# taz.de -- Arbeitsbedingungen an Bord: Luxus und Unterwelt
       
       > Schattenseiten des Kreuzfahrtbooms: Das Personal auf See wird ausgebeutet
       
 (IMG) Bild: In der Küche des Luxusliners
       
       Lassen Sie den Spaß beginnen“ – mit diesem Werbespruch füllt einer der
       größten Kreuzfahrtanbieter seine „Fun Ships“. Carnival Cruise Lines weiß,
       was die Kunden suchen. Doch spätestens am Eingang der
       Mannschaftsunterkünfte unterhalb der Wasserlinie des Schiffes hört auf den
       „Fun Ships“ der Spaß auf. Denn hier leben dicht gedrängt in Doppelkabinen
       bis zu eintausend Mitarbeiter des Hotel- und Restaurantbetriebs, die
       unermüdlich 24 Stunden am Tag im Schichtdienst für das körperliche Wohl und
       den „Spaß“ der Kreuzfahrer schuften.
       
       Es ist eine Welt für sich, die isoliert vom normalen Kreuzfahrtbetrieb in
       den Mannschaftsunterkünften ihre eigenen Regeln entwickelt hat. Für den
       normalen Kreuzfahrer ist diese Welt tabu. Zu krass wären die Gegensätze
       zwischen den einfachen, aber sauberen Mannschaftsunterkünften und der
       Glitzerwelt des Kreuzfahrtschiffes, seinen Suiten und den geräumigen
       Außenkabinen mit Balkon, die auf den neuen Mega-Schiffen Standard sind.
       
       Das gesamte Personal der Reederei lebt in einer pulsierenden „Unterwelt“.
       Höher bezahlte nautische Offiziere verfügen über bessere Kabinen. Klare
       Hierarchien sind auf See auch heute noch die Regel. Wer tiefer und lauter
       leben muss, kommt eher aus einem Niedriglohnland in Asien, Südamerika oder
       Osteuropa. Schon in den 70er-Jahren begann die Holland America Line, ihre
       niederländischen Stewards durch Indonesier zu ersetzen. Die Bordwäschereien
       sind traditionell in der Hand von Chinesen. Rund 70 Prozent aller
       Beschäftigten auf Kreuzfahrtschiffen arbeiten im schlechter bezahlten
       Hotel- und Restaurantbereich.
       
       Mit Verträgen von sechs bis zehn Monaten Laufzeit kommen die Angestellten
       an Bord. „Ich fange um 6.30 Uhr an und arbeite regelmäßig bis Mitternacht“,
       erklärt Muran aus Indonesien. „Manchmal gibt es dann noch
       Abendveranstaltungen, nach denen ich aufräumen muss. Dann wird es schon
       einmal zwei oder drei Uhr morgens, bis ich Dienstschluss habe.“ Überstunden
       werden regelmäßig nicht bezahlt. Arbeitszeitempfehlungen der
       Internationalen Transportarbeiter-Gewerkschaft (ITF) oder der Vereinten
       Nationen stoßen bei den Betroffenen nur auf müdes Lächeln. „Die von den UN
       empfohlenen 48 Stunden Wochenarbeitszeit sind unrealistisch. Ich arbeite
       meist doppelt so lang“, erklärt Muran.
       
       Zeit für sich hat er nur selten. Die Kabinen sind oft so klein, dass es
       schon schwierig sein kann, alles Gepäck zu verstauen. Er hat kaum Einfluss
       darauf, mit wem er monatelang seine Kabine teilt. Die Wahrscheinlichkeit,
       dass es jemand aus einem anderen Kulturkreis ist, ist groß. Denn auf vielen
       Mega-Schiffen sind über 60 Nationalitäten vertreten. So interessant der
       Austausch zwischen Kulturen auch sein mag, so kommt es auch schnell zu
       Konflikten. Denn wer übermüdet ist, ist auch schneller reizbar. Hinzu kommt
       die Arbeit in unterschiedlichen Schichten, die ein Zusammenleben auf so
       engem Raum erschweren.
       
       .Die Reedereien stellen trotzdem gezielt Mitarbeiter aus
       unterschiedlichsten Regionen ein. Ein durchaus erwünschter Nebeneffekt ist,
       dass die Äußerung gemeinsamer Forderungen der Niedriglohnarbeiter oder eine
       mögliche gewerkschaftliche Vertretung an Bord erschwert werden.
       Unmissverständlich wird jedem Mitarbeiter klargemacht, dass Gewerkschaften
       auf See unerwünscht sind.
       
       Von guten Gehältern kann das Restaurantpersonal nur träumen. Meist ist das
       monatliche Grundgehalt sehr gering und beläuft sich nur auf wenige hundert
       US-Dollar. Trinkgelder machen bis zu drei Viertel des Lohnes aus. Doch
       nicht in allen Bereichen des Restaurants lässt sich gleich viel Trinkgeld
       erarbeiten. Die besten Plätze werden von mafiösen Gangs kontrolliert.
       
       Trotz der schwierigen Arbeitsbedingungen versuchen die meisten ihren
       Arbeitsvertrag zu erfüllen. Doch nicht wenige müssen vorher ihren Dienst
       quittieren, weil sie sich der enormen körperlichen und psychischen
       Belastung nicht mehr gewachsen fühlen. Wochenlang sind sie fast nur
       Kunstlicht ausgesetzt. Wenige Stunden Landgang einmal in der Woche sind
       kein angemessener Ausgleich. Zwar gibt es offene Deckflächen, die der
       Mannschaft zur Verfügung stehen, doch meist fehlt die Zeit, um diese zu
       nutzen. Chronischer Schlafmangel und Depressionen werden mit Alkohol
       ertränkt. Manche Reedereien zeigen sich beim Alkoholausschank großzügig,
       weil sie um die Nöte ihrer Mitarbeiter wissen.
       
       In der boomenden Kreuzfahrtbranche zählt nur die Rendite. Höhere Löhne und
       bessere Arbeitsbedingungen wollen sich die Großreedereien nicht leisten, da
       sie in einem enormen Konkurrenzkampf stehen. Immer neue und größere
       Mega-Schiffe müssen gefüllt werden, damit die Branche expandiert. Und das
       gelingt ihr zunehmend. Mit Billigangeboten werden Urlauber auf die
       Traumschiffe gelockt, um an Bord möglichst viel Geld auszugeben.
       
       Alle Kampagnen der Internationalen Transportarbeiter-Gewerkschaft, bessere
       Bedingungen an Bord durchzusetzen, verliefen weitgehend im Sande. Denn in
       Indonesien, Indien, Bulgarien und Montenegro stehen Zehntausende im
       Wartestand, um ein Engagement an Bord zu bekommen.
       
       9 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Delius
       
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