# taz.de -- Ökonom Heiner Flassbeck: "Griechenland ist nicht pleite"
       
       > Wenn die Euro-Staaten schnell helfen, sei die Krise zu beherrschen, sagt
       > der Ökonom Heiner Flassbeck, "dieses ganze Gerede vom Staatsbankrott ist
       > kompletter und gefährlicher Blödsinn".
       
       taz: Herr Flassbeck, ist Griechenland fast bankrott oder schon komplett
       pleite?
       
       Heiner Flassbeck: Weder das eine noch das andere. In Ländern wie
       Griechenland und Deutschland stehen den Schulden riesige Vermögenswerte
       gegenüber. Schon darum ist dieses ganze Gerede vom Staatsbankrott
       kompletter und gefährlicher Blödsinn.
       
       Die Investoren auf den Finanzmärkten verlangen bis zu 16 Prozent Zinsen,
       wenn sie Griechenland Geld leihen. Der Finanzminister hat erklärt, keine
       Staatspapiere mehr verkaufen zu können. Ist die Situation nicht
       beängstigend? 
       
       Doch, Griechenland ist zum Spielball der Spekulanten geworden. Den
       Teufelskreis aus steigenden Zinsen für griechische Anleihen und wachsender
       Panik müssen und können die Regierungen in Europa aber unterbrechen.
       
       Kann man angesichts der griechischen Schulden allein die Finanzinvestoren
       verantwortlich für die Krise machen? 
       
       Siehe oben. Die eigentliche Ursache dieser Verwerfungen aber liegt tiefer.
       Griechenland und der Rest Südeuropas haben so hohe Schulden, weil sie zu
       wenig konkurrenzfähig sind. Das ist nicht nur deren Schuld, sondern auch
       Deutschland hat dazu erheblich beigetragen, indem es Lohndumping auf den
       internationalen Märkten betrieb.
       
       Könnten die Griechen die Nerven verlieren, ihre Sparkonten räumen, die
       Banken zusammenbrechen, so dass wir auch in Deutschland in die nächste
       Bankenkrise kommen? 
       
       Diese Gefahr kann man nicht ignorieren. Aber wir sind ihr nicht hilflos
       ausgeliefert. Die Regierungen des Euro-Raumes haben genug Macht, gegen den
       Wahnsinn des Marktes vorzugehen und die Angst der Privatanleger zu
       zerstreuen. Glücklicherweise scheinen jetzt auch die Letzten in Berlin zu
       erkennen, dass Europa schlicht und einfach mit Kapital eine Überbrückung
       bieten muss.
       
       Hat Deutschland die Hilfe zu lange blockiert? 
       
       Nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel hat man den richtigen
       Zeitpunkt zum Eingreifen verpasst. Schon vor einem Jahr hätte die große
       Koalition aus Union und SPD begreifen müssen, dass eine Euro-Anleihe zu
       niedrigen Zinsen aufgelegt wird. Das hätte die jetzige Krise verhindert,
       weil es die Abhängigkeit Griechenlands und anderer Defizitländer von den
       privaten Kapitalmärkten verringert hätte.
       
       SPD, Linke und Grüne fordern, den Privatbanken einen Teil der Verluste
       aufzubürden. Richtig? 
       
       Das ist Quatsch. Viele Banken sind immer noch selbst gefährdet, andere
       zocken mit. Hier geht es darum, den Markt in seine Schranken zu verweisen -
       dazu holt man ihn nicht ins Boot.
       
       Wieso so milde? 
       
       Das hat nichts mit Milde zu tun. Ich sage: Hier gibt es keine Verluste
       abzuschreiben. Griechenland bedient seine Staatsanleihen und zahlt die
       Zinsen. Das Land ist nicht zahlungsunfähig. Damit das so bleibt, braucht es
       ein paar Milliarden Euro auf dem Umweg, dass andere Regierungen den Engpass
       am Kapitalmarkt überbrücken. Dann ist der Spuk der sogenannten
       Schuldenkrise sofort vorbei. Für ganz Europa wird dabei kein Cent mehr an
       Staatsverschuldung entstehen. Es handelt sich um Kredite, nicht Geschenke.
       
       Was wäre nach der Überwindung der akuten Krise zu tun? 
       
       Deutschland muss darauf verzichten, die Wettbewerbsfähigkeit seiner
       Wirtschaft weiter auf Kosten anderer Nationen zu steigern. Konkret bedeutet
       das: Die Löhne der Beschäftigten sollten hier stärker zunehmen. Deutschland
       würde selbst dann für lange Zeit seine Marktanteile halten. Deutsche Waren
       würden aber allmählich relativ teurer und die anderen billiger. Der Export
       der Mittelmeerländer nähme zu, ihre Einnahmen stiegen, die Verschuldung
       sänke.
       
       30 Apr 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
       
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