# taz.de -- Gangsterjagd in Jamaika: 60 Tote bei Sturm auf Armenviertel
       
       > Der wegen Drogenhandels gesuchte Unterweltboss Dudus Coke konnte bisher
       > nicht verhaftet werden. Stattdessen geriet die Polizeiaktion in der
       > Hauptstadt Kingston zu einem Blutbad.
       
 (IMG) Bild: Ein bei den Unruhen verwundeter Mann wird ins staatliche Krankenhaus von Kingston eingeliefert.
       
       SANTO DOMINGO taz | Bei der Erstürmung eines Armenstadtteils durch die
       Polizei sind in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston am Montag und
       Dienstag mindestens 60 Personen getötet worden, darunter eine große Zahl
       von Zivilisten. Mehr als 1.000 Soldaten und Mitglieder von Polizeieinheiten
       hatten am Montag Tivoli Gardens gestürmt, wo sich der wegen Drogen- und
       Waffenhandels gesuchte Christopher „Dudus“ Coke verschanzt hatte.
       
       Auch am Dienstag waren nach Zeitungsberichten aus Kingston noch Explosionen
       und Schusswechsel zu hören. Coke soll nach einer Gerichtsentscheidung an
       die USA ausgeliefert werden. Ihm wird vorgeworfen, Chef einer kriminellen
       Bande in der Karibik zu sein und den US-amerikanischen Markt mit Drogen zu
       versorgen.
       
       Die Auseinandersetzungen hatten in der vergangenen Woche begonnen, als die
       jamaikanischen Justizbehörden dem US-Auslieferungsersuchen statt gaben und
       die Inhaftierung des 41-jährigen Veranstaltungsorganisatoren anordneten.
       Daraufhin hatten Bewohner des Stadtviertels die Zufahrtswege mit Barrikaden
       abgeriegelt, um „Dude“ Coke zu verteidigen, den sie als einen modernen
       Robin Hood verehren. Am Wochenende hatten Stadtteil-Bewohner dann mehrere
       Polizeistationen beschossen.
       
       Aus einem Revier mussten die Polizeikräfte mit Sondereinheiten evakuiert
       werden, nachdem ihnen die Munition ausgegangen war. Die Polizeistation
       wurde in Brand gesteckt. Die Regierung des konservativen Premierministers
       Bruce Golding hatte daraufhin den Ausnahmezustand über Teile von Kingston
       und der angrenzenden westlichen Provinz verhängt.
       
       Am Montag begannen Spezialkommandos mit Räumgerät die zahlreichen
       Barrikaden in Tivoli Gardens zu durchbrechen. Zuvor war in den Stadtteilen,
       in denen sich vermutlich Mitglieder der „Duke“-Bande verschanzt hatten, der
       Strom abgestellt werden. Besonders in dem Stadtteil, in dem der Gesuchte
       sich versteckt halten soll, wurde die Polizei, wie Jamaikas Tageszeitungen
       unter Berufung auf Polizeiquellen berichten, unter Beschuss genommen. Die
       Sicherheitskräfte wiederum warfen aus Hubschraubern Tränengasgrananten ab
       und nach unbestätigten Berichten von Bewohnern der Gegend sogar auch
       Sprengsätze. Eine Frau berichtete von heftigem Gewehrfeuer und Explosionen.
       
       Nach Angaben von Hospitalmitarbeitern, auf die sich die Tageszeitung
       Gleaner beruft, waren unter den Getöteten mindestens vier Polizisten. Der
       Gleaner sprach von einer „blutigen Offensive“ gegen Tivoli Gardens, bei
       denen auch Kinder getötet worden sein sollen. Schon in der Vergangenheit
       war der jamaikanischen Polizeibehörde immer wieder vorgeworfen worden, dass
       sie bei Auseinadersetzungen mit Kriminellen oder vermeintlichen Straftätern
       mit harter Hand vorgeht und auch vor illegalen Hinrichtungen nicht
       zurückschreckt.
       
       Schon vor zwei Jahrzehnten hatte der Tod des Adoptivvaters des jetzt
       Gesuchten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen auf der Reggaeinsel geführt.
       Lester Cokes, der Gründer der „Shower Posse“-Bande, die jetzt Christopher
       „Dudus“ Coke kommandieren soll, war in einer Haftzelle umgekommen, als er
       auf seine Auslieferung in die USA wartete. Nach „Dude“ Coke sucht die
       Polizei weiter. Er soll entkommen sein. Jamaika hat derzeit einer der
       höchsten jährlichen Mordraten der Welt. Im vorigen Jahr sollen rund 1.660
       Menschen umgebracht worden sein.
       
       26 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hans-Ulrich Dillmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
       
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