# taz.de -- Kommentar FDP: Putscht gegen Westerwelle!
> Westerwelle wähnt sich umzingelt von kleingeistigen Konservativen und
> einem "linken Zeitgeist". Diese Mischung aus Über- und
> Unterlegenheitsgefühlen führt zu ständiger Gereiztheit.
Guido Westerwelles Vorwärtsverteidigung gegen Kritik an seiner Amtsführung
lässt sich als Zeichen einer Charakterschwäche abtun. Doch es ist mehr. Der
FDP-Chef offenbart eine grundlegende Schwäche des hiesigen Liberalismus.
Nur Westerwelles Abgang kann dieser Geisteshaltung, die einfachen Parolen
einst nüchterne Skepsis entgegensetzte, zu neuen Ehren verhelfen.
Der Liberalismus war als Denkschule in Deutschland nie wirklich
erfolgreich. Zwischen den linken und rechten Großideologien des 20.
Jahrhunderts wurde sein gedanklicher Kern - persönliche Freiheit,
Selbstverantwortung und Staatsskepsis - fast zerrieben. Dieser Druck hat
seit den 80er-Jahren zu seiner Radikalisierung beigetragen: Der
Liberalismus verkam zum Wirtschaftsliberalismus. Der nervöse Außenminister
verkörpert dessen Doppelnatur: Einerseits glaubt er sich im Bunde mit einer
großen Macht, dem sogenannten Neoliberalismus. Andererseits wähnt er sich
umzingelt von kleingeistigen Konservativen und einem "linken Zeitgeist".
Diese Mischung aus Über- und Unterlegenheitsgefühlen führt zu ständiger
Gereiztheit. Diese entlädt sich auch in Westerwelles Unterstellungen, gegen
ihn liefen "Verleumdungskampagnen" linker "Kräfte".
Diese Paranoia ist politisch fatal. Die FDP hat die Wahl: Folgt sie weiter
ihrem Vorsitzenden, der ihr erst viele Wahlerfolge bescherte, nun aber zur
Belastung wird? Oder öffnet sie sich, schon aus machttaktischen Erwägungen,
neuen Ansichten und Koalitionen? Geht die Landtagswahl in
Nordrhein-Westfalen verloren, wird
die Partei diese Debatte auch öffentlich führen. Westerwelles Abtritt würde
die Chance eröffnen, dass Liberalismus wieder mehr wird als
Wirtschaftsliberalismus.
14 Mar 2010
## AUTOREN
(DIR) Matthias Lohre
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