# taz.de -- Boom der Kreuzfahrten: Dreckige Traumschiffe
> Mehr Passagiere, mehr Umsätze, mehr Schiffe. Doch das saubere Image der
> weißen Traumschiffe schwindet.
(IMG) Bild: Das Reisen mit einem Kreuzfahrtschiff ist ein seit Jahren boomendes Geschäft.
Von wegen Flaute! Die Kreuzfahrtbranche trotzt der Wirtschafts- und
Finanzkrise und boomt ungebremst. Kreuzfahrten sind nach wie vor ein
Nischenprodukt. Doch das wächst schneller als jedes andere Marktsegment im
weltweiten Tourismus. Der Cruise Lines International Association (CLIA),
dem Dachverband der Kreuzfahrtreeder, zufolge ist die Zahl der Passagiere
seit dem Jahr 2000 weltweit um 80 Prozent gestiegen; 2009 machten insgesamt
13,4 Millionen Gäste eine sogenannte Traumschiff-Reise.
Auch deutsche Urlauber stechen zunehmend in See, nach der
Kreuzfahrten-Marktstudie des Deutschen ReiseVerbands (DRV) gingen 2009
insgesamt 1,4 Millionen Deutsche an Bord (10,2 Prozent mehr als 2008). „Die
Kreuzfahrt ist die touristische Erfolgsstory der letzten Jahre“, sagt
DRV-Präsident Klaus Laepple. Auch die weiteren Aussichten scheinen rosig.
„Der deutsche Markt hat ein Potenzial von über 3 Millionen Passagieren“,
prognostiziert Falk-Hartwig Rost, Deutschlandchef der italienischen
Reederei MSC.
Nach wie vor ist die Karibik, „die Badewanne der Amerikaner“, mit einem
Marktanteil von etwa 70 Prozent das Hauptziel der Kreuzfahrtanbieter. Da
aber das Karibik-Geschäft derzeit dümpelt, nehmen US-Reedereien mit ihren
Schiffen zunehmend Kurs auf europäische Ziele wie das Mittelmeer und die
Ostsee. Neue Megaliner, die eine Größe von über 100.000 Tonnen und Platz
für 3.000 oder 4.000 Passagiere haben, beschleunigen den Boom.
Die „Oasis of the Seas“ der Reederei Royal Caribbean International, die im
Dezember 2009 in See stach und 5.400 Gäste aufnehmen kann, ist zurzeit der
weltgrößte Ozeanriese. Das Wachstum scheint keine Grenzen zu kennen: Allein
in diesem Jahr kommen ein Dutzend neuer schwimmender Hotels mit 27.000
Betten zur Auslieferung. Dennoch machen Kreuzfahrtschiffe nur einen
Bruchteil der Gesamtflotte des internationalen Seeverkehrs aus, der von der
Fracht-und Containerschifffahrt beherrscht wird.
Die Kreuzfahrt hat ein sauberes Image: Blütenweiße Traumschiffe schippern
über marineblaue Ozeane. Doch der schöne Schein trügt. Denn auch
Kreuzfahrtschiffe – wie die gesamte Schifffahrt von der öffentlichen
Diskussion um Umweltbelastung und Klimawandel weitgehend ausgeklammert –
stinken zum Himmel und verschmutzen die Meere.
Kritiker sprechen gar von „Dreckschleudern“ und „schwimmenden
Sondermüllverbrennungsanlagen“, „ökologischen Monstern“ und „Klimasündern“,
die dem NABU (Naturschutzbund Deutschland) zufolge einen „deutlich
sichtbaren ökologischen Fußabdruck“ hinterlassen. Viele Schiffe fahren mit
billigem Schweröl, bei dessen Verbrennung gefährliche Schadstoffe wie
Schwefel- und Stickoxide sowie Rußpartikel emittiert werden. Besonders
klima- und gesundheitsschädlich ist die Belastung mit Partikeln, die nicht
durch Grenzwerte reguliert ist, zu werten: Wissenschaftler errechneten,
dass ein Kreuzer wie die „Queen Mary 2“ so viel Feinstaub produziert wie
rund 50.000 Autos bei Tempo 130.
Für Lars Mönch, Fachgebietsleiter für Schadstoffminderung beim
Umweltbundesamt (UBA), zählt darüber hinaus auch die Belastung mit
Schwefeloxiden und Stickoxiden. Ab diesem Jahr darf in europäischen Häfen
der Schwefelgehalt von Schweröl nur noch 0,1 Prozent betragen. Trotzdem ist
„der Schwefelgrenzwert für Schiffskraftstoffe immer noch 100-fach höher als
der für Kraftstoff im Straßenverkehr“, erklärt Mönch.
Und bei den Stickoxiden gilt ab 2011 ein von der Internationalen
Seeschifffahrtsorganisation IMO festgesetzter internationaler Grenzwert,
„der in etwa dem aus dem Straßenverkehr Anfang der 90er-Jahre entspricht.“
Und die Bilanz in puncto Treibhausgas? Nach übereinstimmenden Studien
steuert die Seeschifffahrt 2,7 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen bei –
das liegt ungefähr in der Größenordnung des viel gescholtenen Flugverkehrs.
Wissenschaftler sagen voraus, dass der CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 30
Prozent steigen wird.
