# taz.de -- Regierungssprecher wird BR-Intendant: Merkels lächelndes Fallbeil
       
       > Merkels Regierungssprecher Wilhelm ist heute zum BR-Intendanten gewählt
       > werden. Eigentlich ein Skandal. Doch ein Aufschrei wie damals bei Brender
       > – Fehlanzeige.
       
 (IMG) Bild: Der enge Berater der Kanzlerin wechselt direkt aus der Politik an die Spitze einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt.
       
       BERLIN taz | Es galt als ausgemachte Sache, dass der BR-Rundfunkrat
       Regierungssprecher Ulrich Wilhelm (48) am Donnerstag zum Intendanten des
       Senders wählt. Damit wechselt der enge Berater der Kanzlerin und
       langjährige Vertraute des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund
       Stoiber direkt aus der Politik an die Spitze einer öffentlich-rechtlichen
       Rundfunkanstalt.
       
       Auf diese war er bisher zwar nicht immer gut zu sprechen, umgekehrt bei den
       Journalisten aber ungewöhnlich beliebt. An scharfe Worte des blonden
       Volljuristen möchte sich kaum jemand erinnern. Oder gab es die etwa doch?
       
       Am 27. August 2009 wartete MDR-Chefredakteur Wolfgang Kenntemich im
       ARD-Hauptstadtstudio auf hohen Besuch: die Kanzlerin. Kurzfristig hatte der
       Dreiländersender für Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt ein
       Angela-Merkel-Interview ins Programm gehoben, Thema: "Wie weiter im
       Osten?".
       
       Die Überrumpelungsnummer 
       
       Schließlich wurde am Sonntag darauf in zwei der drei MDR-Länder gewählt -
       womit der exklusive Auftritt nach offizieller Lesart natürlich rein gar
       nichts zu tun hatte. Er zielte angeblich ausschließlich auf die
       Bundestagswahlen im September ab. Schließlich gab es auch eine
       Intervieweinladung des MDR an den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter
       Steinmeier, zwei Wochen später. Die Überrumpelungsnummer war fast geschickt
       genug eingefädelt - maßgeblich vom Regierungssprecher.
       
       Doch dann musste Ulrich Wilhelm doch noch richtig sauer werden. Weil die
       Linkspartei (sehr laut) und der ein oder andere Chefredakteur im
       ARD-Verbund (eher leise) protestierten, wurde das Kanzlerinneninterview
       genauso kurzfristig abgesagt, wie es anberaumt worden war. Am
       Donnerstagmorgen erklärte MDR-Intendant Udo Reiter, die Terminwahl sei
       "unglücklich", eine einseitige Beeinflussung der Wahlkämpfe in beiden
       MDR-Ländern nicht auszuschließen gewesen: "Um den Grundsatz der
       Chancengleichheit nicht zu gefährden, verzichtet der MDR auf die
       Interviews."
       
       Wilhelm, sagen Insider, habe "einen Riesenstunk gemacht" und darauf
       gepocht, dass das Interview fest verabredet war und Merkel schon so gut wie
       im Auto gesessen hätte. Die FAZ gab damals Schützenhilfe: Da zeige sich,
       "wie weit der Arm der zumindest in ihrer östlichen Hälfte früheren
       Staatspartei wieder reicht. An Auftritten ihrer Spitzenleute im Fernsehen
       ist jedenfalls kein Mangel", schrieb das Blatt.
       
       Davon, dass hier eine durchsichtige Wahlkampfnummer mit freundlicher
       Unterstützung des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung
       durchgezogen werden sollte, kein Wort. Die CDU nahm die Interviewabsage
       "mit Befremden" zur Kenntnis, und Wilhelm, heißt es in der ARD, ließ noch
       ein paar geharnischte Briefe folgen.
       
       Dabei kann der Regierungssprecher auch anders - viel laaaangsaaaamer.
       
       Im Spätsommer 2009 zog sich das Tauziehen darum, ob sich Angela Merkel vor
       der Bundestagswahl einer gemeinsamen Runde mit den Spitzenkandidaten der
       anderen Parteien in ARD oder ZDF stellt, schon seit März hin. "Wir
       versuchen mit Händen und Füßen, scharfem Timbre in der Stimme und auch
       gutem Zureden, alle Spitzenkandidaten in eine Sendung zu bekommen", klagte
       damals ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. Doch Merkel verweigere sich,
       immer habe es in ihrem Terminkalender leider nicht gepasst.
       
       Solange Merkel nicht dabei war, hielt sich auch SPD-Konkurrent Steinmeier
       mit Zusagen zurück. Abgesagt hat die Kanzlerin aber auch nicht - das hätte
       nur die Vorwürfe, Merkel würde kneifen und sich maximal für das bizarre
       Kanzlerduell hergeben, aufs Schönste bestätigt. Also schoben Wilhelm & Co.
       alles auf die lange Bank, bis es dem ZDF-Chefredakteur zu bunt wurde: "Die
       Verweigerung von Kanzlerin und Kanzlerkandidat beschädigt die demokratische
       Kultur", sagte er und blies die "Berliner Runde" ab.
       
       Die ARD ließ sich noch länger hinhalten und für "Die Favoriten" sogar den
       niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff als CDU-Ersatzmann
       aufschwatzen. Das war dann wiederum Steinmeier zu blöd. Und so gab es am
       Ende doch eine PR-Niederlage für die Kanzlerin, und Wilhelm schrieb mal
       wieder böse Briefe - diesmal an ARD und ZDF. Auch ZDF-Intendant Markus
       Schächter wurde unter Druck gesetzt, Brender wegen seiner drastischen
       Kritik an Merkel zurückzupfeifen.
       
       Brender war im Kanzleramt da schon unten durch, subtil wurde seine
       Weigerung, sich dem Merkelschen Komment zu unterwerfen, und seine Kritik,
       bei der Kanzlerin gehe es "wie bei Hofe" zu, als "undiplomatische Art"
       getadelt. Die Quittung kam im November: Wie erwartet scheiterte Brenders
       Vertragsverlängerung im von der Union dominierten ZDF-Verwaltungsrat.
       
       Über Brender zu Gericht saß unter anderen Medienstaatsminister Bernd
       Neumann (CDU), und einer der Drahtzieher im Hintergrund war - der unter
       Journalisten so beliebte Ulrich Wilhelm. "Er ist im Grunde das lächelnde
       Fallbeil", sagt ein öffentlich-rechtlicher Grande. Sollte sich dies als
       Spitzname Wilhelms im BR einbürgern, müsste der sich zum wohl ersten Mal in
       seiner Karriere Sorgen um sein Image machen.
       
       6 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
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