Arbeitsplätze gibt es heute nicht
mehr. Die Kinder und Enkel der ehemaligen Gastarbeiter hätten eine im
Vergleich zur ersten Generation weit bessere Bildung. "Aber für eine
moderne Gesellschaft reicht sie oft nicht." Junge MigrantInnen, das ist
bekannt, verlassen die Schule häufiger ohne Abschluss als ihre deutschen
Klassenkameraden, landen - selbst bei gleicher Leistung - häufiger auf der
Hauptschule und seltener auf dem Gymnasium. Auch bei der Lehrstellensuche
haben sie größere Probleme. Bade nennt das "die Vererbung der sozialen
Startnachteile", die dringend aufgebrochen werde müsste.
Darüber ist in Zeit und Bild wenig zu lesen. Zeit-Chefredakteur Giovanni di
Lorenzo bemüht sogar das alte Bild von der Einwanderung in die
Sozialsysteme. Dabei war die Einwanderungsbilanz in der Bundesrepublik nie
schlechter als heute. Inzwischen verlassen fast ebenso viele Menschen das
Land, wie neue einwandern. Fachleuten wie Bade macht das große Sorgen.
22 Feb 2010
## AUTOREN
(DIR) Sabine am Orde
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