# taz.de -- Innensicht Gender Piratenpartei: Wir rekonstruieren nicht
       
       > Für die Gleichberechtigung: Wir wollen Individuen nicht in
       > Geschlechterkategorien einsortieren. Und wir wissen, dass die meisten
       > Piraten das auch so sehen.
       
 (IMG) Bild: Nicht Mann, nicht Frau - Post-Gender und bunt, so sehen sich viele in der Piratenpartei.
       
       Das ausdrückliche Bekenntnis zur Gleichberechtigung ist markant in der
       [1][Satzung] der Piratenpartei festgeschrieben. Die Partei "vereinigt
       Piraten ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit, des Standes, der
       Herkunft, der ethnischen Zugehörigkeit, des Geschlechts, der sexuellen
       Orientierung und des Bekenntnisses, die beim Aufbau und Ausbau eines
       demokratischen Rechtsstaates und einer modernen freiheitlichen
       Gesellschaftsordnung geprägt vom Geiste sozialer Gerechtigkeit mitwirken
       wollen", [2][heißt es in § 1].
       
       Wir wollen jedes Individuum so sehen, wie es sich selbst sehen und schaffen
       möchte – das heißt auch: ohne es in eine Geschlechterkategorie
       einzusortieren und daraus Schlüsse über seinen Kopf hinweg zu ziehen. Wir
       leben aber in einer Gesellschaft, in der Menschen aufgrund ihrer Anatomie
       unterschiedlich sozialisiert und sogar diskriminiert werden. Eine Partei
       muss sich dieser Tatsache stellen, die resultierenden Probleme erfassen und
       Instrumente entwickeln, sich ihrer anzunehmen. Viele herkömmliche
       Instrumente beteiligen sich jedoch – gewollt oder ungewollt – gerade an der
       Konstruktion von Geschlecht als Einordnungsmechanismus. Solche Instrumente
       betrachten wir äußerst kritisch.
       
       Dabei leugnen wir keinesfalls bestehende Geschlechterkonstruktionen. Wir
       versuchen aber, uns möglichst nicht selbst an ihrer fortwährenden
       Rekonstruktion zu beteiligen. Denn erst, wenn Individuen als Individuen und
       nicht mehr als Repräsentanten von Gruppen – z.B. "Frauen" oder "Männer" –
       behandelt werden, ist Sexismus nachhaltig der Boden entzogen und der Weg zu
       einem selbstbestimmten Pluralismus geebnet.
       
       Unsere Hierarchien sind so flach wie möglich, und die Meinungs- und
       Informationsfreiheit zählt zu unseren Grundwerten. Debatten werden deshalb
       nicht unterdrückt, sondern leidenschaftlich geführt. Zu Genderthemen
       geschieht dies zum Beispiel in der AG Gender, der AG Frauen, der AG Männer,
       der AG Queeraten oder der AG Gleichberechtigung in der Gesellschaft.
       Gearbeitet wird unter anderem an Entwürfen zur Sozial- und Familienpolitik,
       die anerkennen, dass es so viele Lebensentwürfe wie Menschen gibt und die
       Politik jede selbstgewählte Lebensform in gleicher Weise respektieren muss.
       Wer sich in keiner unserer Gruppen wiederfindet, kann jederzeit selbst eine
       Arbeitsgruppe gründen - bürokratische Hürden gibt es nicht, allein
       Transparenz und Offenheit müssen gewahrt sein. Jedes Mitglied kann Themen
       einbringen, Programmpunkte entwickeln und ist auf Parteitagen und gegenüber
       den Vorständen direkt anstragsberechtigt.
       
       Mit der Arbeit an politischen Positionen ist natürlich noch nicht für die
       parteiinterne Gleichberechtigung gesorgt. Wir sind uns bewusst, dass
       niemand mit dem Eintritt in die Piratenpartei die eigene Sozialisation in
       einer nicht geschlechtergerechten Gesellschaft abstreift. Ebenso lässt sich
       mit einer schönen Satzung Diskriminierung nicht "wegdefinieren". Wir haben
       daher Anlaufstellen geschaffen, die sich der Sorgen und Nöte einzelner
       Mitglieder annehmen: "Neuen an Bord" stehen seit langem die Piratenlotsen
       mit Rat und Tat zur Seite. Das Berliner Squad Counselor hat sich gegründet,
       um persönliche Unterstützung zu leisten. Es ist auch Ansprechpartner,
       sollten tatsächlich einmal Fälle von Diskriminierung auftreten.
       
       Wir legen Wert darauf, dass solche Anlaufstellen stets für alle offen sind.
       Schließlich können Menschen allen Geschlechts von unfairer Behandlung
       betroffen sein. Umgekehrt sind Frauen nicht automatisch Opfer – auch wenn
       Sexismus ein häufiger Typus von Diskriminierung ist. Es ist uns wichtig,
       dass wir als Frauen nicht prinzipiell aufgrund unseres Geschlechts als
       fragil betrachtet oder in eine Opferrolle gedrängt werden. Wir Autorinnen
       erleben die Piratenpartei als allen Geschlechtern, sexuellen Orientierungen
       und Beziehungsformen gegenüber außergewöhnlich offen – und mit diesem
       Eindruck stehen wir nicht allein.
       
       Lena Rohrbach ist Pressesprecherin der [3][Piratenpartei Berlin], Manuela
       Schauerhammer dort stellvertretende Landesvorsitzende. Ihr Text ist eine
       Antwort auf die Forderung von Anna Berg ([4][Mädchenmannschaft.net]) nach
       einer [5][Gender-Debatte für das Netz].
       
       17 Mar 2010
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://wiki.piratenpartei.de/Bundessatzung
 (DIR) [2] http://wiki.piratenpartei.de/Bundessatzung#.C2.A7_1_-_Name.2C_Sitz_und_T.C3.A4tigkeitsgebiet
 (DIR) [3] http://berlin.piratenpartei.de/
 (DIR) [4] http://maedchenmannschaft.net/
 (DIR) [5] /1/netz/netzpolitik/artikel/1/eine-debatte-fuers-netz/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) L. Rohrbach
 (DIR) M. Schauerhammer
       
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