# taz.de -- Neuer Missbrauchsskandal: Reformschule im Zwielicht
       
       > Der bekannte Pädagoge und Leiter der Odenwaldschule, Gerold Becker, soll
       > Schüler jahrelang sexuell missbraucht haben. An der Schule war das seit
       > 1999 bekannt.
       
 (IMG) Bild: Die Odenwaldschule in idyllischer Lage. Doch der erste Blick trübt...zumindest tat er das in den 70er und 80er Jahren.
       
       An einer der renommiertesten Reformschulen Deutschlands, der 1910
       gegründeten Odenwaldschule in Südhessen, wurden in den Jahren 1971 bis 1985
       rund hundert Schülerinnen und Schüler regelmäßig mehrfach von Lehrkräften
       und auch von Gästen der Schule missbraucht. Das erklärte die derzeitige
       Leiterin der Odenwaldschule, Margarita Kaufmann, an diesem Wochenende. Sie
       bestätigte damit einen Bericht der Frankfurter Rundschau vom Samstag. Darin
       wird vor allem dem früheren Internatsleiter und bekannten Reformpädagogen
       Gerold Becker vorgeworfen, sich gleich hundertfach an einzelnen Zöglingen
       vergangen zu haben.
       
       Das Ausmaß der Verbrechen habe die Schule jetzt kurz vor ihrem 100.
       Geburtstag "massiv erschüttert und irritiert", sagte Rektorin Kaufmann, die
       schon seit Monaten Gespräche mit missbrauchten ehemaligen Schülern der
       Eliteschule führt. Diese längst erwachsenen Männer und - wenigen - Frauen
       leiden bis heute an den psychischen Folgen des jahrelangen Missbrauchs bis
       hin zu brutalen Vergewaltigungen. Ein ehemaliger Schüler habe ihr sehr
       glaubwürdig berichtet, von Becker bis zu 400-mal missbraucht worden zu
       sein, erklärte Kaufmann, die seit drei Jahren im Amt ist.
       
       Zusätzlich aufgebracht hat die ehemaligen Schüler, dass sich der heute
       73-jährige Becker auch nach seiner Demission 1999 auf Vortragsreisen weiter
       als "Vorzeigepädagoge mit ganzheitlichem Bildungsansatz" geriert habe und
       auch in der Literatur bis heute entsprechend gewürdigt werde, ohne jeden
       Hinweis auf seine Verbrechen. "Unsere Geduld ist erschöpft", sagten sie
       dazu der FR. Sie werfen Becker vor, seine pädophilen Neigungen mit
       reformpädagogischen Ansichten verschleiert zu haben.
       
       Gegen Becker war bereits 1999 ein staatsanwaltschaftliches
       Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, das wegen Verjährung rasch wieder
       eingestellt wurde. Becker soll bei einer internen Befragung angegeben
       haben, sich für seine unzähligen sexuellen Übergriffe zu schämen. Anfang
       2000 quittierte er endgültig den Dienst und gab auch den Vorsitz der
       "Vereinigung der Deutschen Landerziehungsheime" ab. Die neue Leitung der
       Odenwaldschule versuchte danach, den Fall unter Verschluss zu halten. Man
       sprach verharmlosend von "lange zurückliegenden Taten". Kritiker dieser
       Vertuschungspraxis wurden als "Gegner der Reformpädagogik" desavouiert.
       
       Dass damals nicht weiter nachgeforscht und der Skandal nicht aufgearbeitet
       wurde, nennt Rektorin Kaufmann heute einen "groben Fehler". Die Schule
       entschuldige sich bei den Opfern und wolle "diese traumatische Erfahrung
       als Teil ihrer Identität" anerkennen. Das werde sich auch in der
       anstehenden Jubiläumsfeier niederschlagen, zu der ehemalige Schülerinnen
       und Schüler wie der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit oder die
       Fernsehmoderatorin Amelie Fried erwartet werden
       
       7 Mar 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Peter Klingelschmitt
       
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