# taz.de -- Finale von "Unser Star für Oslo": Prinzessin oder Aschenputtel?
> Wer gewinnt das Finale von "Unser Star für Oslo" und vertritt Deutschland
> beim Grand Prix: Lena Meyer-Landrut mit ihrem syntaxkorrekten Deutsch
> oder die kämpferische Jennifer Braun?
(IMG) Bild: Wer ist jetzt wer? Ach so, ja: Jennifer Braun (li) und Lena Meyer-Landrut (re.
Die beiden Kandidatinnen, die am Freitag abend in den Kölner Studios von
Stefan Raabs Firma Brainpooldas Finale von "Unser Star für Oslo" austragen,
verkörpern genau jenes Rollenmodell, das kostbarer nicht sein könnte, um
das Publikum zu polarisieren. Hier Lena Meyer-Landrut, die in jedem ihrer
Sätze ein syntaxkorrektes Deutsch spricht und selbst ein Wort wie
"Medienbibliothek" unfallfrei, ja nachgerade tagesschausprecherinnenhaft
sagen kann. Sie singt und performt und gestikuliert wie eine Königin in
spe. Sie hat den Dirigenten der Show, Stefan Raab, stets auf ihrer Seite -
und sie liegt in allen Internetvotings vorn. Sie wirkt wie ein deutsches
Pendant zu Björk - in ihren vier Vorrunden, dem Viertel- wie Halbfinale
hatte das Publikum teilweise komplizierte alternative Popweisen zu
goutieren. Und sie trug sie so vor, dass sie aus diesen Songs ihre Acts
machte.
Ihr gegenüber, die Außenseiterin schlechthin: Jennifer Braun, ebenfalls 18
Jahre jung. Von der ersten Runde an, war sie dauerhaft als
Auf-der-Strecke-Bleiberin gewettet - und sang sich doch immer in die
nächste Runde. Im Halbfinale schaffte sie es sogar, den sichtlich
erschöpften Zweitfavoriten von Stefan Raab, Christian Durstewitz, mit einer
Christina-Aguilera-Nummer aus dem Rennen zu werfen. Jennifer Braun
allerdings, nimmt sich gegen die bildungsbürgerlich versierte Lena
Meyer-Landrut wie die kämpferische Gesamtschülerin aus, die es allen
hochnäsigen Pädagogen einmal tüchtig zu zeigen weiß. Und wie! Favorisiert
ist sie nicht - aber die Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest wäre
keine Vorentscheidung, würden nicht gerade bei einem solchen die
Höchstgewetteten auf der Zielgeraden eben vor dem internationalen Ticket
noch geschlagen. Das Rollenmodell ist einfach für das ARD-Publikum: Hier
die Prinzessin, die weiß, wie fein sie das alles bislang gemacht hat - dort
das Aschenputtel, das sich nicht so rasch von den Futternäpfen verdrängen
lassen will.
Um 20:15 Uhr beginnt in der ARD das Spektakel; neben Raab sind es diesmal
Xavier Naidoo und Stefanie Kloß ("Silbermond"), die die - allerdings nicht
stimmberechtigte - ExpertInnenjury stellen. Die Lieder können sich die
Finalistinnen diesmal nicht selbst aussuchen. Dem Vernehmen nach müssen
Meyer-Landrut wie Braun drei Kompositionen nach ihrem Gusto vortragen. Eine
von diesen wird dann die offizielle deutsche sein - für den 55. Eurovision
Song Contest am 29. Mai in Oslo.
Offen bleibt nur, ob die ARD, im Hinblick auf die Marktsegmente, mit der
Kooperation mit Stefan Raab und Pro7 zufrieden sein wird. In der Faz wie in
der Süddeutschen Zeitung sind am Donnerstag schon Nachrufe verfasst worden.
Die liberalkonservativen Blattmacher prophezeiten düstern, Lena oder
Jennifer würden in Oslo keien Chance haben - ohne genau zu umreißen, aus
was sich diese seherische Kraft speisen könnte. Die Sz hingegen gab
öffentlich ihre Gelangweiltheit zu Protokoll und verriet somit unverblümt,
wie sehr deren Autor eigentlich scharf ist auf ein Krawallieren, wie bei
Deutschland-sucht-den-Superstar mit Dieter Bohlen.
Nach den stets am Abend ausgestrahlten Wettkämpfen der Olympischen
Winterspielen pegelte sich die Pro7-Quote bei gut 2,2 Millionen Zuschauern
ein - die ARD schaffte vor einer Woche beim Viertelfinale gut drei
Millionen. Mehr als bei der Echo-Verleihung am Abend zuvor. Vor allem aber,
gerade was die jugendlichen Publikumsteile anbetrifft, Rekordwerte. Die
Vorentscheidungen der vergangenen Jahre, zuletzt 2008, waren schwächer in
den Marktwerten.
Ob, wie die Sz unkte, die Wahrscheinlichkeit, dass die
Eurovision-Song-Contest-Allianz zwischen ARD und Pro7 womöglich keine
Fortsetzung finden könnte, ist freilich offen. Raab verwies vor zehn Tagen
nach der letzten Vorrunde auf den Erfolg von USFO: Die Alternative zu DSDS
schlechthin. Und: Diese könne nur nachhaltig sein, wenn man die Kooperation
nicht auf ein Jahr beschränke. Das heißt: Wahrscheinlich wollen weder die
ARD-Unterhaltungsverantwortlichen noch Raab selbst, dass der ESC in
Deutschland wieder auf das Schlagerwischiwaschi eines Ralph Siegel & Co.
sich verlassen muss.
P.S.: Ralph Siegel, Schlagersöldner schlechthin, probierte es dieses Jahr
via Irland, ein Ticket nach Oslo zu ergattern. Sein Kandidat scheiterte
allerdings als Letzter in der Vorentscheidung des Landes, das am häufigsten
einen ESC gewinnen konnte. Nach Oslo fährt aus Dublin eien Frau, die weiß,
wie sich das Siegen anfühlt: Niamh Kavanagh, Gewinnerin mit "In Your Eyes"
im Jahre 1993.
12 Mar 2010
## AUTOREN
(DIR) Jan Feddersen
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