# taz.de -- Piratinnen im Gender-Kampf: Eine Debatte für's Netz
       
       > Die Mehrheit der Piratenpartei glaubt, das Geschlecht sei überwunden. Im
       > Internet eine weit verbreitete Meinung - die doch wieder zu
       > Benachteiligung führt.
       
 (IMG) Bild: Geschlecht existiert. Oder doch nicht?
       
       Wie diskutiert man etwas, das gar nicht existiert? Wie soll eine Partei
       über Sexismus und Geschlechtergerechtigkeit sprechen, deren Berliner
       Landesvorsitzender Andreas Baum sagt: "Ich sehe nicht, dass wir ein
       Gender-Problem haben", und deren Anhänger der Meinung sind, innerhalb der
       Partei habe man sämtliche Geschlechterfragen überwunden, praktiziere gar
       "echte Gleichberechtigung", wie es der stellvertretende Vorsitzende Andi
       Popp formuliert.
       
       Diese Frage stellt sich derzeit nicht nur den weiblichen Mitgliedern der
       Piratenpartei. Die Debatte darüber, was die Piraten darunter verstehen, das
       Geschlecht überwunden zu haben, läuft seit ungefähr September letzten
       Jahres. Sie erreichte in den letzten Wochen einen neuen Höhepunkt, als
       einige Piratinnen versuchten, sich mittels einer neu gegründeten weiblichen
       Mailingliste über ihre Erfahrungen in der Post-Gender-Partei auszutauschen.
       
       Hatten viele Piraten 2009 noch behauptet, das gesamte "Genderdings" - wie
       das Problem in Internetdiskussionen von Piratenanhängern gerne umrissen
       wird - würde nur von außen an sie herangetragen, wäre spätestens jetzt der
       Zeitpunkt gewesen, einzusehen, dass auch innerhalb der Partei dringender
       Diskussionsbedarf herrscht. Die Chance wurde leider verpasst. Ein User
       löschte einen Eintrag von Lena Simon, der Initiatorin der Gender-Debatte,
       von einer Piratenseite. Spätestens seitdem geht es rund in Foren und Blogs.
       
       Die Beiträge gehen von dem klaren Vorwurf an die Piratinnen, "der Sache" zu
       schaden, über Menstruationsblut-Sprüche bis hin zu der Aufforderung, nicht
       zu meckern, sondern sich bitte aktiv am Findungsprozess der Partei zu
       beteiligen. So weit der Bogen gespannt ist, so macht er doch vor allem
       eines deutlich: Nein, die Piratenpartei hat das Geschlecht nicht
       überwunden. Der lauten Mehrheit scheint im Gegenteil nicht einmal klar zu
       sein, was genau sie da als überwunden erachtet. Dies zeigt sich zum
       Beispiel dann, wenn die Piratenverteidiger in den Kommentaren auf taz.de
       oder zu kritischen Blogartikeln unterstellen, es ginge den
       PiratenkritikerInnen nur um das Binnen-I. Dass die Diskussion um
       geschlechtergerechte Sprache nur ein Aspekt der Debatte um
       Gleichberechtigung ist, begreifen sie gar nicht.
       
       Was allerdings in der Debatte in und um die Piratenpartei zutage tritt, ist
       ein ureigenes Problem des Internets. Groß waren Hoffnungen und Erwartungen:
       Wo könnten wir gleichberechtigter sein als im digitalen Leben, verborgen
       hinter einem anonymen Nick, der es uns erlaubt, völlig geschlechtslos
       aufzutreten und wahrgenommen zu werden?
       
       Leider stellte sich heraus, dass oft sogar das Gegenteil der Fall ist. Vor
       allem Frauen begegnen im Internet den gleichen Machtstrukturen und
       sexistischen Angriffen wie im analogen Leben, und als feministische
       Bloggerinnen machen wir fast täglich die Erfahrung, dass eine Bemerkung wie
       "ihr gehört mal wieder ordentlich gevögelt" im Schutze der Anonymität sogar
       noch leichter von der Hand geht. Weder das Internet noch die Piratenpartei
       sind also ein Paralleluniversum, in dem alle im "echten Leben" geltenden
       Regeln und Strukturen außer Kraft gesetzt werden.
       
       Das zeigte sich deutlich beim bedeutsamsten deutschen BloggerInnenkongress
       "Republica". Dort wurden 2009 alle bloggenden Frauen großzügig in einer
       einzigen Veranstaltung versammelt. Egal ob politische, feministische,
       technische oder Strickbloggerin, sie alle sollten sich in der Diskussion
       mit dem Titel "Wenn Frauen bloggen: Warum Babykotze genauso relevant ist
       wie das iPhone" wiederfinden. Assoziationen zu Wanderzirkusvorstellungen
       wie "wenn Hunde Fahrrad fahren" waren zwar wohl nicht intendiert, drängten
       sich aber dennoch auf, und über keine andere Veranstaltung gab es so viele
       Witze wie über "die Babykotze".
       
       Dieses Jahr nun sollte das anders werden. Die Bloggerinnen vernetzten sich
       unter anderem via Facebook, reichten verstärkt Veranstaltungsvorschläge ein
       und boten sich als Diskutantinnen für die Podien an. Erreicht haben sie
       aktuell einen Frauenanteil von circa 20 Prozent - das ist wohl das, was man
       "Luft nach oben" nennt. Aber immerhin, es scheint sich etwas zu bewegen.
       
       Ja, wir brauchen eine Gender-Debatte im Netz! Geschlecht existiert auch
       online und Sexismus wird durch Leugnen nicht verschwinden - und das ist
       übrigens etwas, das die Piraten selbst am besten wissen sollten.
       
       Die Autorin schreibt für den feministischen Blog [1][Mädchenmannschaft.net]
       
       12 Mar 2010
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://maedchenmannschaft.net/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Berg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
       
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