# taz.de -- Landesparteitag der Piratenpartei: Frauen auf dem Weg ins Boot
       
       > Auf ihrem Landesparteitag am Wochenende stimmen sich die Mitglieder auf
       > die Abgeordnetenhauswahl 2011 ein - inklusive einer Debatte über Frauen
       > in der Partei.
       
 (IMG) Bild: Die Piraten bereiten sich auf Abgeordnetenhauswahl vor.
       
       Die Stimme des Moderators ist am zweiten Parteitagsmorgen schon leicht
       genervt. Es gab am vorangegangenen Tag Unklarheiten bezüglich der
       Stimmzettel, nun erklärt er das Prozedere den rund 140 Teilnehmern noch
       einmal: Bitte nur den Stimmblock vom aktuellen Tag benutzen und die
       Stimmzettel beim Umherwandern im Saal nicht einfach auf dem Platz liegen
       lassen. Ein Pirat mit Brille und Hemd nickt und steckt Zettel und Block in
       seine Brusttasche. Pünktlich um 10 Uhr geht es los.
       
       Der Berliner Landesverband der Piratenpartei hat zum ersten Parteitag des
       Jahres geladen. Die Gegensätze im Raum könnten nicht größer sein: Auf den
       meterlangen Tischen im traditionellen, holzvertäfelten Meistersaal am
       Potsdamer Platz kleben gelbe Einwegtischdecken, darauf stehen unzählige
       Notebooks samt Kabelgewirr. Hinter den roten Vorhängen auf der Bühne laufen
       auf einer Projektionsfläche die Twitter-Nachrichten der Versammlung ein,
       vor der Tür gibt es belegte Brote und Äpfel aus einem großen Bastkorb. Ein
       bisschen Grünen-Anfangsphase, ein bisschen Treffen des Chaos Computer
       Clubs. Und doch etwas ganz Neues, darauf legen die Anwesenden Wert.
       
       Ein Teil dieses Neuen ist Manuela Schauerhammer. An einem der langen Tische
       zwischen dunkel gekleideten Männern wirkt die frisch gewählte
       stellvertretende Vorsitzende wie ein lilafarbener Farbtupfer. "Wir fangen
       jetzt die Vorbereitungen für die Abgeordnetenhauswahl an, bis zum Herbst
       wird das vor allem inhaltliche Arbeit", erklärt sie. Einfach wird es nicht,
       das weiß Schauerhammer. Zwar gebe es eigentlich für jedes Thema jemanden,
       der sich damit auskenne, doch diese Wenigen müssten darauf achten, die
       Masse mitzunehmen - zunächst innerparteilich und spätestens in Richtung
       Wahl auch außerhalb der Partei.
       
       Partei ist überhaupt ein Wort, das am Wochenende häufig fällt. Wenn sich
       die Kandidaten vorstellen, ist das Eintrittsdatum "in die Partei" meist der
       erste Punkt, der nach dem Namen erwähnt wird. Es scheint, dass manche erst
       das Ausmaß begreifen müssen: Auch wenn hier alle ehrenamtlich arbeiten,
       auch wenn die Parteiarbeit Spaß machen soll, auch wenn der Zauber des
       Anfangs noch nicht verschwunden ist - es geht hier um politische Arbeit.
       Die kann trocken sein, langatmig und nervig. Und dieser Parteitag, das
       bestätigen viele, ist schon viel mehr Parteitag, als es die Versammlungen
       der letzten Jahre waren. Das zeigt nicht nur der herrschaftliche
       Tagungsort, das zeigen auch die Debatten. Grundsätzliche Fragen wie der
       Umgang mit Unternehmensspenden stehen auf der Tagesordnung, eine hitzige
       Debatte um die Daseinsberechtigung von Bezirksverbänden ebenfalls. Doch
       eine der kontroversesten Diskussionen findet jenseits des Plenums statt:
       die Gender-Debatte.
       
       Piratin Lena Simon steht an einem der Tische im Foyer. Die Mittagspause ist
       der Tagesordnung zum Opfer gefallen, die Luft im Saal stickig geworden. Im
       Foyer ist ein Fenster offen, Simon atmet durch. An ihrem schwarzen Oberteil
       hängt ein gelber Button: "Klarmachen zum Gendern" steht darauf - angelehnt
       an den Wahlkampfspruch der Partei "Klarmachen zum Ändern". Sie hat, nur mit
       der Gründung einer Mailingliste für weibliche Mitglieder, eine Debatte
       angestoßen, die ihrer Ansicht nach längst überflüssig war.
       
       "Viele sind der Ansicht, dass bei den Piraten kein Unterschied zwischen
       Männern und Frauen gemacht wird, dass wir einen Schritt weiter sind als
       alle anderen." Doch in der Realität gebe es genauso machistische
       Diskussionen, genauso Frauen, die sich in dieser Atmosphäre nicht äußern
       möchten, wie in anderen Gemeinschaften auch. "Zum Beispiel sollen mit
       Piraten Männer wie Frauen gleichermaßen gemeint sein. Aber warum verwenden
       wir dann nicht den weiblichen Begriff?", fragt Simon. Die Piraten würden
       schließlich auch sonst gern mal Gewohnheiten durchbrechen.
       
       Simons Gegenspieler sind nicht nur jener einzelne anonyme Pirat, der ihre
       "Piratinnen"-Seite kurz nach dem Anlegen wieder löschte, jener Witzbold,
       der die Gründung von "PiratAußen" ankündigte, sowie die männlichen wie
       weiblichen Piraten, die sich vor Binnen-I und Quoten fürchten. Sondern auch
       der Landesvorstand. "Ich glaube, dass es bessere Maßnahmen gibt", sagt
       Parteichef Andreas Baum. Er stößt sich nicht nur daran, dass männliche
       Mitglieder bei einer Mailingliste für Frauen ausgeschlossen werden. Er
       glaubt auch, dass man den Blickwinkel nicht auf Männer und Frauen
       beschränken dürfe. Grundsätzlich sei sowieso mit dem aktuellen Parteitag
       vieles besser geworden. Gab es zuvor keine Frau im Vorstand, seien es
       mittlerweile drei von sieben.
       
       Lena Simon will demnächst Mitstreiterinnen zu einem Treffen einladen. Im
       Hinterkopf hat sie dabei nicht nur die Frauen, sondern das allgemeine
       Wachstum der Partei: "Wir verzichten sonst auf eine große Menge an
       potenziellen Wählern, wenn wir uns nicht für Frauen attraktiv machen." Und
       dass bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2011 die Fünfprozenthürde
       geknackt werden soll, das steht nicht nur für Simon fest.
       
       28 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
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