# taz.de -- Missbrauch an Internaten: Erstmals auch Nonnen beschuldigt
> Weitere Fälle von sexuellem Missbrauch. Politik und Institutionen
> diskutieren über Verjährung, Entschädigung und Aufarbeitung. In den
> Niederlanden sind erstmals auch Nonnen beschuldigt.
(IMG) Bild: Auch in der Odenwaldschule wurden offenbar Schüler missbraucht.
HAMBURG/AMSTERDAM dpa/apn | Nach dem Missbrauch-Skandal in der
Odenwaldschule sowie mehreren katholischen Einrichtungen will
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Rechte der
Opfer auf Entschädigung stärken. Zudem forderte die Justizministerin erneut
Aufklärung von der katholischen Kirche. "Bei allen Diskussionen über
Prävention darf die konkrete Aufarbeitung nicht verdrängt werden", sagte
die FDP-Politikerin der Passauer Neuen Presse. Familienministerin Schröder
will einen "Runden Tisch" zum Thema einberufen. Der FDP-Rechtspolitiker
Hartfrid Wolff forderte zudem einen Entschädigungsfonds der Deutschen
Bischofskonferenz.
Unterdessen werden immer mehr Fälle bekannt. In den Niederlanden gibt es
einen Fall, in dem Jungen von Nonnen missbraucht worden sein sollen.
Deutsche Politiker - vor allem der christlichen Parteien - fordern
schärfere Gesetze, um künftig auch in jahrzehntealten Missbrauchsfällen die
Täter bestrafen zu können. FDP und Deutscher Kinderschutzbund stehen den
von Konservativen gefordeten Verschärfungen des Strafrechts skeptisch
gegenüber.
Die zivilrechtlichen Verjährungsfristen sollten verlängert werden, sagte
die Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Sie zeigte sich dagegen skeptisch zu
Forderungen nach einer Verlängerung der strafrechtlichen
Verjährungsfristen. Der Parlamentarische Staatssekretär im
Justizministerium, Max Stadler (FDP), äußerte sich in einem Gespräch mit
der Neuen Osnabrücker Zeitung ähnlich. Die regelmäßige Verjährungsfrist von
drei Jahren für Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadenersatz sei deutlich
zu kurz.
Entschädigungsfonds von Bischofskonferenz gefordert
Der FDP-Rechtspolitiker Hartfrid Wolff brachte im selben Blatt eine
zivilrechtliche Verjährungsfrist von 30 Jahren bei Kindesmissbrauch ins
Gespräch. Auch für Altfälle solle eine Lösung gefunden werden. Er forderte
dem Bericht zufolge außerdem einen Entschädigungsfonds der Deutschen
Bischofskonferenz.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) will ab 23. April einen
Runden Tisch einrichten. Die Deutsche Bischofskonferenz will teilnehmen.
Papst Benedikt XVI. wird sich am Freitag die Hintergründe von deren
Vorsitzenden Robert Zollitsch berichten lassen. Bis dahin hält sich der
Vatikan wahrscheinlich bedeckt.
Ahrendt: Kein "Wettlauf um den Runden Tisch"
Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian
Ahrendt, warnte vor einem "Wettlauf um einen Runden Tisch". Es müsse
aufgeklärt werden, warum die Missbrauchsfälle über Jahre hinweg nicht
bekannt geworden seien. "Dies muss gemeinsam mit der Bundesjustizministerin
passieren." Die Kirche habe sich mit dieser Aufgabe überfordert gezeigt.
"Deswegen bedarf es eines Runden Tisches, der auch der Aufklärung
verpflichtet ist", bekräftigte Ahrendt.
Nachdem Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen für weltweites
Aufsehen sorgen, erreicht der Skandal nach Informationen der Nassauischen
Neuen Presse jetzt auch die Limburger Domsingknaben. Ein ehemaliges
Chormitglied habe Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst angeschrieben und
ihm von Übergriffen des damaligen Dirigenten zwischen 1967 und 1973
berichtet. Der beschuldigte Domkapellmeister und Priester ist 2002
gestorben.
Odenwaldschule entschuldigt sich öffentlich
Die reformpädagogische Odenwaldschule entschuldigte sich öffentlich für die
Vergehen der 70er und 80er in ihrem Haus. "Das Leid können wir nicht mehr
gutmachen", sagte die Direktorin des Internats in Heppenheim, Margarita
Kaufmann. Sie rief betroffene Schüler der Jahre 1970 bis 1985 auf, sich zu
melden. Die Direktorin hat drei Lehrer als mutmaßliche Täter in Verdacht.
Insgesamt seien bislang 24 Missbrauchsfälle bekannt, unter den Opfern sei
eine Frau, wie Kaufmann sagte. "Ihre Erfahrungen waren so schlimm, dass sie
am Telefon weinte."
Vorwürfe gegen den früheren Schulleiter des Internats gab es schon 1998.
Ein Jahr später wurde Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft stellte das
Verfahren wegen Verjährung ein. Am Montag kündigte die Behörde an, erneut
gegen Lehrer ermitteln zu wollen. Es sei nicht auszuschließen, dass es auch
nicht-verjährte Übergriffe gebe.
Niederlande: Erstmals auch Nonnen beschuldigt
Unterdes weitet sich in den Niederlanden ein Skandal um sexuellen
Missbrauch von Kindern in Einrichtungen der katholischen Kirche weiter aus.
Neben etlichen Priestern werden jetzt erstmals auch Nonnen beschuldigt,
sich an kleinen Jungen vergangen zu haben, berichtete die Zeitung De
Telegraaf am Dienstag.
Unter anderem schildert ein heute 63-Jähriger in dem Zeitungsbericht, wie
er als knapp Elfähriger von Ordensschwestern in der katholischen
Internatsschule De Munt in Tegelen unweit der Grenze zu Nordrhein-Westfalen
sexuell missbraucht wurde. In der Zeitung "De Limburger" gestand ein
Geistlicher ein, dass er einst im Jungenpensionat "St. Maria ter Engelen"
mehrfach Zeuge von Kindesmissbrauch durch Priester geworden sei.
CDU und CSU wollen längere Verjährungsfristen
CDU und CSU wollen längere Verjährungsfristen. Viele Opfer seien erst nach
vielen Jahren in der Lage, sich mit ihrem Leid auseinanderzusetzen, sagte
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. CSU-Chef Horst Seehofer und seine
Justizministerin Beate Merk sprachen sich für eine längere Verjährungsfrist
aus. Sie sollte mindestens 30 Jahre betragen.
Bislang liegt die Frist bei 10 Jahren, in besonders schweren Fällen bei 20
Jahren - gerechnet vom 18. Geburtstag des Opfers an.
Leutheusser-Schnarrenberger ist weiter skeptisch: "Ich glaube nicht, dass
es das Allheilmittel ist."
Der Deutsche Kinderschutzbund reagierte auch zurückhaltend auf längere
Verjährungsfristen. "Es hilft jetzt keinem Kind", sagte
Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers. Die Deutsche Kinderhilfe forderte
hingegen, Verjährungsfristen ganz abzuschaffen.
9 Mar 2010
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