Daher plant die Europäische Union, den Emissionshandel nicht nur auf die
Luftfahrt, sondern auch auf den Schiffsverkehr anzuwenden. Es gibt aber
eine Reihe von Maßnahmen, die Umweltbelastung durch Schiffe zu reduzieren:
Zum Beispiel der Umstieg vom Schweröl auf das umweltfreundlichere Dieselöl:
Das würde wegen Wettbewerbsverzerrungen und hoher Investitionskosten aber
mindestens zehn Jahre dauern, erklärt Lars Mönch vom UBA.
Oder die Landstromversorgung: Kreuzfahrt-Giganten, die so viel Elektrizität
wie eine Kleinstadt verbrauchen, könnten im Hafen ihre Motoren abschalten
und sauberen Strom durch die „Steckdose“ an Land beziehen. Bisher verfügt
in Deutschland nur der Lübecker Hafen über eine Landstromanlage. Oder die
sachgemäße Entsorgung der Schiffsabwässer: entweder durch Klärtechnik an
Bord oder durch Anbindung an Kläranlagen in den Häfen.
Für Jochen Lamp, Leiter des Ostseebüros der WWF-Umweltstiftung, ist die
Nährstoffbelastung und damit die Bildung von Algenteppichen und
sauerstoffarmen Todeszonen das Hauptproblem der Ostsee. „In der
Vergangenheit gelangten jedes Jahr bis zu 100 Millionen Klospülungen sowie
große Mengen Schmutzwasser von Kreuzfahrt- und Fährschiffen in die Ostsee.“
Das sind laut Lamp zwar nur 0,4 Prozent der Gesamteinleitungen, im
Vergleich zu den Nährstoffeinträgen aus Landwirtschaft und Flüssen also
„kleine Fische“.
Trotzdem erreichte der WWF mit einer Kampagne, dass sich der European
Cruise Council, der Lobbyverband der europäischen Reedereien, dazu
verpflichtete, die umweltschädliche Entsorgung von Abwässern auf hoher See
einzustellen, wenn die Ostseehäfen adäquate Entsorgungseinrichtungen
anbieten. Für Jochen Lamp vom WWF sind jetzt die Hafenbetreiber am Zug, um
– wie in Helsinki oder Stockholm vorexerziert – ihre Häfen an die
Kläranlagen anzubinden.
Macht die Kreuzfahrtbranche die „Öko-Leinen los“, wie das touristische
Branchenblatt fvw International titelte? Peilt sie tatsächlich ein „Clean
Business“ an? Die italienische Costa Crociere, Europas größter
Kreuzfahrtreeder, positioniert sich als ökologischer Vorschiffer, als
„Europas erste grüne Flotte“ mit Umweltprogrammen, durch die ökologische
Verträglichkeit der Schiffe (Abfalltrennung, Senkung des Energieverbrauchs)
und mit einem Schutzprogramm für die Meere in Kooperation mit dem WWF.
#Doch nicht alle Kreuzfahrtschiffsreedereien nehmen ihre
Umweltverantwortung ernst. Einige verweisen gebetsmühlenartig auf fehlende
internationale Umweltstandards und hohe Investitionskosten bei der
Umrüstung der Schiffe auf moderne Umwelttechnologie.
Auch die Schiffbauindustrie steht angesichts der Debatten um
Ressourcenverbrauch und Verminderung von Emissionen auf dem ökologischen
Prüfstand. Rüdiger Pallentin, Geschäftsführer der Lloyd-Werft in
Bremerhaven, hat festgestellt, dass seine Kunden, die Reedereien, zunehmend
umweltfreundliche und energieeffiziente Schiffe in Auftrag geben.
„Ein Hybridschiff zu entwickeln, das mit Segeln und Gas, mit zero emission
durch die Weltmeere fährt“, ist für Rüdiger Pallentin noch Zukunftsmusik.
Aber es gebe bereits erste Ansätze, Projekte im Frühstadium. „Für
Reedereien und Werften ist es doch eine schöne technische Herausforderung,
sich mit Ingenieurstätigkeit beim Bau umweltfreundlicher Schiffe
einzubringen.“
Klima ahoi?! Die Kreuzfahrtbranche ist nicht nur „Mittäter“, sondern auch
„Opfer“ des Klimawandels. Denn einige Destinationen, die Kreuzfahrtschiffe
ansteuern, sind vom Klimawandel akut gefährdet. Wie zum Beispiel die
Arktis, wo die Folgen des Klimawandels – die extreme Temperaturerwärmung
führt zu einem drastischen Rückgang des Meereises – besonders deutlich zu
beobachten sind. Trotzdem wächst der Kreuzfahrttourismus in die Polarregion
stetig, und jedes Schiff, dass in der Arktis aufkreuzt, trägt zu einem
Anstieg der klimaschädlichen Emissionen in dem fragilen Ökosystem bei.
5 Jun 2010
## AUTOREN
(DIR) Günter Ermlich
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Qualität der Berliner Luf ist miserabel: Berlin verstaubt
Die Feinstaubbelastung vor allem an Hauptstraßen ist weiterhin viel zu
hoch. Trotz Umweltzone. Die zuständigen Senatsverwaltungen sehen dennoch
keinerlei Handlungsbedarf.
(DIR) Arbeitsbedingungen an Bord: Luxus und Unterwelt
Schattenseiten des Kreuzfahrtbooms: Das Personal auf See wird ausgebeutet